Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen


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an. Aha, man versteigt sich hier schon zu Meinungsäußerungen. Ja natürlich. Zu Frau Stockmann. Frau Schwägerin, vermutlich sind Sie die Besonnenste hier im Hause. Bieten Sie allen Einfluß auf, den Sie auf Ihren Mann haben; bringen Sie ihm zum Bewußtsein, was für Folgen diese Geschichte sowohl für seine Familie –

      Stockmann. Meine Familie geht keinen andern als mich etwas an.

      Stadtvogt. – sowohl für seine Familie, sage ich, als auch für die Stadt haben wird, in der er lebt.

      Stockmann. Der das wahre Wohl der Stadt will, das bin ich! Ich will die Mängel aufdecken, die früher oder später ans Tageslicht kommen müssen. O, es wird sich schon zeigen, ob ich meine Vaterstadt liebe!

      Stadtvogt. Du? Und da gehst Du in verblendetem Trotze hin und schneidest der Stadt die wichtigste Nahrungsquelle ab.

      Stockmann. Die Quelle ist vergiftet, Mensch! Bist Du denn toll?! Wir leben hier vom Hökerhandel mit Unrat und Fäulnis! Das ganze aufblühende Leben unseres Gemeinwesens saugt seine Nahrung aus einer Lüge!

      Stadtvogt. Hirngespinste – oder noch etwas Schlimmeres. Ein Mann, der so beleidigende Insinuationen gegen seine eigene Vaterstadt schleudert, muß ein Feind der Gesellschaft sein.

      Stockmann auf ihn zu. Und das wagst Du –!

      Frau Stockmann wirft sich zwischen beide. Thomas!

      Petra faßt ihren Vater am Arm. Nur Ruhe, Vater!

      Stadtvogt. Ich will mich nicht Gewalttätigkeiten aussetzen; Du bist jetzt gewarnt. Überlege Dir denn, was Du Dir und den Deinen schuldig bist. Adieu. Ab.

      Stockmann geht auf und ab. Und eine solche Behandlung muß ich mir gefallen lassen! In meinem eigenen Hause, Käte! Was sagst Du dazu!

      Frau Stockmann. Gewiß, es ist eine Schmach und eine Schande, Thomas –

      Petra. Könnte ich diesem Onkel nur an den Kragen –

      Stockmann. Es ist meine eigene Schuld; ich hätte mich schon längst auf die Hinterbeine stellen, – ihnen die Zähne zeigen, – um mich beißen sollen! – Mich einen Feind der Gesellschaft zu nennen! Mich! Das lasse ich, bei meiner Seele Seligkeit, nicht auf mir sitzen!

      Frau Stockmann. Aber, bester Thomas, Dein Bruder hat nun einmal die Macht –

      Stockmann. Ja, aber ich habe das Recht, Du!

      Frau Stockmann. Ach ja, das Recht, das Recht; was hilft Dir Dein Recht, wenn Du nicht die Macht hast?

      Petra. Aber, Mutter, – wie kannst Du nur so reden?

      Stockmann. Also in einem freien Gemeinwesen sollte es nichts helfen, das Recht auf seiner Seite zu haben? Du bist komisch, Käte. Und außerdem, – habe ich nicht die freisinnige, unabhängige Presse vor mir, – und die kompakte Majorität hinter mir? Das wäre doch Macht genug, sollte ich meinen.

      Frau Stockmann. Aber, Gott im Himmel, Thomas, Du gedenkst doch um alles in der Welt nicht –?

      Stockmann. An was sollte ich nicht denken?

      Frau Stockmann. – Dich gegen Deinen Bruder aufzulehnen, meine ich.

      Stockmann. Was zum Teufel, meinst Du, sollte ich sonst tun, wenn ich nicht das preisgeben will, was rechtens und wahr ist.

      Petra. Ja, das frage ich wirklich auch.

      Frau Stockmann. Aber es nützt Dir doch absolut gar nichts; wenn sie nicht wollen, so wollen sie nicht.

      Stockmann. Hoho, Käte, laß mir nur Zeit, und Du wirst sehen, ich setze meinen Willen durch.

      Frau Stockmann. Ja, Du setzt es vielleicht durch, daß sie Dir den Abschied geben, – das tust Du.

      Stockmann. Dann habe ich wenigstens meine Pflicht gegen das Publikum, – gegen die Gesellschaft getan. Ich, der ein Feind der Gesellschaft genannt wird!

      Frau Stockmann. Aber gegen Deine Familie, Thomas? Gegen uns? Nennst Du das Deine Pflicht tun gegen die, deren Versorger Du bist?

      Petra. Ach, denk doch nicht immer zuerst und vor allem an uns, Mutter.

      Frau Stockmann. Ja, Du hast gut reden; Du kannst im Notfall auf eigenen Füßen stehen. – Aber denk an die Jungen, Thomas; und denk auch ein bischen an Dich selbst, und an mich –

      Stockmann. Aber ich glaube, Du hast den Verstand verloren, Käte! Wenn ich so jämmerlich feige wäre, vor diesem Peter und seinem vermaledeiten Anhang zu kapitulieren, – würde ich dann wohl im Leben je wieder eine glückliche Stunde haben?

      Frau Stockmann. Ja, das weiß ich nicht; aber der liebe Herrgott möge uns vor dem Glück bewahren, das unser aller wartet, wenn Du bei Deinem Trotz verharrst. Dann stehst Du wieder ohne Brot da, ohne feste Einnahmen. Ich sollte meinen, das hätten wir in früheren Tagen zur Genüge gekostet; vergiß das nicht, Thomas; vergiß nicht, was das auf sich hat.

      Stockmann windet sich in innerem Kampf und ringt die Hände. Und in solche Lage können diese Bureausklaven einen freien, ehrlichen Mann bringen! Ist das nicht schrecklich, Käte?

      Frau Stockmann. Ja, es ist sündhaft an Dir gehandelt, das ist gewiß wahr. Aber lieber Gott, es ist auf dieser Welt so viel Ungerechtigkeit, der man sich beugen muß. – Da sind die Jungens, Thomas! Sieh sie an! Was soll aus ihnen werden? Ach, nein, nein, Du kannst es doch nun und nimmer übers Herz bringen –

      Ejlif und Morten sind inzwischen mit ihren Schulbüchern eingetreten.

      Stockmann. Die Jungens –! Steht mit einem Mal fest und entschlossen da. Und wenn die ganze Welt zugrunde ginge, ich krieche nicht zu Kreuze. Geht auf sein Zimmer zu.

      Frau Stockmann hinter ihm her. Thomas, – was willst Du tun!

      Stockmann an der Tür. Ich will das Recht nicht verwirken, meinen Jungens in die Augen zu sehen, wenn sie einmal erwachsene, freie Männer sind.

      Ab in sein Zimmer.

      Frau Stockmann bricht in Tränen aus. Gott stehe uns allen bei und gebe uns seinen Trost!

      Petra. Bravo, Vater! Er unterwirft sich nicht.

      Die Knaben fragen verwundert, um was es sich handelt; Petra bedeutet ihnen zu schweigen..

      Dritter Akt

       Inhaltsverzeichnis

       Redaktionsbureau des »Volksboten«.

      Links im Hintergrunde ist die Eingangstür; rechts an derselben Wand eine zweite Tür mit Glasscheiben, durch die man in die Druckerei sieht. An der Wand rechts eine Tür. Mitten im Zimmer ein großer Tisch, der mit Papieren, Zeitungen und Büchern bedeckt ist. Vorn links ein Fenster und an diesem ein Schreibpult mit hohem Stuhl. Am Tisch stehen ein paar Lehnstühle, einige andere Stühle längs den Wänden. Das Zimmer ist finster und ungemütlich, das Mobiliar alt, die Lehnstühle sind schmutzig und zerschlissen. In der Druckerei sieht man ein paar Setzer bei der Arbeit; weiter hinten ist eine Handpresse in Tätigkeit.

      Hovstad sitzt am Pult und schreibt. Gleich darauf kommt Billing von rechts mit Stockmanns Manuskript in der Hand.

      Billing. Na, das muß ich sagen –!

      Hovstadt schreibend. Haben Sie es durchgelesen?

      Billing legt das Manuskript auf das Pult. Allerdings habe ich das.

      Hovstadt. Hübsch scharf, der Doktor – was meinen Sie?

      Billing. Scharf? Gott verdamm' mich, der ist geradezu erbarmungslos. Jedes Wort saust wuchtig nieder wie – ich möchte sagen – wie ein Axthieb.

      Hovstadt. Ja, aber die Leute fallen auch nicht auf den ersten Schlag.

      Billing. Sehr richtig; aber dann geht es weiter, – Schlag auf Schlag, bis das ganze Herrenregiment zusammenstürzt. Als ich auf meinem Zimmer das hier las, da war mir, als sähe ich von fern die Revolution kommen.


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