Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen
ja.
Stadtvogt. Und ich zweifle nicht daran, daß Sie die Stimmung unter ihnen im allgemeinen kennen. Nicht wahr?
Aslaksen. Ja freilich, das darf ich schon sagen, Herr Stadtvogt.
Stadtvogt. Ja, – wenn also eine so rühmenswerte Opferwilligkeit unter den weniger bemittelten Bürgern der Stadt herrscht, so –
Aslaksen. Wie das?
Hovstadt. Opferwilligkeit?
Stadtvogt. Das ist ein schönes Zeichen von Gemeinsinn, ein außerordentlich schönes Zeichen. Fast möchte ich sagen, ich hätte es nicht erwartet. Aber Sie kennen ja die Stimmung besser als ich.
Aslaksen. Ja aber, Herr Stadtvogt –
Stadtvogt. Und es handelt sich wahrlich nicht um geringe Opfer, die die Stadt wird bringen müssen.
Hovstadt. Die Stadt?
Aslaksen. Aber ich begreife nicht –. Es ist doch das Bad –!
Stadtvogt. Nach einem vorläufigen Überschlag werden die Veränderungen, die der Badearzt für wünschenswert hält, auf ein paarmal hunderttausend Kronen zu stehen kommen.
Aslaksen. Das ist ja eine schwere Menge Geld; aber –
Stadtvogt. Natürlich wird es notwendig werden, daß wir eine Kommunalanleihe aufnehmen.
Hovstadt steht auf. Es ist doch wohl nun und nimmermehr die Meinung, daß die Stadt –?
Aslaksen. Aus dem Stadtsäckel sollte das gehen? Aus den leeren Taschen der Kleinbürger!
Stadtvogt. Ja, verehrter Herr Aslaksen, wo sollten denn sonst die Mittel herkommen?
Aslaksen. Das ist Sorge der Herren, denen das Bad gehört.
Stadtvogt. Die Eigentümer sehen sich nicht in der Lage, noch weiter zu gehen, als es geschehen ist.
Aslaksen. Ist das ganz sicher, Herr Stadtvogt?
Stadtvogt. Ich habe mich genau erkundigt. Wünscht man also diese umfassenden Veränderungen, so muß die Stadt sie selbst bezahlen.
Aslaksen. Aber Himmelkreuzdonnerwetter – o, Pardon! – das ist denn doch eine ganz andere Sache, Herr Hovstad!
Hovstadt. Ja, allerdings.
Stadtvogt. Das Fatalste ist, daß wir das Bad ein paar Jahre werden schließen müssen.
Hovstadt. Schließen? Ganz schließen!
Aslaksen. An die zwei Jahre!
Stadtvogt. Ja, so lange werden die Arbeiten dauern – mindestens.
Aslaksen. Aber zum Donnerwetter, das halten wir ja überhaupt nicht aus, Herr Stadtvogt! Wovon sollen wir Hausbesitzer denn so lange leben?
Stadtvogt. Darauf zu antworten ist leider ungemein schwer, Herr Aslaksen. Aber was sollen wir denn nach Ihrer Meinung tun? Glauben Sie, wir kriegen auch nur einen einzigen Badegast her, wenn man den Leuten fortwährend einredet, daß das Wasser verdorben ist, daß wir auf einem Pestboden leben, daß die ganze Stadt –
Aslaksen. Und die ganze Geschichte ist nur ein Hirngespinst?
Stadtvogt. Ich habe mich beim besten Willen nicht vom Gegenteil überzeugen können.
Aslaksen. Ja, aber dann ist es doch ganz unverantwortlich vom Doktor Stockmann –; Verzeihung, Herr Stadtvogt, aber –
Stadtvogt. Es ist eine traurige Wahrheit, die Sie da aussprechen, Herr Aslaksen. Mein Bruder ist leider immer ein unbesonnener Mann gewesen.
Aslaksen. Und in so was wollen Sie ihn noch unterstützen, Herr Hovstad!
Hovstadt. Aber wer konnte denn auch wissen, daß –?
Stadtvogt. Ich habe eine kurze Darstellung des Sachverhalts aufgesetzt, so wie er von einem nüchternen Gesichtspunkt aufzufassen ist; und dabei habe ich angedeutet, wie man eventuellen Schäden durch Mittel abhelfen könnte, die für die Kasse des Bades erschwinglich sind.
Hovstadt. Haben Sie den Artikel bei sich, Herr Stadtvogt?
Stadtvogt sucht in der Tasche. Ja; ich habe ihn mitgenommen für den Fall, daß Sie –
Aslaksen schnell. Himmeldonnerwetter ja, – da ist er!
Stadtvogt. Wer? Mein Bruder?
Hovstadt. Wo, – wo?!
Aslaksen. Er kommt durch die Druckerei.
Stadtvogt. Fatal. Ich möchte ihm hier nicht gern begegnen, und ich hätte doch noch manches mit Ihnen zu besprechen.
Hovstadt zeigt nach der Tür rechts. Gehen Sie da so lange hinein.
Stadtvogt. Aber –?
Hovstadt. Sie finden nur Billing dort.
Aslaksen. Rasch, rasch, Herr Stadtvogt; er ist schon da.
Stadtvogt. Jawohl, ja; aber sehen Sie zu, daß Sie ihn bald wieder wegkriegen. Ab durch die Tür rechts, die Aslaksen öffnet und wieder hinter ihm schließt.
Hovstadt. Machen Sie sich etwas zu schaffen, Aslaksen. Setzt sich und schreibt. Aslaksen wühlt in einem Haufen Zeitungen, die rechts auf einem Stuhl liegen.
Stockmann kommt durch die Druckerei. Da bin ich wieder. Legt Hut und Stock ab.
Hovstadt schreibend. Schon, Herr Doktor? Beeilen Sie sich mit der Sache, von der wir gesprochen haben, Aslaksen. Die Zeit ist uns heut riesig knapp.
Stockmann zu Aslaksen. Noch keine Korrektur da, wie ich höre.
Aslaksen ohne sich umzuwenden. Nein, wie konnten Sie nur denken, Herr Doktor?
Stockmann. Ja freilich; aber Sie begreifen wohl, daß ich ungeduldig bin. Ich habe nicht Rast noch Ruhe, bis ich es gedruckt sehe.
Hovstadt. Hm; das wird gewiß noch eine gute Weile dauern. Meinen Sie nicht auch, Aslaksen?
Aslaksen. Ja, ich fürchte fast.
Stockmann. Schön, schön, meine lieben Freunde; dann komme ich wieder; ich komme gern zweimal, wenn es nötig ist. Eine so große Sache, – die Wohlfahrt der ganzen Stadt –; da darf man sich wahrhaftigen Gott nicht auf die faule Seite legen. Will gehen, bleibt aber stehen und kommt zurück. Hören Sie, da ist noch etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen muß.
Hovstadt. Entschuldigen Sie; aber könnten wir nicht ein ander Mal –?
Stockmann. Es ist mit zwei Worten gesagt. Sehen Sie, es ist nur das, – wenn man nun morgen meinen Aufsatz in der Zeitung liest und folglich erfährt, daß ich den ganzen Winter hier in aller Stille für das Wohl der Stadt gewirkt habe –
Hovstadt. Ja aber, Herr Doktor –
Stockmann. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie meinen, es war nur meine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, – meine einfache Bürgerpflicht. Natürlich; das weiß ich so gut wie Sie. Aber, meine Mitbürger, schauen Sie –; lieber Gott, die famosen Menschen halten ja so viel von mir –
Aslaksen. Ja, die Bürger haben bis heute riesig viel von ihnen gehalten, Herr Doktor.
Stockmann. Ja, und deshalb eben fürchte ich, daß –; was ich also sagen wollte: wenn nun das an sie herantritt – besonders an die unbemittelten Klassen – wie ein mahnender Ruf, die Angelegenheiten der Stadt künftig selbst in die Hand zu nehmen –
Hovstadt steht auf. Hm, Herr Doktor, ich will Ihnen nicht verbergen –
Stockmann. Aha, – dachte ich es mir doch, daß etwas im Werke wäre! Aber davon will ich nichts wissen. Wenn man so etwas vorbereiten sollte –
Hovstadt. Was denn?
Stockmann. Na, irgend etwas, – einen Fackelzug oder ein Bankett oder eine Sammlung für eine Ehrengabe – oder was es sonst sei, so müssen Sie mir hoch und heilig versprechen, es zu hintertreiben. Und Sie auch, Herr Aslaksen, hören Sie wohl?
Hovstadt.