Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen
in diesem Sinne. Es ist doch Billing, der so darauf brennt, die Erzählung zu bringen; ich kenne das Buch ja nicht.
Petra. Aber wie kann denn Billing mit seinen radikalen Anschauungen –!
Hovstadt. Ach, Billing, der ist vielseitig. Jetzt bemüht er sich auch um den Sekretärposten beim Magistrat, wie ich höre.
Petra. Das glaube ich nicht, Hovstad. Wie sollte er sich zu so etwas verstehen können?
Hovstadt. Ja, das müssen Sie ihn selbst fragen.
Petra. Nie und nimmer hätte ich das von Billing gedacht.
Hovstadt blickt sie fester an. Nicht? Kommt Ihnen das so ganz unerwartet?
Petra. Ja. Oder vielleicht doch nicht. Ach, ich weiß im Grunde nicht –
Hovstadt. Wir Zeitungsschreiber taugen nicht viel, Fräulein.
Petra. Sagen Sie das im Ernst?
Hovstadt. Zuweilen glaube ich es.
Petra. Ja, unter dem Eindruck des gewöhnlichen Tagesgezänks; das kann ich wohl verstehen. Aber jetzt, da Sie in einer großen Sache mitwirken –.
Hovstadt. Die Sache da mit Ihrem Vater, meinen Sie?
Petra. Natürlich. Mich dünkt, Sie müßten sich wie ein Mann fühlen, der vor den Meisten etwas voraus hat.
Hovstadt. Ja, heut fühle ich etwas dergleichen.
Petra. Ja, nicht wahr. Habe ich nicht recht? O, Sie haben einen herrlichen Lebensberuf erwählt. Verkannten Wahrheiten und neuen mutigen Anschauungen den Weg zu bahnen – ja, auch nur furchtlos hervorzutreten und das Wort für einen unterdrückten Mann zu nehmen –
Hovstadt. Ganz besonders, wenn dieser unterdrückte Mann –, hm, – ich weiß nicht, wie ich –
Petra. Wenn er so rechtschaffen und so grundehrlich ist, meinen Sie?
Hovstadt leiser. Ganz besonders, wenn er Ihr Vater ist, meinte ich.
Petra plötzlich betroffen. Darum?
Hovstadt. Ja, Petra, – Fräulein Petra.
Petra. Das kommt also für Sie in erster Reihe? Nicht die Sache selbst? Nicht die Wahrheit; nicht die große, warme Gesinnung meines Vaters?
Hovstadt. Doch, – doch, selbstverständlich das auch.
Petra. Nein, bitte, jetzt haben Sie sich verschnappt, Hovstad, und jetzt glaube ich Ihnen in nichts mehr.
Hovstadt. Können Sie es mir denn so übel nehmen, daß es vor allem Ihnen zuliebe –?
Petra. Das verüble ich Ihnen, daß Sie nicht ehrlich gegen meinen Vater gewesen sind. Sie haben zu ihm gesprochen, als ob die Wahrheit und das Gemeinwohl Ihnen zunächst am Herzen lägen; Sie haben meinen Vater wie mich betrogen; Sie sind nicht der Mann, für den Sie sich ausgegeben haben. Und das verzeihe ich Ihnen niemals – niemals!
Hovstadt. Das sollten Sie nicht mit solcher Schroffheit sagen, Fräulein Petra; und am allerwenigsten jetzt.
Petra. Weshalb nicht auch jetzt?
Hovstadt. Weil Ihr Vater meine Hilfe nicht entbehren kann.
Petra sieht ihn von oben herab an. So einer sind Sie auch noch? Pfui!
Hovstadt. Nein, nein; das bin ich nicht. Es kam nur so unversehens über mich; Sie dürfen das nicht glauben.
Petra. Ich weiß, was ich zu glauben habe. Adieu.
Aslaksen rasch und geheimnisvoll aus der Druckerei. Himmeldonnerwetter, Herr Hovstad – sieht Petra. Au, verflucht –
Petra. So; da liegt das Buch. Geben Sie es einem anderen. Geht nach der Ausgangstür.
Hovstadt folgt ihr. Aber Fräulein –
Petra. Adieu. Ab.
Aslaksen. Herr Hovstad, hören Sie mal!
Hovstadt. Nanu, was gibt's denn?
Aslaksen. Der Stadtvogt steht draußen in der Druckerei.
Hovstadt. Der Stadtvogt, sagen Sie?
Aslaksen. Ja, er will mit Ihnen sprechen; er ist von hinten gekommen, – um nicht gesehen zu werden, begreifen Sie wohl.
Hovstadt. Was kann denn das sein? Nein, warten Sie, ich werde selbst – Geht an die Tür zur Druckerei, öffnet, grüßt, und ladet den Stadtvogt ein, näher zu treten.
Hovstadt. Stehen Sie Posten, Aslaksen, daß keiner –
Aslaksen. Verstehe – Ab in die Druckerei.
Stadtvogt. Sie haben wohl nicht erwartet, mich hier zu sehen, Herr Hovstad.
Hovstadt. Nein, das muß ich allerdings sagen.
Stadtvogt sieht sich um. Sie haben sich hier ja ganz gemütlich eingerichtet; wirklich nett.
Hovstadt. O –
Stadtvogt. Und nun komme ich so ohne weiteres und nehme Ihre Zeit in Anspruch.
Hovstadt. Bitte, Herr Stadtvogt, Ich stehe zu Diensten. Aber darf ich Ihnen nicht behilflich sein –? Legt den Hut und den Stock des Stadtvogts auf einen Stuhl. Und wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Stadtvogt?
Stadtvogt setzt sich an den Tisch. Danke sehr.
Hovstad setzt sich ebenfalls an den Tisch.
Stadtvogt. Ich habe heute einen – einen sehr großen Verdruß gehabt, Herr Hovstad.
Hovstadt. So? Ach ja; so viele Geschäfte, wie Herr Stadtvogt haben –
Stadtvogt. Der Ärger heute rührt vom Badearzt her.
Hovstadt. So? Vom Herrn Doktor?
Stadtvogt. Er hat so eine Art Eingabe an die Badeverwaltung geschrieben, die eine Reihe vermeintlicher Mängel betrifft.
Hovstadt. So, wirklich?
Stadtvogt. Ja. Hat er Ihnen nicht gesagt –? Mir ist, er hätte erzählt –
Hovstadt. Ach ja, es ist wahr, er ließ einige Worte fallen –
Aslaksen aus der Druckerei. Ich wollte nur das Manuskript –
Hovstadt ärgerlich. Hm; es liegt ja dort auf dem Pult.
Aslaksen findet es. Schön.
Stadtvogt. Aber sehen Sie, da ist ja doch –
Aslaksen. Ja, das ist die Abhandlung des Herrn Doktors, Herr Stadtvogt.
Hovstadt. Ach so, von der sprechen Sie?
Stadtvogt. Eben davon. Was halten Sie von ihr?
Hovstadt. Ich bin ja kein Fachmann und habe sie nur ganz flüchtig gelesen.
Stadtvogt. Aber Sie lassen sie doch drucken?
Hovstadt. Einem Mann von Namen kann ich es nicht gut abschlagen –
Aslaksen. Ich habe in redaktionellen Dingen nichts zu sagen, Herr Stadtvogt –
Stadtvogt. Versteht sich.
Aslaksen. Ich drucke nur, was man mir übergibt.
Stadtvogt. Ganz in der Ordnung.
Aslaksen. Und darum muß ich – Geht auf die Druckerei zu.
Stadtvogt. Nein, bleiben Sie einen Augenblick, Herr Aslaksen. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Hovstad –
Hovstadt. Ich bitte, Herr Stadvogt –
Stadtvogt. Sie sind ein besonnener und verständiger Mann, Herr Aslaksen.
Aslaksen. Freut mich, daß Sie das finden, Herr Stadtvogt.
Stadtvogt. Und ein Mann, der in den weitesten Kreisen Einfluß hat.
Aslaksen. Doch hauptsächlich nur unter den kleinen Leuten.
Stadtvogt.