Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen


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sich ein, man könnte mich und die Wahrheit tot schweigen! Aber das geht nicht so glatt, wie Ihr meint. Herr Aslaksen, wollen Sie gleich mein Manuskript nehmen und es als Flugblatt drucken – auf meine eigenen Kosten, – im Selbstverlag. Ich will vierhundert Exemplare haben; nein, fünf-, sechshundert will ich haben.

      Aslaksen. Und wenn Sie mir's mit Gold aufwögen, ich würde meine Offizin zu so etwas nicht hergeben, Herr Doktor. Ich darf es nicht mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung. Sie kriegen es nirgendwo in der ganzen Stadt gedruckt.

      Stockmann. So geben Sie es mir wieder.

      Hovstadt reicht ihm das Manuskript. Bitte sehr.

      Stockmann nimmt Hut und Stock. In die Welt soll es doch. Ich will es in einer großen Volksversammlung vorlesen; alle meine Mitbürger sollen die Stimme der Wahrheit vernehmen!

      Stadtvogt. Kein Verein in der ganzen Stadt überläßt Dir sein Lokal für einen solchen Zweck.

      Aslaksen. Nicht ein einziger; das weiß ich genau.

      Billing. Gott verdamm' mich, – wenn sie es tun!

      Frau Stockmann. Das wäre doch zu empörend! Weshalb stehen sie denn alle so wider Dich, Mann für Mann?

      Stockmann zornig. Ja, das will ich Dir sagen. Darum, weil alle Männer hier in der Stadt alte Weiber sind – gerade wie Du; alles denkt nur an die Familie und nicht an die Gesellschaft.

      Frau Stockmann faßt seinen Arm. So werde ich ihnen ein – ein altes Weib zeigen, das auch einmal Mann sein kann. Denn nun halte ich es mit Dir, Thomas!

      Stockmann. Das war brav gesprochen, Käte. Und in die Welt soll es, bei meiner Seele Seligkeit! Kann ich kein Lokal bekommen, so miete ich mir einen Tambour, – mit dem ziehe ich durch die Stadt und lese es an allen Straßenecken vor.

      Stadtvogt. So heillos verrückt wirst Du doch nicht sein!

      Stockmann. Ja, das bin ich!

      Aslaksen. Sie werden in der ganzen Stadt keinen einzigen Mann finden, der mit Ihnen geht.

      Billing. Nein, Gott verdamm' mich, – den finden Sie nicht!

      Frau Stockmann. Nur nicht nachgeben, Thomas. Die Jungens sollen mit Dir gehen.

      Stockmann. Das ist eine ausgezeichnete Idee!

      Frau Stockmann. Morten tut es sehr gern; und Ejlif, na, der wird auch mitgehen.

      Stockmann. Ja, und Petra auch! Und Du auch, Käte!

      Frau Stockmann. Nein, nein, – ich nicht; aber ich werde am Fenster stehen und Dir zusehen; das werde ich tun.

      Stockmann umarmt und küßt sie. Ich danke Dir! Ja, nun werden wir eine Lanze brechen miteinander, Ihr wackeren Herren! Ich will doch sehen, ob die Niederträchtigkeit die Macht hat, einem Patrioten, der die Gesellschaft reinigen will, den Mund zu stopfen.

      Er und seine Frau ab durch die Tür links im Hintergrund.

      Stadtvogt schüttelt nachdenklich den Kopf. Nun hat er sie auch verrückt gemacht!

      Vierter Akt

       Inhaltsverzeichnis

       Ein großer, altmodischer Saal in Horsters Hause.

      Eine offene Flügeltür im Hintergrunde führt in ein Vorzimmer. An der linken Längswand sind drei Fenster; in der Mitte der gegenüberliegenden Wand ist ein Podium errichtet, auf dem ein kleiner Tisch mit zwei Kerzen, Wasserkaraffe, einem Glase und einer Glocke stehen. Sonst ist der Saal durch Armleuchter erhellt, die zwischen den Fenstern angebracht sind. Links im Vordergrund steht ein Tisch mit Lichtern und davor ein Stuhl. Rechts ganz vorn ist eine Tür und dabei einige Stühle.

      Eine Menge Bürger aller Stände. Man sieht einzelne Frauen und etliche Schulknaben darunter. Immer mehr Menschen strömen nach und nach durch den Hintergrund herein, bis der Saal voll ist.

      Ein Bürger zu einem andern, der ihm entgegenkommt. Bist Du auch heute da, Lamstad?

      Der Angesprochene. Ich, – ich bin bei allen Volksversammlungen mit bei.

      Ein Danebenstehender. Sie haben doch wohl eine Pfeife mit, was?

      Der zweite Bürger. Na freilich. Sie nicht?

      Der dritte. Und ob. Der Schiffer Evensen, der will sich ein mächtig großes Horn mitbringen, hat er gesagt.

      Der zweite Bürger. Evensen, der ist gelungen. Gelächter in der Gruppe.

      Ein vierter Bürger kommt dazu. Sagt doch mal, was ist denn eigentlich heute hier los?

      Der zweite Bürger. Der Doktor Stockmann, der will doch eine Rede halten gegen den Stadtvogt.

      Der Neuangekommene. Aber der Stadtvogt ist doch sein Bruder.

      Der erste Bürger. Das ist egal; Doktor Stockmann, der ist nicht bange.

      Der dritte Bürger. Aber er hat doch unrecht; das hat im »Volksboten« gestanden.

      Der zweite Bürger. Ja, diesmal muß er wirklich unrecht haben, denn weder der Verein der Hausbesitzer noch der Bürgerklub wollten ihm ihren Saal leihen.

      Der erste Bürger. Nicht einmal den Kursaal konnte er kriegen.

      Der zweite. Ja, das läßt sich denken.

      Ein Mann in einer andern Gruppe. Sie, mit wem soll man's eigentlich in dieser Sache halten?

      Ein zweiter Mann in derselben Gruppe. Richten Sie sich nur nach dem Buchdrucker Aslaksen, und tun Sie, was der tut.

      Billing, mit einer Mappe unter dem Arm, bahnt sich einen Weg durch die Menge. Pardon, meine Herren! Darf ich vielleicht durch? Ich bin der Berichterstatter des »Volksboten«. Besten Dank!

      Setzt sich links an den Tisch.

      Ein Arbeiter. Wer war denn das?

      Ein zweiter Arbeiter. Den kennst Du nicht? Das ist der Billing von Aslaksen seiner Zeitung.

      Horster führt Frau Stockmann und Petra durch die Tür rechts im Vordergrund herein. Ejlif und Morten folgen.

      Horster. Hier, dachte ich, ist der beste Platz für die Herrschaften; man kommt leicht hinaus, wenn etwas passieren sollte.

      Frau Stockmann. Glauben Sie denn, daß es Radau gibt?

      Horster. Man kann nie wissen –; wo so viel Menschen sind –. Aber nehmen Sie nur ruhig Platz.

      Frau Stockmann setzt sich. Wie hübsch von Ihnen, daß Sie Stockmann den Saal zur Verfügung gestellt haben.

      Horster. Da kein anderer wollte, so –

      Petra, die sich ebenfalls gesetzt hat. Und mutig war es auch, Horster.

      Horster. Ach, dazu, meine ich, gehört doch wohl kein so großer Mut.

      Hovstad und Aslaksen kommen zu gleicher Zeit, doch jeder für sich, durch die Menge.

      Aslaksen geht zu Horster hin. Ist der Doktor noch nicht da?

      Horster. Er wartet drin.

      Bewegung oben an der Tür im Hintergrund.

      Hovstadt zu Billing. Da ist der Stadtvogt. Sehen Sie doch!

      Billing. Ja, Gott verdamm' mich, – er kommt wirklich her!

      Stadtvogt Stockmann bahnt sich vorsichtig einen Weg durch die Menge; er grüßt höflich und stellt sich links an die Wand. Bald darauf kommt Doktor Stockmann durch die Tür rechts im Vordergrund. Er trägt einen schwarzen Anzug (Gehrock) und eine weiße Kravatte. Einige klatschen zaghaft, begegnen aber einem gedämpften Zischen. Es wird still.

      Stockmann halblaut. Wie ist Dir, Käte?

      Frau Stockmann. O, ganz gut. Leiser. Werde nur nicht gleich hitzig, Thomas.

      Stockmann.


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