Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen


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sind alle durch die Bank so gute Tiere, wie man sie sich nur wünschen kann. Doch vornehme Tiere gibt es allerdings nicht viele unter uns. O, es ist ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen Pudelmenschen und Kötermenschen. Und das Komische an der Sache ist, daß Herr Hovstad mir durchaus beistimmt, solange von vierbeinigen Tieren die Rede ist –

      Hovstadt. Ja, die lasse ich Ihnen hingehen.

      Stockmann. Jawohl; aber sobald ich das Gesetz auf die zweibeinigen ausdehne, so macht Herr Hovstad nicht mehr mit; dann hat er nicht mehr den Mut, seiner eigenen Meinung zu sein, seine eigenen Gedanken zu Ende zu denken; dann stellt er die ganze Lehre auf den Kopf und verkündet im »Volksboten«, der Bauernhahn und der Straßenköter, – das wären die Prachtexemplare der Menagerie. Aber so geht es immer, wenn einem noch die plebejische Abstammung in den Gliedern steckt, und man sich nicht zu geistiger Vornehmheit durchgearbeitet hat.

      Hovstadt. Ich mache auf keinerlei Vornehmheit Anspruch. Ich stamme von einfachen Bauern ab; und ich bin stolz darauf, daß ich tief in den niederen Klassen wurzle, die hier verhöhnt werden.

      Viele Arbeiter Hovstad hoch! Hurra, Hurra!

      Stockmann. Die Art Plebs, von der ich hier spreche, die ist nicht bloß unten in den Niederungen zu finden; von der kriecht es und wimmelt es rings um uns her, – bis hinauf zu den Höhen der Gesellschaft. Seht Euch nur einmal Euren eigenen, feinen, ehrsamen Stadtvogt an! Mein Bruder Peter, der ist auch ein Plebejer, wie er im Buche steht –

      Lachen und Zischen.

      Stadtvogt. Ich protestiere gegen solche persönlichen Ausfälle.

      Stockmann unbeirrt. – und zwar nicht deshalb, weil er wie ich von einem alten, ekligen Seeräuber unten aus Pommern oder aus der Gegend da herstammt, – daher stammen wir nämlich –

      Stadtvogt. Abgeschmackte Legende. Wird bestritten!

      Stockmann. – sondern darum, weil er die Gedanken seiner Vorgesetzten denkt und weil er stets der Meinung seiner Vorgesetzten ist. Leute, die das tun, sind geistiger Pöbel; seht, deshalb ist mein stolzer Bruder Peter im Grunde so furchtbar wenig vornehm, – und folglich auch so wenig freisinnig.

      Stadtvogt. Herr Präsident!

      Hovstadt. Also die Vornehmen, die sind hier zu Lande die Freisinnigen? Das ist ja eine ganz neue Enthüllung.

      Lachen in der Versammlung.

      Stockmann. Jawohl, das gehört auch mit zu meiner neuen Entdeckung. Und auch das gehört noch dazu, daß Freisinn sich beinah ganz mit Moralität deckt. Und deshalb sage ich, daß es ganz unverantwortlich vom »Volksboten« ist, wenn er tagaus, tagein die Irrlehre verkündet, die Masse und der Pöbel, die kompakte Majorität wären im Besitz des Freisinns und der Moral, – und das Laster und die Verdorbenheit und der geistige Dreck aller Art, das sei etwas, das aus der Kultur heraussickere, wie all der Unrat von den Gerbereien im Mühlthal zum Bade heruntersickert!

      Lärm und Unterbrechung.

      Stockmann unbeirrt, lacht in seinem Eifer. Und doch kann dieser selbe »Volksbote« predigen, daß die Masse und der Pöbel gehoben werden müßten, zu höheren Lebensbedingungen! Kreuzhimmeldonnerwetter noch mal, – wenn die Lehre des »Volksboten« stichhielte, so wäre ja diese Hebung des Volkes gleichbedeutend damit, daß man es geraden Wegs ins Verderben hinabschleuderte! Aber glücklicherweise ist es nur eine alte überkommene Volkslüge, daß die Kultur demoralisiere. Nein, die Verdummung, die Armut, die Elendigkeit der Lebensverhältnisse, die sind es, die dieses Teufelswerk verrichten! In einem Hause, wo nicht täglich gelüftet und ausgefegt wird – Kate, mein Weib, behauptet, der Fußboden müßte auch gescheuert werden, doch darüber läßt sich streiten; – na, – in einem solchen Hause, behaupte ich, verlieren die Menschen in zwei bis drei Jahren die Fähigkeit, moralisch zu denken und zu handeln. Der Mangel an Sauerstoff entkräftet das Gewissen. Und in sehr, sehr vielen Häusern unserer Stadt scheint der Sauerstoff recht knapp zu sein, wenn die ganze kompakte Majorität so gewissenlos sein kann, die Zukunft der Stadt auf einen Schlammboden von Lüge und Betrug zu gründen.

      Aslaksen. Eine so grobe Beleidigung braucht sich eine ganze Bürgerschaft nicht bieten zu lassen.

      Ein Herr. Ich stelle dem Herrn Präsidenten anheim, dem Redner das Wort zu entziehen.

      Eifrige Stimmen. Ja, ja! Sehr richtig! Entzieht ihm das Wort!

      Stockmann aufbrausend. Dann schreie ich die Wahrheit an allen Straßenecken aus! Ich bringe es in auswärtige Zeitungen! Das ganze Land soll erfahren, wie hier die Dinge stehen!

      Hovstadt. Es scheint beinahe, daß der Herr Doktor den Zweck verfolgt, die Stadt zugrunde zu richten.

      Stockmann. Jawohl, so liebe ich meine Vaterstadt, daß ich sie eher zugrunde richten als mitansehen möchte, wie sie auf einer Lüge gedeiht.

      Aslaksen. Das ist stark!

      Lärm und Pfeifen. Frau Stockmann hustet vergeblich. Der Doktor hört nicht mehr.

      Hovstadt ruft in den Lärm hinein: Der Mann muß ein Bürgerfeind sein, der den Untergang einer ganzen Gesellschaft wünschen kann.

      Stockmann in zunehmender Leidenschaft. Es ist nichts daran gelegen, wenn eine lügenhafte Gesellschaft zugrunde geht! Vom Erdboden muß sie wegrasiert werden, sag' ich! Wie Raubwild müssen sie ausgerottet werden, alle, die in der Lüge leben! Ihr verpestet am Ende das ganze Land; Ihr bringt es dahin, daß das ganze Land den Untergang verdient. Und kommt es so weit, dann sage ich aus voller, innerster Überzeugung: möge das ganze Land zugrunde gehen; möge das ganze Volk hier ausgerottet werden!

      Ein Mann in der Menge. Das heißt, ganz wie ein Volksfeind reden!

      Billing. Das war, Gott verdamm' mich, des Volkes Stimme!

      Die ganze Versammlung brüllt. Ja, ja, ja! Er ist ein Volksfeind! Er haßt sein Land! Er haßt das ganze Volk!

      Aslaksen. Ich bin sowohl als Staatsbürger wie als Mensch tief entrüstet über das, was ich hier habe hören müssen. Herr Doktor Stockmann hat sich in einer Weise entpuppt, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Ich muß mich leider dem Urteil anschließen, das eben von achtbaren Bürgern ausgesprochen worden ist; und ich halte dafür, daß wir diesem Urteil in einer Resolution Ausdruck geben. Ich schlage folgendes vor: »Die Versammlung erklärt, daß sie den Badearzt Doktor Thomas Stockmann für einen Volksfeind hält.«

      Stürmische Hurrarufe und Beifall. Ein großer Kreis bildet sich um Doktor Stockmann, und pfeift ihm ins Gesicht. Frau Stockmann und Petra sind aufgestanden. Ejlif und Morten prügeln sich mit den andern Schulknaben, die auch gepfiffen haben. Einige Erwachsene trennen sie.

      Stockmann zu den Pfeifern. O, Toren, die Ihr seid, – ich sage Euch, –

      Aslaksen läutet. Der Herr Doktor hat nicht mehr das Wort-. Eine regelrechte Abstimmung muß stattfinden; doch um persönliche Gefühle zu schonen, soll es schriftlich und ohne Namen geschehen. Haben Sie weißes Papier, Herr Billing?

      Billing. Hier ist weißes und blaues Papier.

      Aslaksen steigt herab. Sehr schön; auf diese Weise geht es rascher. Schneiden Sie's in Stücke –; so, ja. Zur Versammlung. Blau bedeutet »Nein«; weiß bedeutet »Ja«. Ich werde selbst herumgehen und die Stimmen sammeln.

      Der Stadtvogt verläßt den Saal. Aslaksen und einige andere Bürger gehen, die Papierschnitzel im Hut, in der Versammlung herum.

      Ein Herr zu Hovstad. Was ist denn mit dem Doktor los, Sie? Was soll man eigentlich davon denken?

      Hovstadt. Sie wissen ja, wie unbesonnen er ist.

      Ein zweiter Herr zu Billing. Hören Sie mal – Sie verkehren doch in dem Hause. Haben Sie etwa bemerkt, daß der Mann trinkt?

      Billing. Ich weiß nicht, Gott verdamm' mich, was ich sagen soll. Der Toddy steht immer auf dem Tisch, so oft man hinkommt.

      Ein dritter Herr. Nein, ich glaube eher, er ist zuweilen nicht ganz richtig.

      Der erste Herr. Vielleicht ist der Irrsinn in seiner Familie erblich?

      Billing.


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