Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
Kriegsmanne, der mit dabei war, erzählen hört,« sagte Lactantius, wie der Offizier eine Pause machte, »als wenn man es aus den Zeitungen oder aus den Büchern liest.«
»Und das ist Euer Fall, Averdonk,« fiel der Graf spöttisch ein, »hockt immer über den Büchern, wie?«
»Ich muß es leider bekennen,« entgegnete der lange Freiherr, »daß ich wohl etwas mehr als billig mich durch meine Studia von den Dingen dieser Welt abziehen lasse... aber was soll man machen, wenn man einmal sein Steckenpferd hat!«
Die meisten Anwesenden kannten sehr wohl des guten Lactantius Marotte, ein Bücherwurm sein zu wollen. Eggenrode allein aber schonte sie nicht, indem er mit seiner tiefen Baßstimme einfiel:
»Du hast recht, Lactantius, daß du dir zum Reiten ein Steckenpferd genommen hast. Das hohe Pferd in deinem Hause reitet ohnehin deine Eheliebste! Was aber den Bücherkram angeht, so wäre es meine Passion nicht. Die Bücher sind mir zu sehr unterschiedlich!«
»Ja, ja,« bemerkte Philipp III. kopfnickend, »sie sind unterschiedlich, aber die meisten sind schlecht. Und das ist auch ganz natürlich. Denn wer macht sie? Arme Teufel, Leute, die nichts zu sagen haben. Und wer nichts zu sagen hat, was wird der viel Gescheites schreiben können? Man tut deshalb am besten, sich nicht damit abzugeben. Was aber diesen Krieg angeht, so danke ich Gott, daß er uns nicht ins Land kommen kann; ich habe mich für neutral erklärt.«
»Und wenn die Franzosen nun doch kommen?« warf Lactantius besorglich ein.
»Dann fragt es sich immer noch, ob sie die Geschicklichkeit haben, auf Seiner Erlaucht Wegen vorwärts zu gelangen«, bemerkte kaustisch der Offizier.
»Werden's schon bleiben lassen,« entgegnete Philipp III., indem er dem Österreicher einen ungnädigen Blick zuwarf; »wenn's aber nicht anders ist, nun, dann wird man sich schon zusammen vertragen müssen.«
»Freilich,« sagte der Offizier, »das verstehen ja die Herren hier im Reich bewundernswürdig, sich in die Franzosen zu fügen und mit dem Reichsfeind zu vertragen! – –«
Währenddessen hatte Gebharde von Averdonk so geschickt manövriert, daß sie im vordersten Zimmer neben Ripperda in einer tiefen Fensternische stand, ohne beobachtet zu sein, und namentlich ohne die Aufmerksamkeit der Gruppe von jungen Leuten erregt zu haben, welche so laut ihre Huldigungen Hedwig von Wrechten darbrachten.
»Was wollen Sie mir sagen, Ripperda?« fragte sie flüsternd, nachdem sie einige unverfängliche Reden über die Lage von Ruppenstein, das gute Aussehen der Erlaucht und ähnliche, allen beiden gleich sehr am Herzen liegende Gegenstände laut vorausgesandt – »Sie machten mir ein Zeichen.«
»Ich wollte dir Vorwürfe machen, Gebharde«, versetzte Ripperda in demselben Tone, aber sie unterbrach ihn rasch und ängstlich: »Um Gotteswillen, hier nicht das Du und Gebharde!«
»Sie haben unsern Beschluß wegen des unglücklichen Studenten so schlecht ausgeführt, den Menschen so schlecht gehütet, daß wir in der größten Gefahr seinetwegen schweben.«
»Leider ... die Existenz dieses Menschen, sein Aufenthalt hier läßt mir keine ruhige Stunde! Ich bin in einer innern Aufregung seitdem, die mich krank macht, die mir den Tod antun wird, wenn ...«
»Es gibt einen Ausweg aus den Schwierigkeiten, ma chère.«
»So reden Sie ... wir können nicht lange mehr dieses Flüstergespräch fortführen, ohne aufzufallen.«
»Sie wissen,« sagte Ripperda, »daß der Student sich mit der Person verlobt hat, die unser Toller seitdem hier eingesperrt hält, während er in dem Studenten eine vortreffliche Erwerbung als Wundscherer für seine Armee gemacht zu haben glaubt.«
»Freilich weiß ich das!«
»Nun wohl – da der Student demnach ohne allen Zweifel auch in das hübsche Lärvchen dieser Marie verliebt ist, so meine ich, man kann ihn zu allem bewegen, ihn von hier fort in jede fernste Himmelsgegend schicken, wenn man sie ihm verspricht!«
»Aber wie kann man das, da der Reichsgraf ...«
»Man kann alles, wenn man's nur geschickt einfädelt«, fiel Ripperda ein. »Ich nehme den Studenten vor, gebe ihm die Mittel an, das Mädchen zu entführen, und er wird sich keinen Augenblick besinnen, auf dieses Wagstück einzugehen. Gelingt es ihm, desto besser; dann sind wir seiner und zu gleicher Zeit Mariens entledigt, die zwischen Ihnen und Ihren Absichten mit Franz von Ardey steht. Gelingt es ihm nicht, so wird der Tolle in seiner Wut ihn erwürgen lassen, das ist gewiß, und wir sind seiner auf diese Weise noch sicherer los! – Ersinnen Sie nur irgendein Mittel, zu erfahren, wo Marie Stahl untergebracht ist. Bis morgen abend muß ich eine Antwort von Ihnen haben ... aber man beginnt in der Tat, uns zu beobachten.«
Frau von Averdonk blickte scheu um sich. »Ich will tun,« antwortete sie nur noch rasch, »was ich kann, mehr verspreche ich nicht! Ich will Ihnen Baptist senden. Jedenfalls soll er Geld bringen!«
Dann verließ sie Ripperda, um zu einer alten Dame zu treten und mit dem Anschein der größten Seelenruhe ein gleichgültiges Gespräch mit ihr zu beginnen.
Ripperda trat ebenfalls aus der Fenstervertiefung vor, warf einige Blicke durch die Räume, fixierte dabei mit einem ganz eigentümlichen Ausdrucke seines stechenden Auges und einem höhnischen Aufwerfen der Lippen die groteske Gestalt des Freiherm von Eggenrode, welche er im Hintergrunde neben dem Grafen stehen sah, und dann verschwand er geräuschlos und unbeobachtet aus den Gesellschaftsräumen, nachdem er noch wahrgenommen, daß Franz von Ardey sich heroischen Anstrengungen hingab, in dem Kreise, der Hedwig Wrechten umringte, in die allgemeine Heiterkeit einzustimmen.
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