Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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einer guten Tafel, die er nach ihrem ganzen Umfange zu schätzen weiß, eine ihm zusagende Beschäftigung, und die Ehre, einem Herrn zu dienen, unter dessen landesväterlicher Obhut und Fürsorge das edle Weidwerk blüht wie kein anderer Zweig des öffentlichen Dienstes im Lande Ruppenstein.

      Eines Tages, als er von einer Streiferei heimkehrend durch die Hauptstraße des Städtleins schritt, erblickte er einen jungen Mann, in die graue gräfliche Montur steif eingeknöpft, auf der Bank vor einem sehr bescheiden aussehenden Bürgerhause sitzend – und diese Gestalt mußte ihm wie die eines Bekannten erscheinen oder sonst eine anziehende Kraft auf ihn üben, denn er lenkte plötzlich von seinem Wege ab, schlenderte lässig, die Hände aus dem Rücken, darauf zu und ließ sich dann ohne Gruß und schweigend neben derselben nieder.

      Der junge Mann blickte erstaunt zu dem Jägermeister auf und fixierte ihn mit Blicken, in welchen nichts weniger als der Ausdruck einer freudigen Überraschung lag, diesem schmarrenentstellten Gesicht mit der schwarzen Binde über dem Auge wieder zu begegnen.

      »Wenn mir recht ist, so müssen wir uns kennen, mein lieber junger Mann«, begann Ripperda.

      »Allerdings,« versetzte der andere – »es ist nicht das erstemal, daß wir uns begegnen, und Leute, welche aussehen wie Sie, vergißt man so leicht nicht wieder ...«

      »Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir dies zu versichern – und um so mehr, als es sonst der Lauf der Welt ist, diejenigen zu vergessen, gegen welche wir eine gewisse Pflicht der Dankbarkeit haben, weil sie freudig eine Gelegenheit ergriffen, uns zu verpflichten ...«

      »Sie werden doch nicht andeuten wollen, daß Sie – Sie mich jemals in meinem Leben verpflichtet hätten?« rief Hubert überrascht aus.

      »Nun – ich meine denn doch – und zwar in nicht ganz gewöhnlichem Maße, mein junger Freund. Brauche ich Sie daran zu erinnern – an jenem Abend in Köln, wo Sie den beklagenswerten Unfall hatten –«

      Hubert Bender unterbrach den Redenden, indem er ausrief: »Ja, Ihnen dank' ich's, wenn ich hier endlich in die Gewalt des tollen Philipp geraten bin – unter sein Militär gesteckt, zu seinem Feldscherer und etatsmäßigen Quacksalber gepreßt – als Studenten der Medizin hat er geruht, mich dazu zu bestellen, was ich noch als eine große Gnade betrachten soll – Ihnen, mein Herr ...«

      »Von Ripperda, wenn Sie erlauben.«

      »Ihnen dank' ich's ... und es kann mir nur sehr angenehm sein, Sie endlich hier vor mir zu sehen, ich weiß jetzt, wo ich mir Genugtuung holen kann für alles das, was man sich gegen mich erlaubt hat! Wenn ich auch für den Augenblick und bis es mir gelungen ist, diesen Sklavenrock abzustreifen, kein würdiger Gegner für den Herrn von Ripperda bin, so kommt doch die Stunde, wo Sie mir, dem Studenten Bender, schon die Ehre erweisen werden, einige Kugeln mit mir zu wechseln – ich habe Mittel, Sie dazu zu zwingen.«

      »Und welche sind dies, wenn ich fragen darf?«

      »Sie sind sehr einfach. Ich habe in Köln mit meinen eigenen Ohren vernommen, daß Sie ein anderer sind, als wofür Sie sich ausgeben ... daß Sie sich scheuen, von den Leuten hier wiedererkannt zu werden, namentlich von einem Herrn von Eggenrode ... daß Sie in einem ganz eigentümlich innigen Verhältnis zu der Frau von Averdonk stehen – daß diese, um Ihnen zu dem Jägermeisteramt zu verhelfen, sich von Ihnen hat zu einer niederträchtigen Handlungsweise bewegen lassen – das alles weiß ich, und werde laut und offen von dem allen reden, vor jedermann, der es hören will, wenn Sie ...«

      »Wie Sie das ohne Zweifel bereits schon ausreichend getan haben?« fiel Nipperda mit einem spähenden Seitenblick in Huberts Züge, aber mit anscheinend völlig ruhigem Tone ein – »Sie sehen, daß mir bis jetzt aus diesem Gerede, welches unsereiner verachten kann, nicht viel Verdruß erwachsen ist!«

      »Sie irren ... ich habe bis jetzt keine Veranlassung gehabt, von diesen Dingen zu reden – ich habe auch nicht gewußt, daß der Herr von Ripperda sich allbereits in Ruppenstein befinden und die Früchte des höchst ehrenhaften Handels genießen, welchen die Frau von Averdonk mit dem Tollen hat abschließen müssen, um dem Herrn von Ripperda dahier eine angenehme, ihren Mann nährende Hofstellung und eine ihm zusagende Beschäftigung zu verschaffen. Jetzt aber, wo dies abscheuliche Komplott wirklich ausgeführt ist, der Herr von Ripperda sich des Erfolges erfreut und sich hier befindet, so daß man vor aller Leute Augen mit den Fingern auf ihn deuten kann ...«

      »Wird die Waffe, womit Sie drohen, bedenklicher, meinen Sie, mein junger Freund!« unterbrach ihn Ripperda mit großem Gleichmut.

      »Es freut mich, daß Sie es einsehen: und machen Sie sich gefaßt darauf, daß ich sie gebrauche, diese Waffe; ich selbst bin ja das Opfer Ihrer Intrigen geworden, indem ich Marie Stahl vor dem Unglück schützen wollte, das Opfer derselben zu werden – wir sind es nun beide, sie wie ich... aber was rede ich weiter mit Ihnen davon ... während das junge Mädchen in der entsetzlichsten und marterndsten Lage ist, während ich hier in dieser grauen Züchtlingsjacke stecke, währenddes mögen Sie die Vorteile Ihrer Stellung, die damit erkauft ist, daß wir zertreten werden, genießen und auskosten ... aber schonen Sie sich nicht dabei, denn lange wird die Herrlichkeit nicht währen, dafür sorge ich, mein Herr Jägermeister von Ripperda!«

      Hubert stand auf und wandte sich mit allen Zeichen einer tiefen Verachtung in den Zügen zum Gehen.

      »Junger Mann, bleiben und hören Sie noch,« sagte Ripperda mit etwas bewegterer Stimme wie bisher – »wir sind noch lange mit diesem Gespräch nicht zu Ende ... und zu Ende möchte ich es doch führen, denn es beginnt ein hohes Interesse für mich zu bekommen – nicht gerade wegen seines Themas, aber deshalb, weil Sie mir darin Ihr offenes unverdorbenes Jünglingsgemüt enthüllt ... kann es ein interessanteres Schauspiel geben, als solch eine naive Natur, welche einem Feinde gegenüber alles ausplaudert, was sie denkt, und ihm alles enthüllt, was sie gegen ihn vorzunehmen beabsichtigt? Ist das Besonnenheit, junger Mann? Wenn ich nun meine Stellung bei Seiner hochgräflichen Erlaucht mißbrauchte, um Sie wegen gefährlicher, sowohl Sie, Seine höchstgedachte Erlaucht, als dero verdienten wohlbestallten Jägermeister und unterschiedliche andere Respektspersonen schwer kompromittierender Reden in irgendeinen Narrenturm stecken zu lassen? Glauben Sie, das kostet mich viel mehr als einige Worte?«

      »Mag es!« versetzte Hubert kaltblütig.

      »Nun, ich will Sie nicht beim Wort halten,« fuhr Ripperda fort; »denn«, sagte er, plötzlich aus dem bisherigen spöttischen und ironischen Tone fallend – »mich soll der Teufel holen, wenn Sie nicht eigentlich in dem, was Sie sagen, recht haben – verdammt recht! Ich habe das Mädchen, von dem es sich in unserer Geschichte handelt, nicht gesehen, die Mamsellen-Mutter im Schlosse hält sie, wie man mir erzählt, sorgfältig unter Schloß und Riegel, damit sie nicht davonläuft; ich weiß also nicht, inwiefern ich sie meiner Teilnahme für würdig halten darf: Sie kecker und verwegner Student jedoch, der weiter nichts verbrach, als daß er wohl nur aus Neugier und Fürwitz oder um einer Wette mit lustigen Kameraden willen in ein merkwürdiges altes Haus einstieg und darin umhertappte – Sie flößen mir Mitleid ein, und ich bin ganz bereit, Ihnen meine Hilfe anzubieten, um ...«

      »Ich bedarf weder Ihres Mitleids noch Ihrer Hilfe!« fiel Hubert stolz ein.

      »Nun wohl, wenn denn nichts mit Ihnen anzufangen ist,« rief Ripperda sich ebenfalls erhebend aus, »dann will ich mich in des Teufels Namen mit Ihnen nächstens schießen, hauen oder stechen, was Sie wollen – vorausgesetzt, Sie halten bis dahin reinen Mund und schweigen! Ich ersuche Sie darum, als einen ehrlichen und ritterlichen Gegner!« »Dazu bin ich bereit, vorausgesetzt, daß Sie in kürzester Frist Ihr Wort wahr halten!«

      »Verlassen Sie sich darauf!« versetzte Ripperda.

      »Dann, meine ich, haben wir nichts mehr zusammen zu verhandeln«, entgegnete Hubert, nickte stolz mit dem Kopfe und schritt ins Haus.

      Ripperda wandte sich und schlenderte, die Hände auf dem Rücken, zum Schlosse heim.

      So gleichmütig ruhig er dem Anschein nach sich mit Hubert unterhalten hatte, so wenig angenehm war ihm die Entdeckung des jungen Mannes in seiner nächsten Nähe gewesen, und so wenig gleichgültig waren ihm die Drohungen desselben geblieben.

      Sich


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