Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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der sollte auch nicht weiter rückwärts sehen können als bis an die nächste Ecke, um welche er laviert ist. Es wäre weit behaglicher. Aber – ma foi – war denn das nicht gerade so, als ob jemand im andern Zimmer nieste?!«

      Der Graf nahm ein Licht, schritt damit in das zweite der eingerichteten Gemächer, das er zu seinem Schlafzimmer bestimmt hatte und kam bald nachher daraus zurück.

      »Ich werde hier noch lernen, Gespenster zu sehen,« sagte er dabei. Trotzdem schritt er durch die entgegengesetzte Tür wieder hinaus und begab sich auf den Korridor. Hier rief er an der nach unten führenden Treppe seinem Reitknecht, der gleich darauf erschien und von seinem Herrn den Befehl erhielt, ihm den Wein und die kalten Speisen heraufzubringen, welche das Nachtmahl des Grafen zu bilden bestimmt waren.

      Nachdem Franz, der Reitknecht, sich dieses Auftrags entledigt und während er seinen Gebieter bei dessen Souper bediente, fragte ihn dieser: »Wo ist eigentlich dein Nachtquartier? Ich glaube, in einer Kammer, just unter meinem Schlafzimmer?«

      »Nicht doch, Herr Graf,« versetzte der Reitknecht, »ich habe mein Bett in einem Entresolkämmerchen über dem Pferdestall im Nebenbau aufschlagen lassen.«

      »Davon weiß ich nichts!«

      »Ich dachte, es sei nicht gut, wenn niemand in der Nähe der Tiere sei. Man weiß nie, was sie überkommen und ihnen zustoßen kann in der Nacht.«

      »Für heute mag’s so bleiben,« versetzte Graf Antoine, nicht ganz befriedigt von dieser Antwort; »morgen wünsche ich dich in meiner Nähe zu haben. Im Falle ich dich brauche, werde ich dann auf den Boden klopfen – Klingelzüge gibt es ja hier nicht – du hättest, nebenbei gesagt, daran denken können, daß so etwas mit herausgebracht und eingerichtet worden wäre.«

      Der Graf hatte sein Nachtmahl beendigt.

      »Du kannst die Speisen und Teller forttragen, den Wein läßt du hier!«

      Der Reitknecht tat, wie ihm befohlen und verließ seinen Herrn, welcher jetzt wieder im Zimmer auf und nieder schritt und von Zeit zu Zeit der Flasche zusprach, die auf dem Tische geblieben war. Da der Graf beim Auskleiden keine Bedienung verlangte, so konnte Franz sich jetzt in seine Gemächer zurückziehen. Aber Franz mochte es entweder dazu noch zu früh halten oder den Aufenthalt in dem verfallenen alten Kastell auch unheimlich finden – er zog vor, sich in die Wohnstube des Hausmeisters Claus zu begeben, wo wenigstens ein lustiges Feuer im Kamin brannte und Claus Fettzünsler, bei seinen häuslichen Beschäftigungen auf und ab hinkend, zuweilen durch einen trockenen Witz die Stimmung erheiterte.

      Dazu kam, daß ihn in dieses Gelaß ein sehr appetitlicher Geruch von schmorendem Speck lockte. Claus bereitete sich sein Abendmahl, bestehend aus einem großen Pfannkuchen.

      Franz schob sich einen Stuhl ans Kamin und betrachtete eine Weile still Fettzünslers Hantieren mit seinem Küchenapparat. Die Flamme auf dem Herd gab dazu die einzige Beleuchtung ab; sie erhellte mit ihrem unsteten hin und her flackernden Scheine die geschwärzten Wände des Raumes höchst unvollständig, und der Hausmeister bildete mit seinem grotesken Kopfe und seiner hinkenden Gestalt in dieser Beleuchtung eine desto abenteuerlichere Figur.

      »Es wär’ Zeit, daß Ihr einmal Eure Kammer etwas aufputzen ließet, Meister Claus,« sagte Franz nach einer Weile. »Die Wände sehen verdammt schwarz aus!«

      »Nun, ich hoffe, Euer Herr wird’s schon in Ordnung bringen – er scheint ja den Narren gefressen zu haben an der Rheider Burg, und ich denke, wir werden Wunder erleben, was er alles daraus machen lassen wird. Das Bensberger Schloß wird nichts dagegen sein – wenn man ihn reden hört!«

      »Verlaßt Euch darauf nicht zuviel,« antwortete Franz, pfiffig lächelnd.

      »Kostet viel Geld, das Bauen und Renovieren,« bemerkte Claus mit einem spähenden Blick in seines Gesellschafters Züge.

      »Viel Geld, ja, und wir haben eben noch viele andere Manieren, es los zu werden!«

      »Nun, wenn es nur da ist!« warf Claus ein.

      »Da ist es wohl – es bleibt aber nicht lange!«

      »Also da ist es? Man sollt’s kaum meinen,« warf Claus ein. »Die Rheider Burg liegt ihm doch am Herzen, just so, als ob’s sein erstes und einziges Stück Grund und Boden wäre, was jemals sein gewesen!«

      »Nun, das mag sich auch wohl so verhalten. Er hätte eigentlich Erbe sein sollen von dem Lande, welches seinem Onkel, dem Herzog von Anglure, gehört. Es liegt ein gut Stück Weges von hier, hab’ ich mir sagen lassen, weiter ins Westfälische hinein. Was nun aber dazwischen gekommen ist, daraus hab’ ich nicht klug werden können; so viel ist gewiß, unser Herr ist mit dem Onkel-Herzog über den Fuß gespannt und mit der Erbschaft ist’s nichts. Nun sind da noch Güter im Lüttichschen oder da herum gelegen, die auch der Familie gehören, mit denen ist unser Graf abgefunden worden. Er hat aber bald so viel Schulden darauf gemacht, daß die Gläubiger sie ihm haben unter Sequester legen lassen, und damit ist’s denn jetzt auch nichts mehr. Nun war der Graf ehemals im Dienst bei den Schiffssoldaten oder in der Marine, wie man’s nennt; wie er nun wieder so blank gewesen ist als wie zuvor, hat er verlangt, wieder in den Dienst einzutreten und bei dem Großadmiral darum petitioniert. Der Großadmiral aber hat groß Gefallen an ihm gefunden und ihn zu seinem Adjutanten gemacht und so sind wir denn hierher gekommen und haben denn auch wieder flott zu leben.«

      Claus Fettzünsler schien diese Erzählung in einem feinen Gemüte still zu überlegen, denn er antwortete lange nicht, bis er endlich sagte: »Es ist kurios, wie solche vornehme Herren immer wieder auf die Beine kommen. Unser Herrgott hat offenbar mehr Zeit oder mehr Lust und Liebe, für sie zu sorgen als für geringere Leute! Ist von unsereinem mal ein Mensch zugrunde gerichtet, so bleibt er’s sein Leben lang!«

      Franz antwortete auf diese ketzerische Bemerkung Claus Fettzünslers nicht; er beobachtete, wie der Hausmeister seinen fertig gewordenen Pfannkuchen in dem hölzernen Deckel, der ihm zum Wenden des schmorenden Gebäcks gedient hatte, auf den Tisch stellte und, nachdem er sich einen Krug mit Bier aus einem Eckschranke geholt, seine Abendmahlzeit begann.

      »Meister Claus,« sagte Franz, ihm zuschauend, »wenn Ihr diesen ganzen Pfannkuchen verspeisen wollt, so müßt Ihr einen ausgezeichneten Magen haben!«

      »Den ganzen Pfannkuchen? Dazu müßte man ja ein Haifisch sein.«

      »Und wozu backt Ihr Euch denn solch ein Ungeheuer?«

      »Wozu – nun es ißt schon einer mit!«

      »Einer – wer ist das?«

      Claus zeigte ein mysteriöses Lächeln in seinen Zügen.

      »Wer ist das! Das ist viel gefragt, Herr Franz! Es essen eben auch andere Leute, als die man sieht.«

      »Das verstehe ich nicht,« sagte Franz.

      »Meint Ihr denn, solch ein altes Kastell wie dieses hätte nicht seinen rechtschaffenen Hausgeist ...«

      »Der Pfannkuchen verspeist?«

      Claus Fettzünsler lächelte wieder mit seinem ganzen verkniffenen Gesichte.

      »Habt Ihr nie von dem Huzelmännchen oder vom Klabautermann gehört?«

      »Wahrhaftig, niemals,« entgegnete Franz.

      »Ihr Leute von der andern Rheinseite habt doch alle keinen Glauben und keine Religion!«

      Franz schüttelte den Kopf, »Es ist eine kuriose Einquartierung,« erwiderte er. »Wie führt sie sich denn auf, wenn sie keine Verköstigung erhält?«

      »Dann rumort sie und wirft mir die Töpfe an den Kopf.«

      »Das möcht’ ich einmal sehen,« sagte Franz lachend.

      »Es ist nicht zu sehen!«

      »Auch die geworfenen Töpfe nicht?«

      Claus antwortete auf diese skeptische Frage nicht, aber er begann Franz Gespenstergeschichten höchst merkwürdiger Art zu erzählen, welche der Reitknecht mit entschiedenem Unglauben und sehr höhnischen Randglossen aufnahm,


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