Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking


Скачать книгу
Geld zu machen wie ein Wucherer!

      Er wollte jetzt eben ein auf der Fensterbank neben ihm liegendes Buch zur Hand nehmen, um damit die Zeit zu töten, als er aufschauend, zu seiner Ueberraschung gewahrte, daß Sibylle, raschen Schrittes zurückkehrend, durch den Garten daherkam, und zwar nicht allein, sondern gefolgt von einem Manne in grüner, auf allen Nähten mit breiten goldenen Tressen bedeckter Jägerlivree.

      »Was ist das?« sagte Ritterhausen sich aufrichtend, »ein herrschaftlicher Jäger, der gerade aussieht, als gehöre er unserm französischen Landesherrn, so glänzend ist er ausstaffiert!«

      »Seltsame Neuigkeiten, Vater,« rief Sibylle in diesem Augenblick, die Treppe aus dem Garten hinaufeilend und ziemlich außer Atem in das Zimmer tretend. »Denken Sie sich, die Burg hat einen neuen Herrn, einen französischen Grafen, und der ist oben im Schlosse mit dem Großherzog selber und einer ganzen Suite Herren vom Hofe ...«

      »In der Tat?« rief Ritterhausen aus, »Nun, ins Teufels Namen! Ich sehe nicht ein, weshalb du so aufgeregt darüber bist!«

      »Ich bin es deshalb, weil dieser Mann hier uns anzukündigen kommt, daß wir den Besuch der Herren zu gewärtigen haben. Da sie die Burg oben ganz leer gefunden haben und der alte Claus außerstande ist, ihnen Erfrischungen zu bieten, so wollen sie sich herablassen, den Hammer mit ihrer Gegenwart zu beehren und seine Gastlichkeit in Anspruch zu nehmen.«

      Ritterhausen machte große Augen.

      »Welche Ehre,« sagte er mit einem Lächeln, das doch etwas von geschmeichelter Eitelkeit verriet. »So mußt du eben alles aufbieten, was Küche und Keller vermögen, um die Herrschaften anständig aufzunehmen.«

      »Ich denke, sie werden mir so viel Zeit lassen, um für etwas zu sorgen! Hätten sie sich doch früher angemeldet!«

      »Eins bitte ich mir aber aus, mein Kind,« fuhr Ritterhausen fort. »Fange damit an, daß du deine Toilette machst, damit du jedenfalls zur Hand bist, wenn sie kommen. Ich kann sie nicht empfangen, und du darfst nicht fehlen, ihnen die Honneurs zu machen.«

      »So werde ich mich also wohl ankleiden und zugleich in Küche und Keller umherziehen müssen: denn anders wird es nicht gehen,« versetzte Sibylle.

      Das junge Mädchen verschwand jetzt durch eine Seitentür; der Jäger, der bisher in der offenen Gartentür stehen geblieben war, wollte ihr folgen, als Ritterhausen ihm winkte.

      »Setzen Sie sich, guter Freund,« sagte er, »Sie werden müde sein – verstehen Sie deutsch?«

      Der Jäger verstand deutsch.

      »So sagen Sie mir, wer ist denn der neue Herr da oben in der Rheider Burg?«

      »Der Herr Graf von Epaville«

      »Graf von Epaville – habe nicht die Ehre, das Geschlecht der Grafen von Epaville zu kennen. Woher ist der Mann?«

      »Der Herr Graf sind in Belgien daheim.«

      »Ein Belgier – so so; und im Dienst?«

      »Oberst und Flügeladjutant bei Sr. großherzoglichen Hoheit.«

      »Und wie kommt der Herr Oberst und Flügeladjutant zu der Rheider Burg, wenn man fragen darf?«

      »Der Herr Oberst sind von der Spielpartie des gnädigsten Herrn.« antwortete lächelnd der Jäger.

      »Von der Spielpartie? Das heißt doch nicht, daß er die ganze Burg mit allem Zubehör dem Großherzoge im Spiel abgewonnen hat?«

      »Ich bin nicht dabei gewesen,« versetzte der Jäger, »aber in der Antichambre erzählte man sich’s.«

      »Alle Teufel!« fluchte Ritterhausen zwischen den Zähnen. »Nun werden wir in den nächsten Tagen im bergischen Moniteur lesen, daß die Domäne Rheider Burg als Nationalbelohnung für spezielle treue Dienste zur Dotation des Grafen von Epaville angewiesen sei! – Die Pest hole die Wirtschaft!«

      Nachdem Ritterhausen eine Zeitlang seinen patriotischen Verdruß still verarbeitet hatte, hub er wieder an zu fragen: »Und was für eine Art Mensch ist dieser Herr Graf? Ist er alt oder jung, verheiratet oder nicht?«

      »Er ist so ungefähr zwei- bis vierunddreißig Jahre alt und, soviel ich weiß, unverheiratet,« versetzte der Jäger. »Er hat früher in der Marine gedient und ist dadurch zuerst mit dem Herrn Großherzog, der Großadmiral von Frankreich ist, wie Sie wissen werden, in Verbindung gekommen.«

      »Also ein Marineoffizier?«

      »Eine Zeitlang wenigstens,« antwortete der Jäger; »zu uns ist er nicht als Marineoffizier gekommen. Es ist ein vornehmer Herr, ein Vetter oder Neffe des Herzogs von Anglure im Westfälischen drüben ...«

      »Habe nicht die Ehre,« fiel Ritterhausen spöttisch ein ... »Und dieser Graf Epaville steht also wohl sehr hoch in Gnaden bei unserer Hoheit?«

      »Er macht mit dem Grafen Beugnot und dem Grafen Nesselrode immer seine Spielpartie.«

      »Nun, wir werden den Herrn ja zu sehen bekommen,« versetzte Ritterhausen und bewegte dann die kleine Schelle, welche neben ihm stand. Als ein Dienstmädchen erschien, dessen gerötetem Gesicht man ansah, wie sehr just eben ihre Tätigkeit in Anspruch genommen wurde, befahl er, dem grünen Herrn eine Flasche Wein in der Küche aufzutragen, und der Jäger entfernte sich.

      Nach einer kurzen Zeit kam Sibylle zurück. Sie hatte ein Kleid von schwerer brauner Seide angezogen, und um sich die Minuten, welche eine neue Frisur gekostet hätte, zu sparen, hatte sie ein kleines Spitzenmützchen mit gelbem Bande aufgesetzt, was zu ihren ernsten Zügen außerordentlich gut stand. Sie ordnete nun das Gartenzimmer, beseitigte ihre großen Bücher, überdeckte den runden Tisch mit schneeweißem Damast und dann besetzte sie ihn mit Geschirren, welche damals freilich wenig von dem Werte hatten, den sie in unserer Schätzung heute einnehmen. Es waren Teller von ausgezeichneter Majolika oder japanischem Porzellan, prächtige, geschliffene Humpen und Silbergeräte von schönster Renaissanceform.

      »Die Herrschaften,« sagte sie dabei zu ihrem Vater, der ihr ruhig zuschaute, »die Herrschaften werden meinen, sie kommen in einen Trödlerladen, wenn sie all das altfränkische Geschirr sehen. Aber ich kann es ihnen nicht besser vorsetzen.«

      »Nun, es hat unserer schönen Kurfürstin Anna und dem guten Johann Wilhelm von dem alten Geschirr recht wohlgeschmeckt, wenn sie zu meines Großvaters Zeit am Rheider Hammer vorüberkamen und bei dem alten Herrn, der in sondern Gnaden bei ihnen stand, einen Imbiß nahmen – ich meine deshalb, unsere jetzige Landesherrschaft wird auch damit zufrieden sein können – sie hat auch nicht immer von Silber und Vermeil gespeist!«

      Die Seitentür öffnete sich, und das Dienstmädchen und der Jäger erschienen, beladen mit Schüsseln, die gefüllt waren mit allerlei Gegenständen einer kalten Küche; der Jäger half ordnen, und so stand bald ein Imbiß auf dem Tische, dem man nicht ansah, wie sehr er improvisiert war. Sibylle gab der Magd die nötigen Anweisungen für die Herbeischaffung dessen, was der Keller an gutem Wein enthielt – es waren immer einige versiegelte Flaschen für außergewöhnliche Fälle in Herrn Ritterhausens Keller – und dann ging sie in den Garten hinab, um ein paar Blumensträuße für die Vasen, die auf dem Kaminsims standen, zu pflücken.

      In dieser Beschäftigung wurde sie jedoch unterbrochen. Sie hatte geglaubt, daß die erwarteten Gäste von der Burg den längern Fahrweg herab zu Wagen kommen und vor dem Hause vorfahren würden. Statt dessen hatten die Herren sich den freilich viel kürzern Fußweg herunterführen lassen, auf welchem sie jetzt über den Steg in den Garten gekommen waren. Sibylle hörte plötzlich lebhafte Stimmen in französischer Sprache ganz dicht in ihrer Nähe, und ehe sie sich noch zurückziehen konnte, stand eine breite Männergestalt vor dem Eingang der dunkeln Laube, in welcher sie eben ihre Blumen auf einem alten Steintisch in zwei Buketts zu ordnen beschäftigt war.

      Wer die breite Männergestalt war, darüber konnte Sibylle sich nicht täuschen. Sie hatte oft genug Porträts dieses Mannes, der jetzt ihr Landesherr war, gesehen. Joachim Murat, Marschall und Großadmiral von Frankreich, war seit einigen Monden souveräner Herzog von Berg.

      Sibylle


Скачать книгу