Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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zwar ebenso freundlich wohlwollend wie feurig das junge Mädchen an, aber das Antlitz mit der breiten platten Nase und dem seltsamen fahlen schwärzlichen Teint war weit entfernt, anziehend zu sein; und ganz seltsam war nun vollends der Anzug des Großherzogs. Dieser Anzug hatte einen durchaus militärischen Charakter, aber er stand nicht im geringsten in Übereinstimmung mit irgendeiner reglementmäßigen Uniform irgendeines französischen oder belgischen Korps. Murat trug einen dunkelblauen Rock von Samt, der mit schweren goldenen Schnüren besetzt war; dazu weiße Kaschmirbeinkleider mit breiten goldenen Streifen und feine ungarische Husarenstiefel von rotem Maroquin mit goldnen Sporen. Sein Haupt bedeckte eine rote viereckige Mütze, in der Form einer Ulanentschapka, an der eine kostbare Diamantagraffe glänzte, welche letztere den hohen Reiherbusch, der von zwei großen weißen Straußfedern umwogt war, festhielt.

      »Wir kommen als ungeladene Gäste in Ihr Haus, Mademoiselle,« sagte Murat mit großer Freundlichkeit, aber in sehr gebrochenem Deutsch zu dem jungen Mädchen.

      »Die Ehre ist also desto größer für uns,« versetzte Sibylle sich tief verbeugend.

      »Aber auch die Last, die wir Ihnen verursachen!«

      »Wenn Ew. Hoheit fürliebnehmen wollen mit dem, was ein bergisches Bürgerhaus zu bieten vermag, so ist das eine so große Gnade für uns ...«

      Murat ließ sie nicht ausreden.

      »Welche schönen Sträuße machen Sie da,« fuhr er fort, »wenn einer davon für mich bestimmt ist, so geben Sie ihn mir ... Sie sehen, ich brenne, ein solches Geschenk von Ihnen zu erhalten!«

      Sibylle nahm eine weiße Rose aus der noch ungeordneten Blumenfülle vor ihr und überreichte sie dem Großherzog.

      » Merci, mein Kind,« sagte er, »obwohl ich lieber gesehen, daß sich Ihr Cadeau in die Farben eines etwas lebhaftern Gefühls gekleidet hätte. – Ai-je bien dit cela?« wandte er sich lachend zu einem Herrn des Gefolges, der hinter ihm stand.

      Merveilleusement bien, Altesse, versetzte dieser lächelnd.

      »Aber,« fuhr Murat zu dem jungen Mädchen gewandt fort, »Sie bewahren so etwas sicherlich für Ihren neuen Nachbar auf, den ich Ihnen hiermit präsentiere – der Herr Graf Antoine von Epaville!«

      Der hinter dem Großherzog stehende Herr verbeugte sich mit einer gewissen nachlässigen und hochmütigen Grazie. Es war ein kaum mehr junger Mann, von schlanken feinen Formen und edlen aristokratischen Zügen, über welchen aber die Abspannung und die Farblosigkeit lag, welche die Folge einer leidenschaftlichen Natur ist, die sich in Lebensgenüssen erschöpft hat. Er war in die Uniform des großherzoglichen Gardelancierregiments gekleidet, welches Murats Lieblingsschöpfung war – in jene auffallende weiße Uniform mit amarantfarbenen Aufschlägen und Rabatten und mit polnischen Tschapkas, eine Ausstattung, welche, als das Regiment später nach Spanien beordert wurde und vor Napoleon in Bayonne die Revue passierte, bei dem Kaiser sehr wenig Beifall errang. Er wandte nämlich dem Regiment den Rücken zu mit den Worten: Voilà la garde harlequine de Murat und befahl, sie sofort in grüne Chasseuruniformen zu stecken.

      Der Graf Antoine von Epaville, der Flügeladjutant des Großherzogs und eben in seinen neuen Besitz eingeführte Herr der Rheider Burg, heftete seine dunkeln, von langen Wimpern beschatteten Augen in einer Weise auf Sibylle, welche dieser in hohem Grabe mißfiel, und indem sie das junge Mädchen verletzte, ihr damit auch ihre ganze Fassung wiedergab, die sie durch die plötzliche Erscheinung des Herzogs im ersten Augenblick verloren hatte. Der Graf Antoine bewunderte augenscheinlich ihre auffallende Schönheit, sie schien ihn zu überraschen, aber seine Blicke hatten dabei eine Sprache, welche Sibyllen das Blut in die Wangen trieb.

      »Nun,« hob Murat wieder an, »werden Sie den neuen Nachbar nicht bewillkommnen, indem Sie ihm auch eine Rose, und zwar eine recht feurige, rote schenken?«

      »Ich bitte,« sagte Sibylle ernst, ohne die Frage zu beantworten, »ich bitte Eure Hoheit ins Haus zu treten ...«

      »Sie wollen ihm keine Blume schenken? Aber das ist nicht freundlich von Ihnen, liebes Kind, für einen fremden Herrn, der mit dem besten Willen kommt, eine gute Nachbarschaft zu halten.«

      »O, ich hoffe mir ein solches Geschenk schon später zu verdienen, wenn nicht so viele Zeugen dabei sind!« fiel mit eitelm Lächeln der Graf Antoine ein.

      »Schwerlich, Herr Graf,« versetzte Sibylle, durch das Wesen des Grafen von Epaville immer mehr gereizt, mit ruhigem Stolz, »meine Rosen gehören wohl nicht in das Bukett der Blumen, die Ihnen das Leben bietet!«

      Murat lachte laut auf.

      »Nun, da sind Sie schön abgefahren, Graf,« sagte er, »es lautet wie eine Kriegserklärung – da sehen Sie gleich, wie wahr der alte Spruch ist: Qui terre a, guerre a!«

      »Hoheit, wollen Sie jetzt nicht geruhen, näher zu treten?« sagte Sibylle, der es unheimlich wurde, durch die Gruppe der den Eingang der Laube belagernden Herren so lange in dieser eingeschlossen gehalten zu werden.

      »Weshalb sollen wir denn ins Haus eintreten, mein schönes Kind – ist es hier nicht im Freien besser?« fragte Murat. »Das Wetter ist herrlich. Und die Laube hat Raum für uns alle. Lassen Sie uns hier bleiben.«

      »Aber Hoheit,« versetzte das junge Mädchen, »ich hatte gehofft, Sie würden geruhen, einige Erfrischungen anzunehmen, so gut, wie wir sie ohne alle Vorbereitung bieten konnten ...«

      »Und die haben Sie drinnen arrangiert – nun, was tut es? Lassen Sie alles herausbringen, hierher!«

      Sibylle war über diesen Einfall des Großherzogs sehr betroffen. Ihr ganzes Arrangement im Gartenzimmer war umsonst gemacht. Aber was war zu tun? Der Wunsch des gnädigsten Herrn war ein Befehl, dem nicht weiter widersprochen werden durfte. Sie räumte ihre Blumen beiseite und verließ die Laube. Murat, der im Eingang stand, machte ihr dabei so wenig Platz, daß sie sich vollständig an ihm vorüberdrängen mußte, und zugleich sah er mit einem solchen Lächeln auf sie nieder, daß Sibylle wiederum dabei das Blut ins Gesicht schoß und Hals und Wangen bis unter die Haarwurzeln purpurrot färbte. Sie eilte dann durch den Garten und ins Haus, um rasch ihrem Vater Kunde von dem veränderten Arrangement zu geben und zugleich hastig die Hand ans Werk zu legen. Ein Lakai, der mit den Herrschaften gekommen war, und der Jäger leisteten ihr dienstbeflissen Hilfe. So ward ohne Zögerung alles, was im Gartenzimmer serviert stand, auf dem runden Steintisch in der Gartenlaube aufgestellt. Während Sibylle dabei ab und zu ging, unterhielten sich die Herren – es waren außer dem Großherzog und dem Grafen Antoine noch zwei andere Herren da – lebhaft lachend, in französischer Sprache, die Sibylle nicht hinreichend gut verstand, um einer solchen Konversation folgen zu können. Desto peinlicher fiel ihr die Aufgabe, welche ihr geworden war.

      Murat sprach den Erfrischungen mit sehr gnädigem Appetit zu. Er leerte in unglaublicher Schnelligkeit eine Flasche uralten Rheinweins aus dem schönsten der geschliffenen Gläser, das Sibylle vor ihm aufgestellt hatte.

      »Aber nun,« sagte er endlich zu dem jungen Mädchen, »haben Sie lange genug die unermüdliche Wirtin gemacht und sind hin und her gelaufen. Ich dulde nicht, daß Sie sich länger ermüden, Mademoiselle. Setzen Sie sich zu uns. Ich bestehe darauf, Sie mit dem Nachbar, den ich Ihnen gebracht habe, zu befreunden. Stoßen Sie mit ihm an auf gute Freundschaft. Es hat noch keine Schönheit, sagt man, ihn dauernd fesseln können. Geben Sie sich Mühe, ihn zu erobern! Rächen Sie Ihr Geschlecht! Sie sehen, es verlohnt sich der Mühe. Und wenn er die Segel vor Ihnen gestrichen hat, dann wenden Sie sich an mich. Wir werden Prisengericht über ihn halten und ich werde ihn unbedingt kondemnieren – dafür bin ich Großadmiral von Frankreich, Nun, nehmen Sie dies Glas und trinken wir auf sein Glück in diesem schönen Tale!«

      Sibylle konnte sich dieser Aufforderung nicht entziehen, obwohl sie plötzlich tief erschrocken war. Die merkwürdige Prophezeiung des Spielmanns von dem Sarge mit dem großen Wappen war ihr nämlich bei den letzten Worten des Großherzogs – sie wußte nicht, durch welche Gedankenkombination – unwillkürlich durch den Sinn gefahren, und erblassend sagte sie rasch, ohne ihre Worte lange zu überlegen: »Dies Tal, fürchte ich, bringt dem Herrn kein Glück. Er täte wohl, wenn er es heute wieder verließe und es


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