Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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sich ganz dicht an die Mauer drückte, in die dunkelste Ecke, so war es möglich, daß sie ihn übersahen.

      Während er diese Stellung einnahm, sah er den Kopf des einen der Männer in die Oeffnung lugen.

      »Ich sehe niemand,« sagte dieser dabei ... es war der, den er hatte Untersuchungsrichter nennen hören.

      Der andere, der mit dem fremdartigen Dialekt, erwiderte lachend: »So kriechen Sie hinein, Untersuchungsrichter. Es ist Sache der Justiz, ihre Nase da hineinzustecken,«

      »Ich meine, es wäre mehr Sache der Polizei, ihre Nase in alles zu stecken,« versetzte scherzend der andere Beamte, »jedenfalls ist die Polizei der Vorläufer der Justiz, also en avant, Monsieur

      »Aber da muß man ja kriechen auf allen vieren!«

      »Das können Sie sans déroger immer noch eher als ein Priester der Themis,« lachte der Untersuchungsrichter.

      »Was ist da nun zu machen!« sagte Monsieur Ermann«, ließ sich auf die Knie nieder und steckte den Kopf durch die Oeffnung.

      Er schaute eine Weile hinein, wie um seine Augen erst an die größere Dunkelheit zu gewöhnen, welche in dem kleinen Raum herrschte. Dann sagte er: »Es liegen da allerlei Gegenstände auf dem Boden. Die Inspektion aus der Ferne wird nicht hinreichen – man wird sich bequemen müssen, hineinzuschlüpfen ... und dann fuhr er in der Tat mit dem Oberkörper in die Lambrisöffnung – aber viel schneller kam er erschrocken wieder heraus.

      »Alle Teufel!« rief er halblaut und sehr blaß geworben.

      »Was ist?« fragte der Untersuchungsrichter, »was haben Sie?«

      »Es steht ein Mann drin!« flüsterte Monsieur Ermanns, die Zeichen des Schreckens noch in allen Zügen.

      »Pest,« rief der andere Beamte, »der Mörder! und dabei blickte er angsterfüllt umher, ob nicht irgendeine Waffe in der Nähe sei.

      »Was ist da nun zu machen?« sagte Monsieur Ermanns, »Wir müssen unsere Leute herbeirufen,«

      »Ich will hinunter ..,« erwiderte der Untersuchungsrichter.

      »Ich danke schön,« versetzte Monsieur Ermanns, »damit der Mensch unterdes Zeit gewinnt, über mich herzufallen und sich zu retten. Bleiben Sie ruhig bei mir – ich will schon selbst die Leute rufen und zwar so!«

      Bei diesen Worten zog er ein Terzerol mit zwei Läufen aus der Tasche und spannte die Hähne; er war just im Begriff es abzuschießen, um auf diese Weise seine Leute, die unten harren mochten, herbeizurufen, als ihm der Untersuchungsrichter in den Arm fiel.

      »Aber zum Henker, wenn Sie abschießen, so sind wir ja ganz ohne Waffe wider den Verbrecher, der jeden Augenblick hervorkommen und sich auf uns stürzen kann!«

      »Nur ruhig, ich habe immer noch einen Schuß in Reserve,« sagte Monsieur Ermanns, der seine Fassung so ziemlich wieder erlangt hatte.

      Jetzt aber fand Richard von Huckarde für gut, dieser Szene ein Ende zu machen. Er tauchte plötzlich aus der Lambrisöffnung auf und mit den Worten: »Seien Sie ganz unbesorgt, meine Herren, ich glaube es ist das beste, ich komme Ihnen friedlich entgegen und wir verständigen uns ohne Pistolenschüsse!« kroch er aus der Wandöffnung hervor.

      Die beiden Beamten traten scheu ein paar Schritte weit zurück und starrten ihn an. Richard stand nach wenigen Augenblicken ruhig vor ihnen und stäubte die Spinnengewebe und den Kalkschmutz ab, der an seinem Rocke haften geblieben war.

      Elftes Kapitel

       Ein Geständnis

       Inhaltsverzeichnis

      Nachdem Monsieur Ermanns mit seinen schärfsten und stechendsten Blicken den jungen Mann betrachtet hatte, sagte er: »Folgen Sie uns in das vordere Zimmer. Sie werden uns dort Rede stehen, wer Sie sind und wie Sie hierher kommen.«

      »Ich kann Ihnen das mit wenig Worten erklären,« versetzte Richard, durch den befehlerischen Ton des Beamten verletzt und sich stolz aufrichtend, »wollen Sie es jedoch in dem andern Zimmer lieber hören als in diesem – mir ist das gleichgültig!«

      Unterdes war Monsieur Ermanns vorausgeschritten in den vordern Raum, das Wohnzimmer des ermordeten Grafen, Richard folgte ihm und hinter diesem ging, ihn vorsichtig beobachtend, der Untersuchungsrichter, ein großer korpulenter Mann mit rötlichem Gesicht und starkem Unterkinn, eine Gestalt, deren Aeußeres im ganzen weit eher eine offene Gutmütigkeit verriet als irgend etwas anderes.

      In dem vordern Zimmer ließen die beiden Herren sich an dem Schreibtisch des Grafen nieder; Ermanns legte sein Terzerol neben sich auf den Tisch. Nachdem sie Richard noch einmal eine Weile höchst finstern Blicks verwundert angesehen, begann Monsieur Ermanns: »Wer sind Sie?«

      »Ich habe gerade nicht Lust, Ihnen das zu sagen,« versetzte Richard. »Ich glaube auch nicht, daß es zur Sache gehört. Wenn ich Ihnen erklärt habe, wie ich hierher gekommen und Sie aus dieser Erklärung die Beruhigung geschöpft haben werden, daß ich nicht etwa beabsichtige, den toten Mann dort drinnen zu berauben, so, denke ich, kann ich mich Ihnen empfehlen.«

      »Und wie erklären Sie Ihre Anwesenheit hier?« fragte der Polizeibeamte.

      »Der Zufall hat mich in die Nähe dieses Hauses geführt, das ehemals von einer Familie bewohnt wurde, welche der meinigen nahe stand – ich fühlte das Verlangen, einmal wieder das Innere dieser Räume zu sehen. Als ich dem Hausmeister den Wunsch äußerte, erwiderte er mir, daß ihm befohlen sei, niemand hinaufzulassen. Ich beruhigte ihn über die Folgen, wenn dies Verbot einmal übertreten werde, und ging ohne mich an ihn zu kehren. Als ich die ganze Zimmerreihe bis zu diesem Räume durchwandert hatte, hörte ich die Schritte Herankommender. Es waren Ihre Schritte, meine Herren. Ich war nicht eben in der Stimmung, worin man mit Fremden zusammenzustoßen liebt, und ich mußte zudem in hohem Grade wünschenswert finden, mich unsichtbar zu machen, um dem Hausmeister Verdruß zu ersparen. Darum schlüpfte ich in das Versteck, in welchem mich die Herren fanden. Das ist alles.«

      »Und woher kannten Sie das Versteck?« fragte Monsieur Ermanns.

      »Durch – nun, durch Richard von Huckarde, meinen Jugendfreund.«

      »In der Tat,« versetzte der Polizeibeamte etwas spöttisch, »durch Richard von Huckarde!«

      »Sie berufen sich auf einen sehr weit entfernten Zeugen, mein Herr!« fiel der Untersuchungsrichter ein.

      »Ich wüßte nicht, daß ich nötig hätte, mich auf Zeugen zu berufen. Hoffentlich wird man keinen Zweifel gegen das, was ich sage, hegen!«

      »Wer sind Sie? Wollen Sie uns das jetzt mitteilen?«

      »Ich ziehe vor, mich nicht zu nennen,« erwiderte Richard trocken.

      »Sie stehen vor Leuten, welche doch wohl das Recht haben zu fragen,« bemerkte hier mit ironischem Tone Monsieur Ermanns.

      »Sie haben die Pflicht zu antworten – oder man wird Sie dazu zwingen!« setzte der Untersuchungsrichter hinzu, der alles tat, um seinem offenen Lebemanngesicht das Gepräge des strengen Inquirenten zu geben und in seinen Aeußerungen deshalb etwas Brutales annahm; während ganz im Gegenteil Monsieur Ermanns den Ernst seiner nicht gerade Vertrauen erweckenden Züge durch einen Ausdruck von unbekümmerter Heiterkeit zu überdecken bestrebt war, das heißt wenn er es nicht gerade für politisch hielt, mit dem, was er im stillen sein Adlerauge nannte, zu durchbohren.

      »Nun beruhigen Sie sich, meine Herren,« antwortete Richard mit trübem Lächeln, »ich werde Ihnen den Gefallen tun, Ihnen meinen Namen zu nennen, wenn Sie es so sehr wünschen und es nicht zu umgehen ist. Ich bin der, den ich eben genannt habe.«

      »Wie, Sie wären...?« fuhr der Untersuchungsrichter auf.

      »Richard von Huckarde.«

      Die beiden Beamten sahen sich an. Monsieur Ermann wünschte dann die Angabe des jungen Mannes durch Legitimationspapiere


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