Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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besser. Ich fühl’ es ja.«

      Sie fuhren zuerst auf den schattigen Wegen, die sich immer zwischen zwei Gärten durchziehen und die Cannes wie eine Art englischen Park erscheinen ließen. Dann ging es auf der Straße von Antibes am Meer entlang. Forestier erklärte dem Freunde die Gegend, er zeigte die Villa des Grafen von Paris, dann, nannte er noch verschiedene andere. Er war lustig, aber seine Fröhlichkeit war erzwungen und gemacht wie die eines zum Tode Verurteilten. Er hob den Finger, da er nicht mehr die Kraft hatte, den Arm zu heben.

      »Sieh her, dort drüben ist die Insel Sainte-Marguerite, und das ist das Schloß, aus dem Bazaine entflohen ist.«

      Dann fielen ihm Erinnerungen aus seiner Militärzeit ein, er nannte die Namen mehrerer Offiziere, von denen ihm noch kleine Anekdoten erinnerlich waren. Doch plötzlich bei einer Straßenbiegung tat sich der ganze Golf Juan auf mit seinem weißen Dörfchen im Hintergründe und der Landenge von Antibes am anderen Ende.

      Forestier wurde plötzlich von kindlicher Freude ergriffen und stammelte:

      »Ach, das Geschwader, du kannst von hier aus das Geschwader sehen!«

      Und tatsächlich erblickte man mitten in der weiten Bucht ein halbes Dutzend großer Schiffe; sie glichen Felsen, die mit Ästen bedeckt waren.. Sie waren von riesiger, ungeheuerlicher Gestalt mit Auswüchsen, Türmen und Schnäbeln, die sich ins Wasser senkten, als wollten sie sich in den Meeresgrund einbohren. Man begriff gar nicht, wie so etwas sich von der Stelle rühren und bewegen konnte, so schwer und im Grunde eingewurzelt erschienen diese Riesenleiber. Eine runde, hohe, schwimmende Batterie in Gestalt einer Sternwarte erinnerte an die auf Felsenklippen gebauten Leuchttürme.

      Ein großer Dreimaster fuhr mit vollen Segeln, die schneeweiß und heiter leuchteten, an den Kriegsschiffen vorüber, in die hohe See hinaus. Neben diesen häßlichen, eisernen Kriegsungetümen sah er hübsch und graziös aus.

      Forestier bemühte sich, jedes einzelne Kriegsschiff zu erkennen. Er nannte die Namen:

      »Das ist der Colbert, der Suffren, der Admiral Duperré, der Redoutable, die Dévastation, nein, ich irre mich, da drüben ist die Dévastation.«

      Sie gelangten zu einer großen Ausstellungshalle, auf der die Inschrift stand: »Kunstfayencen vom Golf Juan«. Der Wagen fuhr um einen Rasenplatz herum und hielt dann vor der Tür.

      Forestier wollte zwei Vasen kaufen, um sie in seiner Bibliothek aufzustellen. Da er nicht aus dem Wagen heraussteigen konnte, wurden ihm die Muster eines nach dem andern gebracht. Er wählte lange und fragte bald seine Frau, bald Duroy um Rat.

      »Weißt du, ich stelle sie auf das Möbelstück am Ende meines Arbeitszimmers. Ich werde sie dann immer vor Augen haben. Ich liebe die antike, griechische Form.«

      Er prüfte die Muster, ließ sich andere bringen, dann wieder die, die er schon gesehen hatte. Schließlich entschloß er sich, bezahlte und verlangte, daß sie ihm sofort hingeschickt würden.

      »Ich kehre in wenigen Tagen nach Paris zurück«, sagte er.

      Sie fuhren längs der Meeresküste nach Hause. Plötzlich traf sie ein kalter Luftzug, der aus irgendeinem Seitental kam, und der Kranke begann zu husten. Anfangs war es nur ein kleiner Anfall, aber er wurde stärker, das Husten wurde heftiger und hörte gar nicht mehr auf. Es wurde ein ununterbrochenes Ächzen und ging zuletzt in ein Röcheln über.

      Forestier war am Ersticken, und jedesmal, wenn er aufatmen wollte, zerriß ihm der Husten, der aus seiner Brust herauskam, die Kehle. Nichts konnte ihm die Qual erleichtern, nichts konnte ihn beruhigen, und der Kranke mußte aus dem Wagen in sein Zimmer hinaufgetragen werden. Duroy hielt seine Beine und fühlte bei jedem krampf der Lungen das Zucken seiner Füße.

      Auch das warme Bett brachte keine Linderung und der Anfall dauerte bis Mitternacht an. Endlich gelang es durch Betäubungsmittel den tödlichen Hustenkrampf einigermaßen zu beruhigen. Und der Kranke blieb bis zum Morgen mit offenen Augen im Bett sitzen. Seine ersten Worte waren, man möchte den Barbier holen, denn er hielt peinlich darauf, jeden Morgen rasiert zu werden. Er stand zu diesem Zwecke auf, mußte aber sofort wieder ins Bett gelegt werden, und er begann so kurz und rauh und mühsam zu atmen, daß Frau Forestier in ihrer Angst Duroy, der sich zu Bett gelegt hatte, sofort wecken ließ und ihn bat, einen Arzt zu holen.

      Er erschien kurze Zeit darauf mit dem Doktor Gavaut, der eine Arzenei verschrieb und ein paar Ratschläge erteilte. Als ihn Duroy hinausbegleitete und ihn nach seiner Meinung fragte, sagte er:

      »Das ist der Todeskampf, Morgen früh ist er tot. Bereiten Sie die arme, junge Frau vor und lassen Sie einen Priester holen. Für mich ist hier nichts mehr zu tun, aber selbstverständlich stehe ich ganz zu Ihrer Verfügung.«

      Duroy ließ Frau Forestier rufen.

      »Er wird sterben. Der Doktor rät, nach einem Priester zu schicken. Was wollen Sie tun?«

      Sie konnte sich lange nicht entschließen. Dann sagte sie mit langsamer Stimme, nachdem sie sich alles überlegt hatte:

      »Ja, es ist besser in mancher Hinsicht. … Ich werde ihn darauf vorbereiten und ihm sagen, daß der Pfarrer ihn sehen möchte … ich weiß noch nicht, irgend was. Also bitte seien Sie so freundlich und holen Sie mir einen Pfarrer. Aber suchen Sie ihn aus. Nehmen Sie einen, der nicht zuviel Mätzchen macht und sich mit der einfachen Beichte begnügt.«

      Der junge Mann brachte einen liebenswürdigen, alten Geistlichen mit, der sich den Umständen anzupassen wußte. Er wurde sofort zu dem Sterbenden geführt. Frau Forestier ging hinaus und setzte sich mit Duroy in das Zimmer nebenan.

      »Das hat ihn furchtbar ergriffen«, sagte sie. »Als ich vom Priester sprach, nahm sein Gesicht einen entsetzlichen Ausdruck an … als ob … als fühlte er den Hauch des … Sie verstehen mich … Er begriff, daß es zu Ende ging und daß seine Stunden gezählt seien …«

      Sie war ganz blaß.

      »Ich werde den Ausdruck seines Gesichts nie vergessen«, fuhr sie fort. »Sicherlich hat er den Tod in diesem Augenblicke gesehen. Er hat ihn gesehen …«

      Sie hörte die Stimme des Priesters; er sprach etwas laut, denn er war schwerhörig.

      »Nein, nein, es steht gar nicht so schlimm mit Ihnen. Sie sind krank, Sie sind leidend, aber es droht Ihnen keine Gefahr. Und der Beweis ist, daß ich als Freund und Nachbar zu Ihnen komme.«

      Was Forestier antwortete, konnten sie nicht hören. Der Priester fuhr fort:

      »Ich will Ihnen nicht das Abendmahl reichen. Darüber wollen wir reden, wenn Sie sich besser fühlen. Wenn Sie aber meinen Besuch benutzen wollen, um zu beichten, so ist es mir recht. Ich bin ein Seelenhirt und benutze jede Gelegenheit, um meine Schafe zu retten.«

      Es folgte ein langes Schweigen. Offenbar sprach Forestier mit seiner keuchenden, klanglosen Stimme. Plötzlich sagte der Priester in verändertem Ton, dem Ton einer gottesdienstlichen Handlung:

      »Gottes Barmherzigkeit ist unendlich. Sprechen Sie das Confiteor, mein Sohn. Sie haben es vielleicht vergessen, ich will Ihnen helfen. Sprechen Sie mir nach: Confiteor Deo omnipotenti … Beatae Mariae semper virgini …«

      Von Zeit zu Zeit machte er eine Pause, damit der Sterbende ihn einholen konnte. Dann sagte er:

      »Nun beichten Sie.«

      Die junge Frau und Duroy rührten sich nicht mehr.

      Sie fühlten sich seltsam verwirrt und von einer ängstlichen Spannung ergriffen.

      Der Kranke hatte etwas gemurmelt. Der Priester wiederholte :

      »Sie haben sich der sündhaften Nachsicht sträflich gemacht? Welcher Art war sie, mein Sohn?«

      Die junge Frau stand auf und sagte kurz :

      »Wir wollen in den Garten gehen. Wir dürfen seine Geheimnisse nicht hören.«

      Sie gingen und setzten sich auf eine Bank vor der Tür, unter einem blühenden Rosenstrauch, hinter einem Nelkenbeet, das seinen starken, süßen Duft ausströmte.

      Nach


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