Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Er tat das gleiche und bemerkte, daß sie sehr bleich war. Da wurde ihm klar, daß er ihr gefallen hatte, und vielleicht schon seit längerer Zeit. Sie standen dicht beieinander; er zog sie an sich und drückte ihr einen langen, zärtlichen Kuß auf die Stirn. Sie machte sich los, lehnte sich an seine Brust und fuhr in ernsthaftem Tone fort:

      »Hören Sie mich an, mein lieber Freund, noch bin ich zu gar nichts entschlossen, aber es wäre nicht unmöglich, daß ich ja sagte. Sie müßten mir aber absolute Verschwiegenheit versprechen, bis ich Sie davon entbinde.«

      Er schwor es und ging; sein Herz jauchzte vor Freude.

      Von da ab besuchte er sie stets mit großer Vorsicht und bat sie auch nicht um eine bestimmte Zusage, denn ihre Art, wie sie über die Zukunft sprach, wie sie »später« sagte und allerlei Pläne entwarf, in denen sie beide eine Rolle spielten, sprach deutlicher und doch zarter als ein formelles Jawort.

      Duroy arbeitete fleißig, gab wenig aus, versuchte etwas Geld zurückzulegen, um bei seiner Heirat wenigstens etwas Geld zu besitzen. Er wurde nun ebenso geizig, wie er früher verschwenderisch gewesen war.

      Der Sommer ging vorbei und dann der Herbst, ohne daß jemand auf den geringsten Verdacht kam, denn sie sahen sich selten und so unauffällig wie möglich. Eines Abends fragte ihn Madeleine und sah ihm dabei tief in die Augen:

      »Sie haben doch Madame de Marelle von unseren Plänen noch nichts mitgeteilt?«

      »Nein, Teuerste, ich versprach Ihnen, zu schweigen und habe keiner lebenden Menschenseele ein Wort davon gesagt.«

      »Nun gut, es wird jetzt Zeit sein, sie darauf vorzubereiten. Ich werde meinerseits Walters übernehmen. Also es geschieht diese Woche, nicht wahr?«

      Er war rot geworden: »Ja, gut, morgen«, sagte er.

      Sie senkte ihre Augen, als wolle sie seine Verwirrung nicht bemerken, und sagte:

      »Wenn es Ihnen recht ist, können wir Anfang Mai heiraten. Es würde sehr gut passen.«

      »Ich füge mich Ihnen mit Freuden in allem.«

      »Der zehnte Mai ist ein Sonnabend. Er wäre mir besonders lieb, denn es ist mein Geburtstag.«

      »Schön, den zehnten Mai.«

      »Ihre Eltern wohnen in der Nähe von Rouen, nicht wahr? So sagten Sie mir wenigstens.«

      »Ja, dicht bei Rouen, in Canteleu.«

      »Was tun sie dort?«

      »Sie sind … sie sind kleine Rentner.«

      »Ach, ich freue mich sehr darauf, sie kennenzulernen.«

      Erschrocken verstummte er.

      »Ja … aber … es sind …«

      Dann nahm er sich zusammen und sagte:

      »Meine teuerste Freundin, es sind Bauern, die ein Wirtshaus besitzen, die sich Hände und Füße blutig gearbeitet haben, damit ich studieren konnte. Ich schäme mich ihrer nicht, aber ihre bäuerliche Einfachheit … könnte Ihnen vielleicht doch peinlich sein.«

      Sie lächelte zärtlich. Ihr Gesicht strahlte von sanfter Güte.

      »Nein, ich werde sie sehr gern haben. Wir werden sie besuchen. Ich will es. Wir sprechen nachher darüber. Auch meine Eltern waren kleine Leute. Doch sie sind schon beide tot. Ich habe keinen Menschen mehr auf Erden …« Sie reichte ihm die Hand und fügte hinzu: » … außer Ihnen!«

      Er fühlte sich gerührt und ergriffen. Noch nie hatte eine Frau ihn so bezaubert.

      »Mir ist noch etwas eingefallen,« fuhr sie fort, »aber es ist recht schwer zu erklären.«

      »Was denn?«

      »Nun ja, mein Lieber, ich bin nämlich wie alle Frauen. Ich habe meine kleinen Schwächen. Ich liebe alles, was schön glänzt und gut klingt. Ich würde so gern einen adligen Namen tragen. Könnten Sie sich gelegentlich unserer Heirat nicht etwas … etwas adeln?«

      Diesmal errötete sie, als hätte sie ihm einen unpassenden Vorschlag gemacht.

      Er antwortete einfach:

      »Ich habe schon oft darüber nachgedacht, aber es scheint wohl nicht so einfach zu sein.«

      »Weshalb denn?«

      Er lachte.

      »Weil ich nicht lächerlich erscheinen will.«

      Sie zuckte die Achseln.

      »Aber gar nicht, nicht im geringsten. Alle Welt tut das und niemand lacht darüber. Zerlegen Sie Ihren Namen einfach in zwei Teile und nennen Sie sich Du Roy! Das geht doch sehr gut.«

      Er antwortete schnell, wie jemand, der sich in solchen Dingen gut auskennt:

      »Nein, das geht nicht. Das Verfahren ist zu einfach, zu gewöhnlich und zu bekannt. Wohl habe ich schon daran gedacht, den Namen meiner Heimat anzunehmen; zunächst als literarischen Decknamen, ihn dann allmählich dem meinigen hinzuzufügen. Später könnte ich, wie Sie vorschlagen, meinen Namen teilen.«

      »Canteleu ist Ihre Heimat?«

      »Ja.«

      Sie überlegte.

      »Nein, die Endung gefällt mir nicht. Könnten wir vielleicht das Wort etwas ändern … Canteleu?«

      Sie nahm eine Feder vom Tisch und schrieb verschiedene Namen hin und prüfte ihr Aussehen. Plötzlich rief sie:

      »Halt! Halt! Ich habe es!«

      Sie reichte ihm ein Stück Papier, auf dem er las:

      »Madame Duroy de Cantel.«

      Einige Sekunden überlegte er, dann erklärte er ernst:

      »Ja, so ist es ausgezeichnet.«

      Sie war entzückt und wiederholte mehrmals:

      »Duroy de Cantel, Duroy de Cantel, Madame Duroy de Cantel. Vortrefflich! Fabelhaft! Sie werden sehen, wie leicht sich alle Welt daran gewöhnt. Man muß die Gelegenheit ausnutzen, denn nachher würde es zu spät sein.

      Von morgen ab zeichnen Sie Ihre Artikel D. de Cantel. Und die Lokalnachrichten lediglich mit Duroy. Das kommt in der Presse jeden Tag vor, und niemand wird sich wundern, daß Sie einen Schriftstellernamen annehmen. Sobald wir verheiratet sind, können wir das noch ein bißchen ändern und unseren Freunden sagen, Sie hätten aus Bescheidenheit das »du« nicht hervorgehoben in Anbetracht Ihrer Stellung, oder wir brauchen auch gar nichts zu sagen. Wie heißt Ihr Vater mit Vornamen?«

      »Alexander.«

      Sie murmelte zwei-, dreimal hintereinander:

      »Alexander, Alexander«, und lauschte auf den Wohlklang der Silben; dann schrieb sie auf ein leeres Blatt Papier:

      »Herr und Frau Alexander Du Roy de Cantel beehren sich, die Hochzeit ihres Sohnes, Herrn Georges Du Roy de Cantel mit Frau Madeleine Forestier anzuzeigen.«

      Sie hielt die Schrift etwas von sich ab und erklärte, entzückt über die Wirkung:

      »Mit etwas Konsequenz erreicht man alles, was man will.«

      Als er sich auf der Straße befand; war er fest entschlossen, sich in Zukunft nur noch Du Roy oder selbst Du Roy de Cantel zu nennen. Und er fühlte sich, als wäre ihm eine ganz neue Würde übertragen worden. Er ging forscher, trug den Kopf höher und den Schnurrbart stolz gewirbelt, wie es einem Edelmann geziemt. Er hatte die größte Lust, allen Vorübergehenden zuzurufen: »Ich heiße jetzt Du Roy de Cantel.«

      Aber kaum war er in seiner Wohnung angelangt, da begann ihn der Gedanke an Madame de Marelle zu beunruhigen. Er schrieb ihr sofort und bat sie für morgen um eine Zusammenkunft. »Es wird eine schwere Stunde werden,« dachte er, »ich werde einen schrecklichen Sturm heraufbeschwören.«

      In seiner gewohnten Sorglosigkeit, die ihn alle unangenehmen Dinge des Lebens einfach beiseite schieben ließ, wußte er sich sehr leicht


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