Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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heißen, ja!«

      Sie lachte vor Vergnügen laut auf und rief:

      »Das geht schon zu weit!«

      »So liegt die Sache. Ich kenne die Frauen nicht … Und Sie kennen sicher die Männer, da Sie Witwe waren … Sie werden meine Erzieherin sein … heute abend schon. Sie können, wenn Sie wollen, gleich schon damit anfangen!«

      Heiter und lustig rief sie aus:

      »Oh ! Wenn Sie darauf rechnen …«

      »Gewiß,« erwiderte er in dem Ton eines Schülers, der seine Schulaufgabe wiederholt, »darauf rechne ich. Ich rechne sogar darauf, daß Sie mir einen gründlichen Unterricht erteilen … in zwanzig Stunden … zehn für die Anfangsgrundlagen … Vorlesen und Grammatik … zehn für die Vervollkommnung und die Rhetorik, Ich weiß doch nichts.«

      Sehr belustigt rief sie:

      »Du bist zu dumm.«

      »Da du mich endlich zu duzen anfängst, will ich deinem Beispiel folgen und dir sagen, mein Liebling, daß ich dich von Sekunde zu Sekunde mehr liebe und daß ich den Weg bis Rouen viel zu weit finde.«

      Er sprach jetzt im Tone eines Schauspielers, mit komischem Mienenspiel und Gebärden; das machte der jungen Frau viel Spaß, denn sie war an die tollen Scherze der Schriftstellerboheme gewöhnt.

      Sie sah ihn von der Seite an und fand ihn wirklich reizend. Sie hatte das Verlangen, ihm einen Kuß zu geben, als ob sie eine Frucht vom Baume essen wollte, während der Verstand ihr riet, die Mahlzeit abzuwarten. Dann sagte sie, errötend von den Gefühlen, die sie bestürmten:

      »Mein kleiner Schüler, glauben Sie mir, glauben Sie meiner großen Erfahrung: Küsse im Eisenbahnwagen taugen nichts. Sie gehen auf den Magen.«

      Dann wurde ihre Gesichtsfarbe noch röter und sie murmelte:

      »Man muß die Früchte nie zu früh pflücken.«

      Er grinste, erregt durch die Zweideutigkeiten, die diesem hübschen Mund entquollen; dann machte er das Zeichen des Kreuzes, indem er die Lippen bewegte, als ob er ein Gebet murmelte:

      »Ich habe mich unter den Schutz des heiligen Antonius gestellt,« erklärte er, »dem Schutzheiligen gegen die Versuchung; ich bin jetzt wie eine Bildsäule aus Bronze.«

      Die Nacht kam heran und hüllte die weiten Felder, die sich rechts der Bahn ausdehnten, in ein durchsichtiges Dunkel, ähnlich einem leichten Florschleier. Der Zug fuhr an der Seine entlang, und das junge Paar blickte in den Fluß, dessen Oberfläche sich wie geschliffenes Metall, wie ein langes, glänzendes Band neben den Schienen hinzog. Rote Reflexe spiegelten sich fleckenweise vom Himmel ab, den die untergehende Sonne mit Purpur und Feuer bedeckte. Auch diese leuchtenden Stellen erloschen und wurden allmählich dunkel und düster. Die Felder wurden schwarz, und darüber schwebte jener unheimliche Todesschauer, den jede Dämmerung auf die Erde bringt.

      Die melancholische Abendstimmung drang auch durch das offene Fenster in die Seelen des noch eben so heiteren, jungen Paares und ließ sie verstummen. Sie waren näher aneinander gerückt, um den Todeskampf dieses schönen, hellen Maitages anzusehen.

      In Mantes wurde eine kleine Öllampe angezündet, die auf den grauen Stoffbezug der Sitzpolster ihr gelbes, zitterndes Licht warf.

      Duroy legte einen Arm um die Taille seiner Frau und preßte sie an sich. Sein heftiges Verlangen wurde immer verzehrender; es wurde zu einer tröstenden, zärtlichen Liebkosung, zu einer Liebkosung, mit der man Kinder einwiegt.

      Ganz leise flüsterte er:

      »Ich werde dich sehr liebhaben, meine kleine Made.«

      Der zarte Klang der Stimme erregte plötzlich die junge Frau und ein leises Zittern lief über ihre Haut. Sie bot ihm ihre Lippen, indem sie sich über ihn neigte, denn er hatte die Wange auf ihren warmen Busen gelegt.

      Es war ein langer, tiefer und stummer Kuß. Dann sprang er auf und riß sie rasch und wild an sich. Es folgte ein keuchendes Ringen und eine heftige und ungeschickte Umarmung. Dann blieben sie Arm in Arm liegen, beide ein wenig enttäuscht, müde und immer noch zärtlich, bis das Pfeifen des Zuges die Nähe des Bahnhofs ankündigte.

      Sie glättete mit den Fingerspitzen die zerzausten Haare an den Schläfen und erklärte:

      »Es war recht töricht; wir sind wie die kleinen Kinder.«

      Aber er küßte ihr hastig und fieberhaft die beiden Hände, eine nach der andern und erklärte:

      »Ich liebe dich über alles, meine kleine Made.«

      Bis Rouen saßen sie Wange an Wange gelehnt, fast unbeweglich, und blickten durch das Fenster in die Nacht hinaus, und sahen hin und wieder die Lichter einzelner Häuser vorüberfliegen.

      Sie waren zufrieden, so nahe beieinander zu sein und träumten von der inneren Annäherung und Vereinigung, die sie erwarteten.

      Sie stiegen in einem Hotel ab, dessen Fenster nach dem Ufer hinausgingen. Nachdem sie abends ein wenig gegessen hatten, gingen sie zur Ruhe.

      Das Zimmermädchen weckte sie am nächsten Morgen um acht Uhr und stellte zwei Tassen Tee auf den Nachttisch.

      Duroy sah seine Frau an und schloß sie in seine Arme mit stürmischer Freude eines Mannes, der einen kostbaren Schatz gefunden hat, und leise flüsterte er ihr ins Ohr:

      »Meine kleine Made, ich fühle, daß ich dich sehr, sehr, sehr liebe!«

      Sie lächelte ihm zufrieden und vertrauensvoll zu, erwiderte seine Küsse und murmelte:

      »Ich dich auch … vielleicht …«

      Der bevorstehende Besuch bei seinen Eltern beunruhigte Duroy. Er hatte seine Frau schon oft gewarnt und auf alles vorbereitet. Jetzt fing er noch einmal an:

      »Weißt du, es sind Bauern, richtige Bauern vom Lande, nicht von der komischen Oper.«

      Sie lachte: »Ich weiß es doch, du hast mir oft genug das gesagt. Also steh auf, und laß mich auch aufstehen.«

      Er sprang aus dem Bett, zog seine Strümpfe an und sagte:

      »Wir werden es sehr unbequem haben. In meinem Zimmer steht nur ein Bett mit einem Strohsack. In Canteleu kennt man keine Roßhaarmatratzen.«

      Sie schien entzückt zu sein.

      »Um so besser. Es wird so herrlich sein, mal schlecht neben … neben dir zu schlafen… und mit dem Hahnenschrei aufzuwachen.«

      Sie hatte einen Morgenrock aus weißem Flanell angezogen, den Duroy sofort erkannte. Dieser Anblick war ihm unangenehm. Warum? Er wußte, daß seine Frau ein volles Dutzend solcher Morgenkleider hatte. Sie konnte freilich nicht ihre Aussteuer vernichten, um sich eine neue zu kaufen. Wie es auch sei, es wäre ihm lieber gewesen, daß ihre Wäsche, ihre Nacht-und Leibwäsche nicht die gleiche wäre wie bei dem anderen. Ihm schien, als ob der weiche, warme Stoff etwas von Forestiers Berührung bewahrt haben müßte.

      Er ging ans Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Der Anblick des Hafens und des breiten Stromes mit seinen Schiffen und ihren schlanken Masten, mit seinen plumpen Dampfern, deren Ladung von Dampfkränen mit lautem Lärm auf die Kais ausgeladen wurde, — das alles packte ihn, obwohl er es schon lange kannte. Und er rief:

      »O Gott, ist das schön!«

      Madeleine kam herbei, legte ihre beiden Hände auf seine Schultern, beugte sich in hingebender Haltung zu ihm herab. Sie war gleichfalls hingerissen und entzückt:

      »Oh! Das ist herrlich! Oh, wie herrlich! Ich wußte gar nicht, daß es hier so viele Schiffe gibt.«

      Eine Stunde später fuhren sie ab; sie wollten bei den Alten zum Frühstück sein, denn sie hatten sie mehrere Tage vorher benachrichtigt.

      Eine offene, alte Droschke fuhr sie langsam mit furchtbarem Gerassel zuerst eine ziemlich langweilige Allee entlang, dann fuhren sie über eine Wiese, die ein Fluß durchströmte und stiegen endlich langsam ein hügliges Gelände hinauf.

      Madeleine


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