Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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gewechselt. Sobald sie merkten, daß der Zug sich in Bewegung setzte, sahen sie sich an und begannen zu lächeln, um eine gewisse Verlegenheit zu verbergen, von der sie nichts merken lassen wollten.

      Der Zug fuhr langsam durch den langen Bahnhof von Batignolles, dann durcheilte er die häßliche, flache Strecke zwischen den Forts und der Seine.

      Duroy und seine Frau sprachen zuweilen ein paar unnütze Worte und wandten sich dann wieder dem Fenster zu; als sie über die Brücke bei Asnières kamen, stimmte sie der Anblick des Flusses, der von Booten, Anglern und Ruderern wimmelte, heiter und fröhlich. Die kräftige Maisonne warf ihre schrägen Abendstrahlen auf die Boote und den ruhigen Fluß, der unter der Glut der sinkenden Sonne unbeweglich wie eine Glasfläche erschien. Eine Segeljacht mitten auf dem Wasserspiegel hatte ihre zwei großen, weißen Leinewanddreiecke ausgespannt, um auch den leisesten Windhauch aufzufangen, und glich so einem riesigen Vogel, der gerade im Begriff war, aufzuflattern.

      »Ich schwärme für die Umgebung von Paris«, murmelte Duroy. »So herrlich geröstete Fische wie hier habe ich in meinem Leben nie gegessen.«

      »Und das Bootfahren«, erwiderte sie. »Wie schön ist es, bei Sonnenuntergang über das Wasser zu gleiten.«

      Dann schwiegen sie, als ob sie nicht gewagt hätten, noch mehr von ihrem vergangenen Leben auszuplaudern; sie blieben stumm und kosteten vielleicht schon die Poesie des Zurücksehnens.

      Duroy saß seiner Frau gegenüber. Er ergriff ihre Hand und küßte sie langsam und bedächtig.

      »Wenn wir zurück sind, wollen wir öfters bei Chatou essen.«

      »Wir werden soviel zu tun haben,« meinte sie in einem Ton, als wollte sie sagen: »Man muß das Angenehme dem Nützlichen opfern.«

      Er hielt noch immer ihre Hand und überlegte unruhig, auf welchem Wege er zu Zärtlichkeiten übergehen konnte. Vor der Unwissenheit eines jungen Mädchens wäre er dabei weniger in Verlegenheit gewesen, aber die raffinierte Erfahrung und der schnelle Verstand, den er bei Madeleine voraussetzte, machte seine Haltung schüchtern und unsicher. Er fürchtete, in ihren Augen linkisch und albern zu erscheinen, zu ängstlich oder zu brutal, zu langsam oder zu hastig vorzugehen. Er drückte leise ihre Hand, ohne daß sie den Druck erwiderte.

      »Es kommt mir sehr komisch vor,« sagte er, »daß Sie meine Frau sind.«

      »Warum?« fragte sie überrascht.

      »Ich weiß nicht. Ich habe ein seltsames Gefühl; ich möchte Sie küssen und wundere mich, daß ich ein Recht dazu habe.«

      Sie hielt ihm ruhig die Wange hin, und er küßte sie, wie er eine Schwester geküßt hätte.

      Er führ fort:

      »Das erstemal, wo ich Sie sah, erinnern Sie sich, es war bei dem Diner, zu welchem mich Forestier eingeladen hatte, da dachte ich mir: ‘Herrgott, wenn ich nur so eine Frau finden könnte!’ Nun ist es geschehen, ich habe sie.«

      »Es ist reizend«, murmelte sie und sah ihn dabei mit ihren stets lächelnden Augen an.

      Er dachte: »Ich bin zu kalt. Ich bin blöd, ich muß energischer aufs Ziel gehen.« Und er fragte:

      »Wie haben Sie Forestier eigentlich kennengelernt?«

      Sie antwortete herausfordernd und boshaft:

      »Reisen wir denn nach Rouen, um uns von ihm zu unterhalten?«

      Er wurde rot.

      »Ich bin zu dumm. Aber Sie machen mich verlegen und schüchtern.«

      Sie war entzückt:

      »Ich? Nicht möglich! Aber weshalb denn?«

      Er setzte sich ganz dicht neben sie. Da rief sie:

      »Ach, ein Hirsch!«

      Der Zug fuhr durch den Wald von St. Germain, und ein erschreckter Rehbock sprang über eine Lichtung. Duroy hatte sich über sie gebeugt; während sie durch das offene Fenster hinausblickte, drückte er ihr einen langen Liebeskuß auf den Nacken.

      Einige Augenblicke saß sie unbeweglich, dann bog sie den Kopf zurück und sagte:

      »Sie kitzeln mich, jetzt genug.«

      Aber er ließ nicht los, sondern strich leise mit erregender und anhaltender Liebkosung seinen gekräuselten Schnurrbart über ihre weiße Haut.

      Sie zuckte zusammen.

      »Hören Sie doch nun endlich auf!«

      Er schob seine rechte Hand um ihren Kopf, packte und drehte ihn zu sich. Dann warf er sich auf ihren Mund, wie ein Raubvogel auf seine Beute. Sie wehrte sich, stieß ihn zurück; endlich gelang es ihr, sich von ihm loszumachen.

      »Lassen Sie es doch!« rief sie immer wieder.

      Aber er hörte nicht zu, er preßte sie in seine Arme, küßte sie mit bebenden, begierigen Lippen und versuchte, sie auf die Polsterbank zurückzuwerfen.

      Sie riß sich mit aller Gewalt von ihm los und sprang heftig auf:

      »Aber wirklich, Georges, lassen Sie das doch! Wir sind doch keine Kinder, daß wir nicht bis Rouen warten können.«

      Mit rotem Kopf blieb er sitzen; diese vernünftigen Worte hatten ihn sehr ernüchtert; er nahm sich zusammen und sagte in heiterem Tone:

      »Gut, ich werde warten, aber bis Rouen spreche ich keine zwanzig Worte mehr, und bedenken Sie, wir fahren eben erst an Poissy vorbei.«

      »Dann werde ich reden«, sagte sie.

      Und sie setzte sich ruhig wieder neben ihn hin.

      Dann begann sie klar und deutlich darüber zu sprechen, was sie nach ihrer Rückkehr tun würden. Sie würden die Wohnung behalten, die sie mit ihrem ersten Gatten geteilt hatte; außerdem sollte Duroy die Stellung und das Gehalt Forestiers bei der Vie Française erben. Übrigens hatte sie alle finanziellen Einzelheiten des Haushalts mit der Sicherheit eines erfahrenen Geschäftsmannes noch vor der Eheschließung geregelt. Es sollte Gütertrennung herrschen, und es war für alle möglichen Fälle Vorsorge getroffen, für den Tod oder eine Scheidung, ebenso wie für die Geburt eines oder mehrerer Kinder. Der junge Mann brachte nach seiner Aussage viertausend Francs in die Ehe; von dieser Summe hatte er sich fünfzehnhundert ausgeliehen, den Rest hatte er sich während des letzten Jahres erspart. Die junge Frau brachte vierzigtausend Francs in die Ehe mit, die ihr, wie sie behauptete, Forestier hinterlassen hatte. Sie kam wieder auf ihn zu sprechen und stellte ihn als Vorbild hin: er war ein sehr sparsamer, sehr ordentlicher und fleißiger Mensch. Er hätte in kurzer Zeit ein Vermögen erworben.

      Duroy hörte gar nicht hin, denn er war zu sehr mit anderen Gedanken beschäftigt.

      Sie hielt bisweilen inne, um irgendwelchen geheimen Gedanken nachzusinnen und fuhr dann fort:

      »In drei bis vier Jahren werden Sie wohl imstande sein, jährlich dreißigtausend bis vierzigtausend Francs zu verdienen. Soviel hätte auch Charles verdienen können, wenn er am Leben geblieben, wäre.«

      Georges begann die Lektion langweilig zu finden:

      »Ich denke,« erwiderte er, »wir sind nicht nach Rouen gefahren, um davon zu reden.«

      Sie gab ihm einen leichten Klaps auf die Backe und sagte lachend:

      »Es ist wahr, ich war im Unrecht.«

      Er hielt zum Scherz seine Hände auf den Knien, wie ein kleiner, artiger Junge.

      »So sehen Sie recht kindisch aus!« sagte sie.

      »Das ist meine Rolle,« antwortete er, »in die Sie mich eben zurechtgewiesen haben. Ich werde nicht mehr aus ihr herausfallen.«

      »Wieso?« fragte sie.

      »Weil Sie die Oberleitung über den ganzen Haushalt und auch über meine Person übernommen haben; Sie sind Witwe und es wird sich auch so gehören.«

      »Was meinen Sie eigentlich damit?« fragte sie erstaunt.

      »Daß


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