Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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      Julius trat ein in großer Trauer, elegant, geschäftig, sehr geschmeichelt über die Menge der Leidtragenden. Er fragte leise seine Frau etwas, wie sie es wünschte und fügte heimlich hinzu:

      – Die ganze Aristokratie ist gekommen, das macht sich famos!

      Und indem er ernst die Damen grüßte, ging er davon.

      Tante Lieschen und Gräfin Gilberta blieben bei Johanna, wahrend die Handlung vor sich ging. Die Gräfin umarmte sie unausgesetzt und sagte:

      – Meine arme Johanna! Meine Liebe!

      Als Graf Fourville kam, um seine Frau abzuholen, weinte er, als ob er die eigene Mutter verloren hätte.

      X

       Inhaltsverzeichnis

      Die folgenden Tage waren sehr traurig, jene öden Tage in einem Hause, das leer zu sein scheint durch die Abwesenheit eines Familien-Mitgliedes, das für immer verschwunden ist, jene Tage, in denen immerfort das Leid wiederkehrt, wo es wieder ausbricht beim Anblick jedes Gegenstandes, dessen sich der Tote bedient.

      Immerfort kommt irgend eine Erinnerung wieder und peinigt und quält: hier der Stuhl, da der Sonnenschirm, der noch im Flur stehen geblieben, dort ihr Glas, das das Mädchen nicht weggeschlossen hat; in allen Zimmern findet man etwas wieder, ihren Schleier, einen Handschuh, ein Buch, dessen Blätter die Spuren ihrer schwerfälligen Finger tragen, tausend Kleinigkeiten, die eine schmerzliche Bedeutung gewinnen, weil sie an tausend kleine Ereignisse erinnern.

      Ihre Stimme verfolgt uns, man glaubt sie zu hören; man möchte fliehen, irgend wohin, nur dem vertrauten Umgang in diesem Hause zu entgehen, und man muß bleiben, weil andere bleiben, die auch Leid tragen.

      Und dann lastete immer noch unsäglich die Erinnerung dessen auf Johanna, was sie entdeckt hatte, dieser Gedanke bedrückte sie, und ihr gequältes Herz ward nicht gesund. Durch dieses furchtbare Geheimnis fühlte sie sich noch einsamer jetzt, mit ihrem letzten Glauben war ihr letztes Vertrauen geschwunden.

      Nach einiger Zeit ging der Vater fort, es that ihm Not, den Platz zu wechseln, andere Luft zu atmen, von dem ewigen Kummer sich zu befreien, in den er immer mehr versank.

      Und das große Haus, das so nach und nach immer einen seiner Herren verschwinden sah, ward wieder ruhig, und alles ging den gewohnten Gang.

      Dann ward Paul krank. Johanna verlor darüber fast den Verstand, zwölf Tage lang that sie kein Auge zu und nahm fast nichts zu sich.

      Er ward wieder gesund, aber der Gedanke, daß er sterben könnte, war ihr entsetzlich. Was sollte sie anfangen, was sollte aus ihr werden, wenn sie ihn verlor? Und ganz langsam schlich in ihr Herz der dämmernde Wunsch, noch ein Kind zu bekommen. Bald träumte sie davon, und immer kam ihr alter Wunsch ihr zu Sinnen, zwei kleine Wesen um sich zu haben, einen Knaben und ein Mädchen, und das bedrückte sie schließlich förmlich.

      Aber seit dem Fall mit Rosalie lebte sie von Julius getrennt, eine Annäherung schien, so wie die Dinge lagen, unmöglich. Julius liebte anderwärts, das wußte sie, und bei dem bloßen Gedanken, seine Zärtlichkeiten wieder über sich ergehen zu lassen, schüttelte sie sich vor Widerwillen.

      Aber sie hätte sich doch überwunden, so quälte sie der Wunsch, wieder Mutter zu werden, nur fragte sie sich, wie sie das beginnen sollte, sie wäre vor Scham gestorben, hätte sie ihre Absicht merken lassen. Er schien nicht mehr an sie zu denken.

      Sie würde vielleicht die Sache aufgegeben haben, hätte sie nicht jede Nacht geträumt, sie besäße ein Töchterchen. Sie sah es mit Paul unter der Platane spielen, und manchmal kribbelte es in ihr, aufzustehen und ohne ein Wort zu sagen, ihren Mann aufzusuchen. Zweimal schon war sie an seiner Thür, aber sie kehrte jedesmal schnell wieder um, und das Herz schlug ihr vor Scham.

      Der Baron war fort. Mutting, tot. Jetzt hatte Johanna keinen Menschen mehr, den sie hätte um Rat fragen, dem sie ihre intimsten Geheimnisse hätte anvertrauen können. So entschloß sie sich, Abbé Picot aufzusuchen und ihm unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses den schwierigen Plan mitzuteilen, den sie in sich bewegte.

      Als sie kam, las er gerade in seinem kleinen Obstgarten sein Brevier.

      Nachdem sie ein Paar Minuten von diesem und jenem gesprochen hatten, stotterte sie errötend:

      – Herr Pfarrer, ich möchte beichten.

      Er war erstaunt, hob die Brille, um sie zu betrachten, dann fing er an zu lachen:

      – Na, Sie werden doch nicht so viel Sünden auf den Gewissen haben.

      Jetzt ward sie ganz verlegen:

      – Nein, aber ich möchte Sie um Rat bitten, um einen so peinlichen Rat, daß ich nicht wage, so mit Ihnen darüber zu sprechen.

      Sofort verschwand sein gutmütiger Ausdruck und er nahm seine Amtsmiene an:

      – Nun, meine Tochter, ich werde Sie im Beichtstuhl hören, kommen Sie!

      Aber zögernd hielt sie ihn zurück, indem ihr plötzlich doch ein Bedenken kam, von diesen etwas unpassenden Dingen in der Stille der leeren Kirche zu sprechen:

      – Oder…. nein, Herr Pfarrer…. ich kann …. wenn Sie wollen, Ihnen sagen, was mich herführt. Wir wollen uns da drüben in Ihre kleine Laube setzen.

      Langsam gingen sie hin, sie suchte nach Worten.

      Nachdem sie sich gesetzt, begann sie, als wollte sie beichten: »Ehrwürdiger Vater!« dann zögerte sie, dann wiederholte sie: »Ehrwürdiger Vater!« Nun schwieg sie in tötlicher Verlegenheit.

      Er hatte die Hände über dem Bauche gekreuzt. Als er ihre Verlegenheit sah, machte er ihr Mut:

      – Nun, meine Tochter, es ist ja, als wagten Sie es nicht; fassen Sie Mut.

      Sie entschloß sich, wie ein Feigling, der sich in die Gefahr stürzt:

      – Ehrwürdiger Vater, ich möchte ein zweites Kind.

      Er sagte nichts, da er nicht verstand. Da erklärte sie sich näher und stotterte ganz verstört:

      – Ich stehe jetzt allein auf der Welt. Mein Vater und mein Mann sind nicht gut mit einander, meine Mutter ist tot, und, und … – Nun zitterte sie und sagte ganz leise: – Und neulich hätte ich beinahe meinen Sohn verloren. Was sollte da aus mir werden?

      Sie schwieg. Der Priester blickte sie verständnislos an und sagte:

      – Nun, und die Thatsachen?

      Da wieberholte sie:

      – Ich möchte ein zweites Kind haben.

      Er lächelte; denn er war an die groben Scherze der Bauern gewöhnt, die ihm gegenüber kein Blatt vor den Mund nahmen, und antwortete, indem er listig den Kopf erhob:

      – Nun, ich denke, das liegt doch ganz bei Ihnen.

      Sie blickte ihn offenherzig an, dann stammelte sie verlegen:

      – Aber …. aber …. Sie werden begreifen …. daß, seitdem …. seitdem …. was Sie von dem Mädchen wissen, mein Mann und ich haben …. ganz getrennt gelebt….

      Er, der an den Mischmasch und die Sittenlosigkeit der Bauern gewöhnt war, war erstaunt über diese Entdeckung; dann glaubte er plötzlich, den wirklichen Wunsch der jungen Frau zu erraten. Er sah sie von der Seite an, voll Wohlwollen und Sympathie für ihre Verzweiflung:

      – Ja, ich verstehe vollkommen, ich verstehe, daß Ihre .. Ihre .. Witwenschaft Sie bedrückt. Sie sind jung und gesund, es ist natürlich, ganz natürlich!

      Er fing an zu lachen, indem seine derbe Art des Landpfarrers mit ihm durch ging, und er tätschelte Johannas Hand:

      – Es ist gestattet, durchaus gestattet durch die Gesetze. Sie sind doch verheiratet. Das ist doch nicht bloß, um Rüben zu stechen.

      Sie


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