Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
– O Herr Pfarrer, was denken Sie denn? Ich schwöre, .. ich schwöre.. – und sie konnte vor Weinen nicht sprechen.
Sie wußte nicht mehr, was sie sagen sollte. Er war überrascht und tröstete sie:
– Na, ich habe Ihnen ja nicht weh thun wollen. Ich machte einen Spaß, wenn mans gut meint, ist das doch erlaubt. Zählen Sie nur auf mich, ich werde einmal mit Herrn Julius sprechen.
Jetzt wollte sie seine Hilfe ablehnen, die, wie sie meinte, gefährlich sein könnte und ungeschickt, aber sie wagte es nicht und ging davon, mit den Worten:
– Ich danke Ihnen, Herr Pfarrer.
Acht Tage verstrichen, sie lebte in ungeduldiger Angst.
Da blickte Julius sie eines Abends bei Tisch lächelnd an, mit einem Lächeln auf den Lippen, daß sie an ihm kannte, wenn er guter Laune war. Er hatte sogar eine gewisse, unmerkliche, ironische Galanterie gegen sie, und wie sie nachher in Muttings Allee spazieren gingen, flüsterte er ihr leise ins Ohr:
– Wir sind also versöhnt?
Sie antwortete nicht. An der Erde bemerkte sie eine sich gerade hinzichende Fußspur, die jetzt fast unsichtbar geworden, da das Gras nachgewachsen war. Es war die Spur des Fußes der Baronin, fast verblaßt wie eine Erinnerung verblaßt. Johanna fühlte, wie ihr Herz sich zusammen krampfte in tiefster Traurigkeit. Sie fühlte sich wieder allein im Leben, von allen Menschen geschieden.
Julius begann:
– Mir soll es recht sein. Ich hatte Angst, Dir ungelegen zu kommen.
Die Sonne ging unter, die Luft war mild. Die Lust zu weinen bedrückte Johanna, in einem jener Momente, wo man das treue Herz eines Freundes ersehnt, das Bedürfnis fühlt, zu umarmen und sein Leid zu klagen. Ein Schluchzen kam aus ihrer Kehle, sie öffnete die Arme und sank an Julius’ Brust.
Sie weinte, er blickte erstaunt nieder auf ihr Haar, denn ihr Gesicht konnte er nicht sehen, das sie an seiner Brust versteckt. Er dachte, sie liebte ihn noch und drückte einen nachsichtigen Kuß auf ihren Scheitel.
Dann gingen sie, ohne ein Wort zu sprechen ins Haus. Er folgte ihr in ihr Zimmer und blieb bei ihr.
Und ihre ehelichen Beziehungen begannen wieder, er erfüllte sie wie eine Pflicht, die ihm jedoch nicht unangenehm zu sein schien, und sie überwand es wie eine peinliche, entsetzliche Notwendigkeit, mit dem Entschluß, auf immer aufzuhören, sobald sie sich Mutter fühlen würde.
Aber sie bemerkte bald, daß die Zärtlichkeit ihres Mannes anders zu sein schien, als früher, vielleicht raffinierter aber weniger vollständig. Er behandelte sie wie ein diskreter Liebhaber und nicht wie ein ruhiger Gatte.
Sie war erstaunt, beobachtete und bemerkte, daß sie so ihren Zweck nicht erreichen könnte.
Da flüsterte sie ihm eines Nachts Mund auf Mund zu:
– Warum schenkst Du Dich mir nicht mehr wie früher?
Er lachte:
– Um Dich nicht Mutter werden zu lassen!
Sie zitterte:
– Warum willst Du denn kein Kind m»hr?
Er war ganz erschrocken:
– Was, bist Du denn verrückt? Noch ein Kind? Fällt mir gar nicht ein! Ein Kind, das immer schreit und alle Welt in Anspruch nimmt und Geld kostet! Eins ist doch schon genug! Noch eins? Ich danke schön!
Da nahm sie ihn in die Arme küßte ihn und sagte:
– Ich bitte Dich, mach mich noch einmal Mutter!
Aber er ward böse, als ob sie ihn beleidigt hätte:
– Du hast wohl den Kopf verloren! Bitte schweig!
Sie schwieg und nahm sich vor, ihn durch List zu bewegen, ihr das Glück zu schenken, von dem sie träumte. Da suchte sie die Umarmungen zu verlängern und spielte eine Komödie voll verzweifelter Glut, preßte ihn an sich, gebrauchte alle Listen, aber er blieb Herr seiner selbst und vergaß sich nicht ein einziges Mal.
Doch ihr verzweifelter Wunsch ließ sie nicht in Ruhe, und, bereit alles zu wagen, alles zu versuchen, kehrte sie zum Pfarrer Picot zurück.
Er war eben beim Frühstück, aß und war dunkelrot, denn nach der Mahlzeit hatte er immer Herzklopfen. Sobald er sie eintreten sah, rief er:
– Nun?
Er wollte gern den Erfolg seiner Vermittelung kennen lernen.
Jetzt war sie entschlossen, schämte sich nicht mehr und sagte:
– Mein Mann will kein Kind weiter.
Der Pfarrer drehte sich zu ihr um, ganz dabei und bereit, mit einer gewissen Priesterneugier in diesen ehelichen Geheimnissen herum zu stöbern, die ihm sein Amt scherzhaft machten. Er fragte:
– Wie so denn? Kommt er nicht zu Ihnen?
Da sagte sie:
– Ja, aber er .. er.. weigert sich, mich Mutter zu machen.
Der Pfarrer begriff, er kannte diese Dinge, und er begann, wie ein Fastender nach den Leckerbissen verlangt, nach allen Einzelheiten genau zu fragen.
Dann dachte er ein paar Augenblicke nach und sagte ganz ruhig, als ob er von einer günstigen Ernte spräche, ihr alles feststellend und ihr einen Plan entwerfend, wie sie sich geschickt benehmen sollte:
– Liebe Tochter, für Sie giebt es nur ein Mittel, lassen Sie ihn glauben, daß Sie Mutter sind, dann hütet er sich nicht mehr und Sie werden es wirklich.
Sie ward dunkelrot, aber zu allem entschlossen, fragte sie: – Aber wenn er es nicht glaubt?
Der Pfarrer kannte das Mittel, die Männer dahin zu bringen, wo man sie haben will:
– Reden Sie einfach überall davon, erzählen Sie allen, daß Sie Mutter werden, da wird er es auch glauben.
Dann fügte er hinzu, als wollte er sich von einer Schuld frei sprechen:
– Das ist Ihr Recht, die Kirche duldet den Verkehr zwischen Mann und Frau nur wenn er den Zweck hat, die Familie fortzupflanzen.
Sie befolgte seinen gerissenen Rat, und vierzehn Tage später sagte sie es Julius. Er erschrack:
– Das ist unmöglich, das ist nicht wahr!
Sie gab ihm sofort den Grund ihres Verdachtes an. Er beruhigte sich und sagte:
– Ach, wir wollen es mal abwarten, Du wirst sehen, Du irrst Dich.
Dann fragte er jeden Morgen:
– Nun?
Sie antwortete:
– Nein noch nicht! Es sollte mich sehr wundern, wenn es nicht so wäre.
Jetzt beunruhigte er sich, war wütend und verzweifelt und ebenso sehr überrascht. Er sagte:
– Ich kann das nicht verstehen. Ich begreife gar nicht, wie das möglich ist, ich lasse mich drauf hängen.
Nach vier Wochen verbreitete sie allerwärts die Nachricht, nur Gräfin Gilberts sagte sie es aus einer Art zarter Scham nicht.
Julius kam ihr in seiner ersten Wut nicht zu nahe, dann fand er sich ärgerlich damit ab, erklärte: »Das wird ein ungebetener Gast!« und suchte seine Frau wieder auf.
Was der Priester vorher gesehen, traf ein: Nun ward sie Mutter.
Da verriegelte sie alle Abende, überwältigt von ungestümer Freude, ihre Thür und gelobte sich in einem plötzlichen Gefühl der Dankbarkeit gegen die ungewisse Gottheit, die sie verehrte, ewige Keuschheit.
Sie fühlte sich wieder beinahe glücklich und wunderte sich, wie schnell der Schmerz um den Verlust der Mutter besänftigt Worden. Sie hatte gemeint, untröstlich zu sein, nun schloß sich nach kaum zwei Monaten die offene Wunde, es blieb ihr nichts, als eine zärtliche Melancholie, wie ein Trauer-Schleier,