Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Grabenrande, der mit Bäumen bepflanzt war, und blickte ihm lange nach, dann kehrte sie angstgequält, als sie ihn aus den Augen verloren, wieder heim.

      Er war nach rechts zu abgebogen und hatte zu laufen angefangen. Das unruhige Meer wälzte seine Wogen heran, ganz schwarze Wolken zogen mit rasender Schnelligkeit dahin, und immer, immer folgten andere. Und jede peitschte die Küste mit einem Regenschauer. Der Wind pfiff und stöhnte, bog das Gras nieder, legte die junge Saat zu Boden und trieb Schaumflocken, wie große, weiße Vögel weit hinein ins Land.

      Die Tropfen, die einander folgten, peitschten das Gesicht des Grafen, näßten ihm die Wangen und den Bart, an dem das Wasser herablief, brausten in seinen Ohren und rüttelten sein Herz auf.

      Dort drüben öffnete sich vor ihm das tiefe Thal von Vaucatte. Dort stand eine Schäferhütte, und zwei Pferde waren an die Deichsel des rollenden Hauses gebunden. Bei diesem Wetter hatten die beiden nichts zu fürchten.

      Sobald der Graf die Pferde entdeckte, duckte er sich zu Boden und schlich auf Händen und Füßen, wie ein Riesenungetüm, schmutzbedeckt, die Pelzmütze auf dem Kopf, heran.

      Er kroch bis zur einsamen Hütte und versteckte sich darunter, damit jene ihn durch die Ritzen des Bretterbodens nicht sehen sollten.

      Die Pferde, die sein Herankommen bemerkt, wurden unruhig. Langsam schnitt er mit seinem Messer, das er offen in der Hand hielt, die Zügel durch, und bei einem heftigen Windstoß entflohen die Tiere, gepeitscht vom Hagelschauer, der auf das schräge Dach des Holzhäuschens, das auf seinen Rädern erzitterte, niederprasselte. Da richtete sich der Graf auf, legte seine Augen unten an die Thürritze und lugte hinein. Er blieb unbeweglich, er schien, zu warten. Es verging einige Zeit, plötzlich stand er auf, bespritzt von oben bis unten. Mit aller Kraft schob er den Riegel zu, der von außen die Thür verschloß, dann packte er die Deichsel und begann das Häuschen zu schütteln als ob er es in Stücke brechen wollte. Darauf spannte er sich plötzlich davor, indem er seinen Riesenleib mit gewaltiger Anstrengung zusammenkrümmte und nun keuchend zog, wie ein Stier. Er zog das Haus, mit den beiden, die darin waren, bis an den Abhang. Drinnen brüllten sie und donnerten an die Wand, sie begriffen nicht, was mit ihnen geschah.

      Als er an den Absturz gekommen war, ließ er das leichte Holzhaus los, das die steile Böschung hinunter zu rollen begann. Es beschleunigte seine Fahrt, raste dahin, immer schneller, stolperte wie ein Tier, da die Deichsel auf die Erde aufstieß.

      Ein alter Bettler, der in einem Graben Unterschlupf gesucht hatte, sah es über seinen Kopf hinwegsausen und hörte ein markerschütterndes Geschrei in dem Holzkasten.

      Da brach bei einem Aufstoß ein Rad, und die Hütte legte sich auf die Seite und begann zu rollen, wie ein herabstürzendes Haus vom Gipfel eines Berges herunter kollern würde. Als sie an den Rand des Hohlwegs kam, sprang sie in die Höhe, beschrieb einen Bogen, stürzte hinab, und zerbrach wie ein Ei.

      Sobald sie unten auf den Felsen zerschlagen war, stieg der alte Bettler, an dem sie vorüber geschossen, langsam hinab. Doch mit Bauernpfiffigkeit wagte er sich nicht an das zerbrochene Haus heran, sondern ging zum nächsten Bauernhof, um das Unglück zu melden.

      Man lief herbei, räumte die Trümmer bei Seite und fand zwei Körper. Sie waren zerschlagen, zerbrochen und mit Blut bedeckt. Der Mann hatte die Stirn gespalten und das Gesicht zerschmettert, der Unterkiefer der Frau hing herab, durch einen Aufschlag vom Gesicht abgetrennt, und ihre zerbrochenen Glieder waren weich, als wären keine Knochen darin.

      Aber man erkannte sie und stellte lange Betrachtungen an über die Ursache des Unglücks.

      – Was haben Sie denn in der Hütte gemacht? fragte eine alte Frau. Da erzählte der Bettler, daß sie sich wahrscheinlich in die Hütte geflüchtet vor dem schrecklichen Unwetter, und daß der Wind das Häuschen ins Rollen gebracht. Und er erzählte, daß er sich selbst gern darin versteckt hätte, dah er aber die beiden Pferde die an der Deichsel angebunden waren, gesehen, und so gemerkt hätte, daß die Hütte besetzt sei. Er fügte mit zitternder Stimme hinzu:

      – Wie gut, sonst wäre ich krepiert!

      Jemand sagte:

      – Nun, wäre das nicht besser gewesen?

      Da bekam der gute Mann einen fürchterlichen Wutanfall:

      – Warum soll das besser sein? Weil ich ein armes Luder bin und die reich sind?

      Und zitternd, während ihm das Wasser herablief über den verwirrten Bart und die langen Haare, deutete er mit seinem Krückstock auf die beiden Leichen und sagte:

      – Vor dem Tode sein mer alle gleich.

      Aber andere Bauern waren dazu gekommen und blickten von der Seite unruhig, heimlich erschreckt und beängstigt zu. Dann wurde beraten, was man thun sollte, und sie kamen überem, die Körper in die Schlösser zu bringen, indem sie auf eine Belohnung hofften.

      Es wurden also zwei Karren angespannt, aber eine neue Schwierigkeit trat ein. Die einen wollten einfach Stroh hinein legen, die andern meinten, es wäre schicklich, Matrazen zu nehmen. Die Frau, die vorhin gesprochen hatte, sagte:

      – Aber die Matrazen würden ja ganz voll Blut und müßten doch wieder gewaschen werden.

      Da antwortete ein dicker Bauer mit fröhlichem Schmunzeln:

      – Die müssen se doch bezahlen. Je scheener wir’sch machen, desto teurer wird’s.

      Das entschied, und die beiden federlosen rumpeligen Karren mit ihren rohen Rädern, fuhren im Trabe davon, einer rechts und einer links, indem sie bei jedem Ruck in den tiefen Räderspuren der Wege die Überreste der Wesen, die sich umarmt hatten und nun nie wieder zu einander kommen würden, durcheinander schüttelten und warfen.

      Sobald der Graf die Hütte den Abhang hatte hinab rollen sehen, war er, so schnell er konnte, durch Regen und Sturm entflohen. Ein paar Stunden lang lief er so dahin, Hecken und Gräben überspringend, und ohne zu wissen wie, war er bei einbrechender Dunkelheit zu Haus.

      Die Dienerschaft erwartete ihn und kündete ihm an, daß die beiden Gäule eben ohne Reiter wiedergekommen, da Julius’ Pferd dem andern nachgelaufen war.

      Da verlor der Graf die Haltung und sagte mit abgehackter Stimme:

      – Es wird ihnen bei dem furchtbaren Unwetter etwas zugestoßen sein! Geht alle suchen!

      Er entfernte sich selbst wieder, aber sobald er außer Sehweite war, versteckte er sich unter einem Dornenbusch und spähte nach der Straße hinüber, auf der tot oder sterbend, verstümmelt oder auf immer entstellt, diejenige gebracht werden mußte, die er noch mit wütender Leidenschaft liebte.

      Und bald kam ein Karren an ihm vorüber, der etwas Seltsames trug. Er hielt vor dem Schloß, fuhr dann hinein. Das war sie! Ja! Ja! Aber eine entsetzliche Angst bannte ihn auf den Fleck, die furchtbare Angst zu erfahren, was geschehen, ein Grauen vor der Wirklichkeit. Und er bewegte sich nicht, zusammen gekauert wie ein Hase, zusammenzuckend beim geringsten Geräusch.

      Er wartete eine Stunde, zwei Stunden vielleicht. Der Karren kam nicht wieder zurück, und er sagte sich, daß seine Frau gestorben. Aber der Gedanke sie zu sehen, ihrem starren Blicke zu begegnen, erfüllte ihn mit solchem Entsetzen, daß er plötzlich fürchtete, in seinem Versteck gefunden und gezwungen zu werden, diesem Todeskampf beizuwohnen. Und er floh noch tiefer in den Wald.

      Da überlegte er sich, daß sie vielleicht Hilfe brauchte, daß niemand sie pflegen könnte, und spornstreichs rannte er ins Schloß zurück.

      Als er heimkehrte, traf er den Gärtner. Sofort rief er ihn an:

      – Nun? Der Mann wagte nicht zu antworten. Da hielt ihn der Graf Fourville fest:

      – Ist sie tot? Und der Diener stammelte:

      – Ja, Herr Graf!

      Ein Gefühl der Erleichterung, eine plötzliche Ruhe kam über ihn und seine bebenden Nerven, und festen Schrittes stieg er die Treppe hinauf.

      Die andere Karre war nach Les Peuples gefahren worden. Johanna sah sie von weitem, gewahrte die Matraze, erriet, daß ein


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