Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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unserer Herrschaft gehorsam in allen rechten Dingen, versicherte Letzkau, aber sie soll uns nicht schelten, wenn wir unsere Gerechtsame wahren.

      Ist das eure Antwort an den Herrn Komtur?

      Das ist unsere Antwort, lieber Herr.

      Der Ritter grüßte eilig und ging nach der Tür. Dort aber wandte er sich noch einmal zurück. Ich will euch einen Vergleich bieten auf eigene Hand, sagte er. Die Frage mag unentschieden bleiben, bis der Herr Hochmeister und sein Kapitel darüber befinden. Halten wir indes für diesmal das Gericht gemeinsam auf dem Rathause der Jungstadt.

      Nie und nimmer, rief Hecht, nie und nimmer!

      Letzkau aber schob ihn zurück und erwiderte gelassener: Ihr bietet einen Vergleich, lieber Herr; darüber wollen wir nicht absprechen, ohne die Unsrigen befragt zu haben. Wir werden in so wichtiger Sache den Gemeinen Rat berufen – zu morgen Sonntag nach der Messe, damit nichts übereilt werde. Was der Gemeine Rat beschließt, das ist uns Gebot, und ich will's dem Hause melden lassen durch unseren Schreiber.

      Damit reichte er dem Ritter die Hand, in die dieser, wenn auch zögernd, einschlug. Ich behalte ebenso meinem Herrn alle seine Befehle vor, sagte er und verließ das Gemach.

      Die beiden Bürgermeister berieten noch eine Weile miteinander, was zu tun sei. Darüber waren sie ganz einig, daß der anberaumte Richttag nicht hinauszuschieben sei.

      Draußen vor der Treppe hatte sich viel neugieriges Volk versammelt. Es geschah nur selten, daß einer der Ordensbeamten aufs Rathaus kam, und gewöhnlich war dann irgend etwas Bedenkliches vorgefallen. Aber die beiden Bürgermeister sprachen niemand an, sondern gingen still und ernst über die Straße, und auch die Ratsboten, die ihnen bald nachfolgten, wußten nur, daß der Gemeine Rat morgen nach der Messe berufen sei. Der Gemeine Rat! Das mußte etwas zu bedeuten haben.

      6. IM ARTUSHOF UND IM SCHÖPPENSTUHL

       Inhaltsverzeichnis

      Als gegen Abend nach dem Vesper vom Dache des Artushofes her, wie an allen anderen Tagen, das Zeichen mit der »Bierglocke« gegeben wurde und die Türen des stattlichen Baues am Langen Markt sich öffneten, zeigte sich der Zudrang ungewöhnlich groß. Allerhand Gerüchte hatten sich durch die Stadt verbreitet, und wer berechtigt war, im Artushof zu erscheinen, glaubte diesmal nicht fehlen zu dürfen, da sich vielleicht beim Kruge Bier etwas Näheres erfahren ließ.

      Berechtigt, in die große, hochgewölbte Halle einzutreten, war aber nicht jeder Bürger der Stadt. Ausgeschlossen waren schon damals, obgleich erst einige Jahre später des Hofes Ordnung urkundlich festgestellt wurde, die Handwerker, Kleinkrämer, die »zu Pfennigswert« verkauften, die kleinen Schenkwirte, auch alle, die binnen Jahresfrist im Dienste anderer um Lohn gearbeitet hatten. Daß Leute von unsittlichem Lebenswandel nicht eingelassen wurden, konnte sich von selbst verstehen. Mitglieder des Hofes waren danach nur die Großhändler, Gewandschneider, Krämer, Seeschiffer und die Brauer, die sich nicht zu den Handwerkern rechneten, wennschon sie zünftige Genossenschaften bildeten und vom Rate ferngehalten wurden. Zutritt zum Hofe hatten auch die in Danzig zu Handelsgeschäften weilenden Holländer, und sie besaßen sogar eine eigene Bank, während man die Engländer nicht leiden mochte, weil sie den Einheimischen den Markt verdarben, weshalb denn auch wiederholt Verbote ergingen, daß niemand ihnen Keller und Läden zur Lagerung ihrer Waren vermieten sollte. Auch die Seeschiffer hatten ihre besondere Bank und hielten auch sonst zusammen, wie sie denn schon vor Jahren in der Dominikanerkirche ihre Vikarie gestiftet hatten. Ebenso setzten sich die Mitglieder anderer Genossenschaften zueinander. An diesem Abend waren bald sämtliche Bänke dicht besetzt, und der Kellermeister mit seinen Knechten hatte alle Hände voll zu tun, die Bierkrüge aus den großen Kannen zu füllen. Von den vier gewählten Alderleuten waren heut drei anwesend und hielten auf gute Ordnung. Der Torwächter aber, der die Gäste einließ, sorgte zugleich dafür, daß der Gang in der Mitte frei blieb, damit die Herren vom Rat ungefährdet Durchgang nach dem »kleinen Hof« hätten.

      Es gab nämlich neben dem großen noch einen kleinen Hof, ein anstoßendes Gemach, dessen Fenster nach der Krämergasse hinausgingen. Das hatte sich die St.-Georgen-Brüderschaft zu ihren Zusammenkünften vorbehalten. Zu dieser Brüderschaft aber gehörten die Junker und die Schöppen. Anfangs mochten sie wohl gar nur die ritterbürtigen Geschlechter umfaßt haben, die sich in der Stadt niedergelassen hatten und Handelschaft betrieben. Dann aber hatte sie auch nach und nach die Familien aufgenommen, aus deren Mitte Ratmannen und Schöppen hervorgegangen waren, und so vereinte nun der kleine Hof auf seinen beiden Bänken, der Junkerbank und der Schöppenbank, alles, was zum Rat gehörte. Auch hier standen vier Alderleute an der Spitze, deren einer zugleich den zugehörigen Junkergarten beaufsichtigte. Ein Junkerknecht und ein Schöppenknecht bedienten die beiden Bänke und hielten sich deshalb für ausgezeichnet vor ihren Genossen im großen Hof. Jedenfalls flossen ihnen die Trinkgelder am reichlichsten.

      Hierher in den kleinen Hof nun führte Tidemann Huxer seine Gäste, die beiden Junker Heinz von Waldstein und Hans von der Buche. Bartholomäus Groß begleitete sie mit freundlichem Urlaub seiner Hausfrau. Der Ordnung gemäß wurden sie den anwesenden Alderleuten vorgestellt und von denselben mit ihrem Namen in ein Buch eingeschrieben. Denn nicht jeder Fremde durfte von den Georgsbrüdern hier zu Gast geladen werden; man hielt darauf, daß der Gast »bei Schildesamt geboren oder dazu erwählet« war. Das hatte nun bei den beiden Junkern kein Bedenken, und so wurden ihnen denn sogleich ihre Plätze, dem einen auf der St.-Georgen-, dem andern auf der Schöppenbank angewiesen. Huxer und Groß machten sie mit ihren Nachbarn bekannt, soweit dies noch nötig war, und die Knechte füllten ihnen den Krug voll schäumenden Bieres mit der Mahnung, sich's gut schmecken zu lassen und im Trinken nicht säumig zu sein.

      Arnold Hecht saß schon unter den Georgsbrüdern und hatte seinen Krug mehrmals geleert. Sein rundes Bäuchlein vertrug eine gute Ladung, und heute meinte er nach des Tages Last und Hitze vollauf berechtigt zu sein, sich zu stärken. Es gab in dieser Frühjahrszeit überall in den Kontoren viel zu tun, und er war als ein rühriger Kaufmann bekannt, der über seinem Ehrenamt nicht sein Geschäft vernachlässigte. So hatte er nun in der Eile noch einige Weichselkähne mit Holz und Heringen beladen in der Hoffnung, sie noch schnell genug nach Polen einzubringen, bevor der Krieg losbräche. Es war ihm nicht lieb gewesen, als er gegen Mittag abberufen wurde, auf dem Rathause zu verhandeln, und die Verhandlung selbst hatte ihn so aufgeregt, daß ihm dann das kalt gewordene Essen nicht schmecken konnte und der gewohnte Nachmittagsschlaf versagte. So war er denn jetzt in der Stimmung, sich's für all diese Unbill des Tages recht wohl sein zu lassen. Das runde Gesicht glühte ihm, und die Zunge war redselig. Natürlich wußten bald beide Bänke, was der Hauskomtur auf dem Rathause gewollte hatte, und es begann nun ein Meinungsaustausch darüber, der so laut wurde, daß auch die Artusbrüder im großen Hof bald wußten, um was es sich handelte, zumal der Kellermeister ab und zu ging und wichtige Nachrichten vermittelte. Man hatte nun einmal die gewünschte Gelegenheit, sich frei von der Leber weg gegen die Schloßherren auszusprechen, und brauchte hier in der Wahl der Worte nicht vorsichtig zu sein.

      All der alte Groll darüber, daß der Orden durch seine Schäffer selbst Kaufmannschaft treibe und auf die Verbindung der großen Städte mit der Hansa scheel sehe, da er sie in früherer Zeit doch zu seinem eigenen Vorteil begünstigte, kam wieder zutage, und jeder hatte ein Klagelied zu singen, in das dann der Chor vollstimmig einsetzte.

      Der Orden ist undankbar, rief Hecht, das ist eine alte Erfahrung. Kommt es ihm darauf an, die mächtige Hansa auf seine Seite zu ziehen, um in fremden Ländern Vorteile zu gewinnen und günstige Verträge abzuschließen, so weiß man uns allemal zu finden. Dann sind wir des Herrn Hochmeisters liebe Getreue! Und wir lassen uns auch die Ehre etwas kosten. Wann ist Konrad Letzkau nach Lübeck gegangen oder nach Kauen, ohne vom Herrn Hochmeister Briefe mitzunehmen und Aufträge als dessen Bevollmächtigter? Wem dankt der Orden den freundlichen Abschluß des Streites mit der Königin Margarethe wegen Gotland, als ihm? Und wenn wir mit Herzog Witowd jahrelang ganz leidlich gestanden haben und die Grenzburgen von den Szamaiten und Litauern wenig belästigt sind, ist nicht daß auch hauptsächlich auf sein Konto zu schreiben? Und ich selbst, ihr Herren – bin ich nicht dem gnädigen


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