Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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gute Fürsprecher habt.

      Junker Hans griff sogleich in die Tasche und erlegte die Buße für den Alten. So waren die Händel geschlichtet, freilich nicht ganz nach dem Sinne des Waldmeisters, der nicht mitschuldig zu sein meinte. Die Junker nahmen ihn zwischen sich und führten ihn fort. Sie traten mit ihm in ein Brauhaus ein, an dessen Türpfosten eine Kanne hing, durch deren Henkel ein Birkenreis gesteckt war, zum Zeichen, daß hier junges Gebräu ausgeschenkt werde. Im Flur standen ein paar Tische von weißem Holz und Bänke auf beiden Seiten, nur für den Tagesgebrauch hingestellt, denn das Ausschenken im Hause ging nach der Ordnung reihum bei den Brauern. Der Hausherr selbst zapfte es den Gästen, lobte die reine Farbe und die Klarheit des Gebräues und setzte sich selbst mit einem Kruge zu ihnen. Hans von der Buche ließ sich von seiner Heimat berichten, wie es dem Vater gehe und der Schwester. Der Ritter war wohlauf, da ich ihn zuletzt sah, versicherte der Waldmeister, und Eure Schwester werdet Ihr kaum wiedererkennen nach diesen drei Jahren, die Ihr in der Fremde verlebtet, Junker, so groß und schön ist sie geworden. Gott wolle ihr bald einen braven Mann zuführen, wie sie's verdient. Schönheit ist ein zweifelhaftes Geschenk, den einen läßt's erwerben, den andern verderben. Nie zu früh mag der Mann sein Glück preisen, der eine schöne Tochter hat, denn keine Stunde ist er seines Gutes sicher. Nun – ich hoffe, der Ritter hat nichts zu besorgen.

      Du sprichst, Alter, als hättest du selbst traurige Erfahrungen gemacht, bemerkte Hans lachend. Ich weiß ja aber besser, daß du nicht Weib, nicht Kind hast, sondern einsam wie eine Eule in deinem Waldnest hausest.

      Laßt das, Junker, laßt das, knurrte der Waldmeister, die Stirn in tiefe Falten ziehend. Es lebt selten einer, wie er mag, sondern wie's ihm vorbestimmt ist. Wir müssen's hinnehmen!

      Herbergst du noch die Waidelotten in dem alten, waldbewachsenen Burgwall an dem Melno-See? fragte Hans abbrechend. Abkömmlinge von heidnischen Preußen, deren Christentum verdächtig genug ist. Die alte Kräuterfrau, die Gudawe, lebt doch noch, die mich einmal in schwerer Krankheit vom Tode gerettet hat? Du besinnst dich, daß wir sie an einem Herbstabend besuchten, als uns auf der Jagd das Wetter überfiel. Es standen noch mehr Hütten in der Umwallung, und das Volk, das darin hauste, sah danach aus, als ob es sich zu verstecken Grund hätte. Wie es dann blitzte und donnerte, daß man an Weltuntergang hätte glauben mögen, standen ihrer einige unter dem mächtigen Eichbaum und sprachen Gebete, und das Bildwerk oben unter den Laubzweigen schien mir nicht der gekreuzigte Heiland zu sein.

      Es ist nicht gut, davon zu sprechen, Junker, sagte der Alte kopfschüttelnd. Ich wünschte, Ihr hättet das vergessen. Die Leute leben friedlich und tun niemand Schaden. Sie wissen, wo die Waldbienen ihren Honig speichern, und sind von ihnen gekannt. Im Herbst kommen sie zu mir ins Waldhaus und tauschen ein, was sie für den Winter bedürfen. Ob sie zu dem rechten Gott beten, weiß ich nicht; sie geben ihm mancherlei Namen, von denen wohl die Kirche nichts wissen mag. Es wäre mir leid, wenn man sie störte, denn sie sind mir gute Gesellen in meiner Einsamkeit. Ihr wißt, es ist eine Verordnung gegeben gegen die Waidelotten und Pilwaiten im Lande, die man für heidnisch hält, und wenn der Kulmer Bischof erfährt –

      Sei ohne Sorge, Alter, fiel der Junker ein, ich verrate deine Schützlinge nicht, und meinetwegen mögen sie sich's wohl sein lassen in ihrem Versteck und im Schatten ihrer Eiche. Wann gedenkst du zurückzukehren, Gundrat?

      Morgen mit dem frühesten, Junker, da ich mein Geschäft beendet habe. Ein Schiffer, der Heringe nach Thorn bringt, nimmt mich mit. Es gefällt mir auch nicht in der großen Stadt, wo die Menschen einander überlaufen und die Häuser das Sonnenlicht absperren. Da ist's besser im stillen Walde. So grüße mir den Vater und die Schwester herzlich, Alter, und sage ihnen, daß ich einem Freunde zur Gesellschaft hier noch die Pfingstfeiertage zu verleben gewillt bin, dann aber zu ihnen eile. Es wäre mir lieb, wenn in Graudenz für mich ein Pferd eingestellt würde, daß ich keinen Aufenthalt hätte.

      Dafür will ich sorgen, erwiderte der Waldmeister, den Hut auf das lange weiße Haar drückend. Er musterte Heinz wieder mit forschenden Blicken und fragte nach einer Weile: Ist der Euer Freund, Junker?

      Hans bestätigte es, und Heinz erkundigte sich nun, ob ihm etwas an seiner Person auffällig sei, daß er ihn so prüfend betrachte.

      Ich denke, Ihr waret schon einmal in Preußen, Herr? sagte Gundrat zögernd.

      Wahrhaftig nicht! rief Heinz. Meine Heimat ist Thüringen, und ich verließ sie nicht bis zu dieser Reise.

      Der Alte wiegte den Kopf. Ich hätte schwören mögen, Euch schon einmal gesehen zu haben, aber wenn Ihr versichert – gewiß, es muß ein Irrtum sein. In Thüringen bin ich auch zu Hause, aber als ich von dort auswanderte, mochtet Ihr erst wenige Jahre zählen. Meine Augen werden unsicher – es ist ein Irrtum. Er verabschiedete sich und ging dem Wassertor zu.

      Ein wunderlicher Alter, meinte Heinz. Sein finsterer Blick und sein jähzorniges Wesen gefallen mir nicht, und doch ist in seiner Art wieder etwas Kräftiges, Verläßliches, das man liebgewinnen muß.

      Hans erzählte, daß man gar nicht wisse, wie lange er schon im Lande sei. Heute erfahre er zum ersten Male, daß er aus Thüringen einwanderte. Sein Vater habe ihn vor siebzehn oder achtzehn Jahren in seinem Walde am Melno-See gefunden, wo er sich wie ein Einsiedler eingerichtet hatte. Da sich ergab, daß er des Forstwesens und der Jagd kundig, habe er ihn, um ihn nicht vertreiben zu müssen, als Waldmeister angestellt. Ich habe als Knabe lange Zeit Scheu vor ihm gehabt, setzte er hinzu, und er war früher auch noch finsterer und bissiger. Ich meinte immer, er müßte irgend etwas Schweres auf dem Gewissen haben, daß er in den Wald geflohen sei und sich ungern vor den Menschen blicken lasse. Aber ihn danach zu fragen, wagte ich nie. Wie er sich bei uns geführt hat, kann man ihm nichts Schlimmes nachsagen.

      Heinz forderte keine weitere Auskunft. Er hatte seinen Freund unter den Arm gefaßt und führte ihn durch einige Straßen, die sich hätten abschneiden lassen, wenn er geradeaus zu Barthel Groß wollte. An einem Hause grüßte er freundlich nickend hinauf; in den Sandstein über der Tür war ein Schiff mit vollen Segeln eingemeißelt. Wohnt hier nicht Huxer? fragte Hans.

      Freilich, antwortete Heinz, und Maria war oben am Erkerfenster. Ich bin heut schon dreimal vorübergegangen und habe sie endlich doch erhascht. Wie gefällt dir das Fräulein?

      Oh – sie hat schöne, muntere Augen!

      Und ein prächtiges braunes Haar, und ein Paar Grübchen in den Backen, wenn sie lacht –

      Sie lacht zuviel.

      Durchaus nicht. Wie kann ein so junges Ding zuviel lachen?

      Ei, ei! Nimm deine Augen in acht.

      Warum aber? Es ist die reizendste Kurzweil, sie anzusehen. Weißt du, daß ich diese Nacht von ihr geträumt habe? Ich bat sie um einen Kuß, und sie hätte mir ihn vielleicht auch gegeben, wenn nicht der alte Ordensbruder, mein Schlafgenosse, mich mit seinem Schnarchen aufgeweckt hätte. Ich hätte ihn prügeln mögen.

      Hans lachte dazu. Laß dir's vergehen, Bester. Da ist sicher schon ein Patriziersohn zum Bräutigam vorausbestimmt. In den Handelsstädten gehören auch die Heiraten zum Geschäft. Wenn du aber noch das Tuch einkaufen willst –

      Das will ich, rief Heinz, und lenkte wieder nach der Langgasse ein, und ein Wams muß ich haben, das den Weibern in die Augen sticht; koste es, was es koste!

      Barthel Groß wartete schon auf sie. Er führte sie zu einem Gewandschneider in der Heiligengeistgasse, der in der Windlage seines Hauses einen Laden hatte. Auf den Gestellen an der Wand lagen in Rollen und Packen die Laken zur Auswahl für den Käufer. Jedes Stück war in eine wollene Decke eingeschlagen und mit einer bleiernen »Loye« versehen. Der Kaufmann zeigte englische, flandrische und holländische Tuche vor, da die geringeren preußischen gleich ausgeschlossen wurden, erbot sich auch, sie zum Rathause zu begleiten, wo er die neueste Ware lagern habe, die dort noch vermessen werden solle. Heinz wählte ein Brügger Tuch von grüner Farbe, das freilich das Doppelte von dem Amsterdamer kostete, das auch schon recht fein und glatt erschien; dazu leichten Arras zum Futter und gestickte Borten zum Besatz. Sein Geldbeutel war sehr erleichtert, als sie den Laden verließen, aber die Ausgabe reute ihn nicht.

      Als sie, gefolgt von dem Lehrling, der ihnen


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