Resi Trautners Lebensroman. Anny von Panhuys

Resi Trautners Lebensroman - Anny von Panhuys


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besprochen.“

      „Fein,“ lächelte Resi, „diese Uebereinstimmung unseres Geschmacks, ich denke, auch meine Zigeunerart darf helles Grün tragen.“

      Frau Doris und Erna wechselten einen schnellen, verständnisvollen Blick.

      Eine kleine Pause entstand.

      Resi lächelte unbefangen weiter. „Meint ihr, dass mich hellgrün auch kleidet? So gut wie Erna allerdings wohl kaum.“

      Die Blonde sagte rasch: „Nein, hellgrün steht dir sicher gar nicht, und ich habe auch bereits mit Mutti darüber gesprochen. Es ist am besten, du ziehst das weisse Kleid an, das du zum Tanzstundenball trugst.“

      Resis Lächeln löste sich ganz langsam von den schmalen Zügen, und ein seltsames Fragen dämmerte in ihren Augen auf. Erna erklärte mit dem naivsten Gesicht von der Welt: „Sieh, Resi, es ist doch jetzt alles so bodenlos teuer, man muss sparen, es ist klug, wenn du dein weisses Kleid nimmst. Meins hat einen hässlichen Riss — —“

      Resi lächelte schon wieder.

      „So, meint ihr es! Ja, das sehe ich ein, ihr habt völlig recht, mein weisses Kleid genügt natürlich. Aber dein Riss, Erna, ist auch nicht so schlimm, ich verspreche dir, den Schaden so tadellos auszubessern, dass niemand etwas davon merkt.“ Sie sah Doris an. „Dann kannst du das Geld für zwei neue Kleider sparen, Mutter.“

      Frau Doris murmelte etwas vor sich hin. Sie schämte sich ein wenig, hatte das Gefühl, in eine selbstgelegte Schlinge gegangen zu sein.

      Erna aber sprang auf, das Modeblatt fiel zu Boden. „Lass doch den blöden Gouvernantenton! Ich trage keine gestopften Kleider, merke dir das, und schliesslich habe ich es nicht so nötig zu sparen wie du.“

      Frau Doris erhob sich. „Was fällt dir ein, Erna, in welchem Ton redest du mit deiner Schwester?“

      Ernas Augen hatten wieder den alten Glitzerschein. „Lass doch, Mutti, einmal muss man ihr gegenüber doch ein bisschen deutlich werden, denn sie meint immer mit grösster Selbstverständlichkeit, sie hätte genau die Rechte hier wie ich.“

      „Erna, ich bitte dich, sei still,“ unterbrach Frau Doris, „gewiss hat Resi dieselben Rechte und deshalb wird sie auch dasselbe Kleid erhalten wie du. Wenn es auch teuer kommt, es muss sich eben machen lassen.

      Nun stand auch Resi auf. Gross und schlank stand sie vor den beiden kleineren Frauen. In ihren Zügen zuckte es wie heimliches Wetterleuchten, aber ihre Stimme war ruhig, als sie sagte:

      „Liebe Mutter, wenn du auch Erna hindern kannst, allzu deutlich zu werden, so konntest du doch nicht hindern, dass ich längst begriffen habe, was sie meint. Sie sprach wahr, ich habe hier nicht dieselben Rechte wie sie, die dein leibliches Kind ist, während ich nur ein angenommenes bin. Sie ist hier daheim, während du mir nur aus Mitleid hier eine Heimat gegeben hast. Ich habe keine Eltern mehr und muss dem Himmel dankbar sein, der gute Menschen aussandte, die sich meiner erbarmten.“ Sie lächelte wehmütig. „Habe jahrelang nicht so recht daran gedacht, aber in letzter Zeit wurde ich doch öfter erinnert, und es ist gut so, sonst würde ich vielleicht völlig vergessen haben, dass dies hier nicht mein Elternheim ist, sondern Heim der Gnade.“

      Frau Doris, die sich schuldig fühlte, es aber nimmermehr eingestanden hätte, ward zornesrot.

      „Dein Ton ist nicht der rechte, hinter deiner scheinbaren Demut verbirgt sich Hochmut.“

      Resis Augen blickten fast schwarz. „Verzeih, wenn ich den rechten Ton nicht fand, doch glaube mir, nichts liegt mir ferner als Hochmut.“ Ganz traurig setzte sie hinzu: „Ich hätte doch gar keinen Grund dazu.“

      „Das meine ich auch,“ sagte Frau Doris scharf. Schärfer, als es in ihrer Absicht lag. Aber sie konnte nichts dafür, Resis Auftreten reizte sie immer wieder.

      Ein grosses Schweigen setzte ein, und nach einem Weilchen ging Resi still zum Zimmer hinaus.

      Erna machte ein etwas unsicheres Gesicht, dann aber grollte sie: „Es schadet ihr gar nichts, wenn sie einmal etwas geduckt wird.“

      Frau Doris streichelte ihr blondes Kind. „Du bist tausenmal schöner als sie, man muss dich ja lieber haben, mein Süsses.“

      Erna lächelte taubenhaft. „Mutti, du bist so gut, so gut. Resi hat gar kein Verständnis dafür. Bedenke, sie ist doch nur das Kind armer Schwarzwaldbauern, und wer weiss, was aus ihr geworden wäre, wenn du dich nicht der Elternlosen erbarmt hättest.“

      Frau Doris war gerührt über ihre eigene Güte. Sie hatte das Gefühl, sich anzuvertrauen, zu zeigen, dass ihr Herz noch edler gehandelt, als es schien. Wozu brauchte der eigenen Tochter ein Märchen aufgebunden werden? Sie war wohl berechtigt, die volle Wahrheit zu hören.

      Sie legte den rechten Arm um Ernas Schultern und ging so mit ihr zum Sofa, wo sich beide dicht nebeneinander niederliessen.

      Die Aeltere lächelte: „Du bist nun schon über sechzehn Jahre, mein Liebling, und ich denke, es braucht für dich kein Geheimnis mehr aus der Herkunft Resis gemacht zu werden; denn die Geschichte von den toten Schwarzwaldbauern, die ihr Kind arm und hilflos in der Welt zurückliessen, ist nur ersonnen, um Resi die Wahrheit zu verbergen.“

      Ueber Ernas Lippen zitterte ein Laut des Staunens, äusserste Spannung malte sich auf ihrem Gesicht. „Aber woher stammt denn Resi sonst, Mutti?“ und von eigner romantischer Stimmung erfasst, fragte sie hastig: „Resi ist wohl von vornehmer, hoher Herkunft, sie hat manchmal so etwas Stolzes, Unnahbares.“

      Frau Doris schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil, Liebling, ganz im Gegenteil. Resi stammt aus Niedrigkeit und Armut.“

      Ihr tauchten plötzlich Bedenken auf, ob sie nicht doch vielleicht unklug handelte, die allzu junge Erna einzuweihen. Aber nun war es zu spät. Ernas Neugier drängte und drängte.

      Da nahm Frau Doris Ernas Rechte. „Versprich mir, mein Kind, gegen jedermann, auch gegen Resi, über das zu schweigen, was ich dir jetzt sagen werde.“

      Erna lächelte obenhin. „Natürlich, Mutti, natürlich, ich werde doch ein Geheimnis zu wahren wissen.“ Doppelt gespannt war sie jetzt auf das, was sie erfahren würde.

      Und nun erzählte Frau Doris ihrer jungen Tochter von der kleinen, schmutzigen Wirtschaft „Zum Paradiesgarten“ in Konstanz, und Erna lauschte, als würde ihr ein spannender Roman erzählt.

      Als die Mutter geendet, richtete sie sich mit tiefem Atemholen auf. Jetzt wusste sie, woher Resi stammte, jetzt wusste sie es anders, als sie es bisher gewusst. Das war eine von der ersten völlig verschiedene Lesart. So sahen in Wirklichkeit Resis Eltern aus, ihre Eltern, die vielleicht noch lebten. Die Mutter war eine arme, müde Frau, der Vater ein Trunkenbold und Rohling, und mit einem Tausendmarkschein liessen sich beide ihr Kind bezahlen.

      „Das ist ja Gesindel gewesen,“ sagte sie hart und verächtlich, „stolz kann Resi auf ihre Eltern wahrlich nicht sein.“

      Frau Doris nickte. Nein, stolz konnte Resi darauf nicht sein, die bäuerischen Eltern aus dem Schwarzwald, die allzu früh starben, wirkten dagegen gediegen.

      „Wenn Resi wüsste, was ich nun weiss, ich glaube, das dämpfte ihren Stolz,“ sagte Erna, und in ihren Augen stand wieder der kalte Glanz.

      Frau Doris erhob sich. „Um Gotteswillen, Kind, niemals soll sie davon erfahren, niemals.“

      Erna lächelte. „Von mir erfährt sie nichts.“ Leise Verachtung umspielte ihre Lippen. Was doch die Einbildung tut! Sie sah die Pflegeschwester, nun sie über deren Herkunft aufgeklärt war, plötzlich in ganz anderem, schärferen Licht. Bisher war immer noch ein matter Schein sanfter Romantik um sie herum gewesen, jetzt aber schien ihr das, was kurz zuvor noch ein zart abgetöntes Pastellbild, eine groteske Zeichnung aus einem Schundroman. Leichter Widerwillen quoll in ihr auf.

      Sie sagte erregt: „Du warst engelhaft gut damals, Mutti, als du das fremde Kind annahmst. Im ganzen Leben kann Resi dir nicht danken, was sie dir schuldet.“

      Frau Doris streichelte Erna. „Wir wollen hoffen,


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