7 Engel. Karin Waldl

7 Engel - Karin Waldl


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mit sechzehn bei einer Zeitungsredaktion ein. Sie war wild entschlossen, sich hochzuarbeiten und Journalistin zu werden. Später war sie genauso verbissen, was meine Friseurlehre anging. Wir hielten uns mit Gelegenheitsjobs über Wasser, wobei Ruth darauf bedacht war, nur moralisch unbedenkliche Arbeiten anzunehmen, das seien wir unseren Eltern schuldig, meinte sie. So putzten, bügelten, kochten und nähten wir, pflegten Gärten, strichen Zäune und erledigten viele andere Dinge, für die berufstätige Menschen zu wenig Zeit haben. Daneben absolvierten wir unsere Ausbildungen.

      Nach kurzer Zeit waren wir nicht mehr auf Übernachtungsmöglichkeiten angewiesen, sondern konnten uns ein kleines Zimmer zur Untermiete bei einem älteren Ehepaar nehmen, das unsere Hilfe im Haushalt dankbar annahm. Es war eine harte Zeit, es ist schrecklich, obdachlos zu sein. Aber wir haben es geschafft, dank des Durchhaltevermögens von Ruth. Sie schaffte es immer wieder, mich zu motivieren.

      Vor zwei Jahren kaufte meine Schwester dann dieses Haus für uns beide, aber ich wollte etwas Unabhängigkeit und mietete mir eine kleine Wohnung direkt in Sevenoaks. Doch als Ruth nach Vancouver ging, kündigte ich den Mietvertrag. Den Rest der Geschichte kennst du ja schon.“

      Elina redete sich alles von der Seele und Laurenz hörte aufmerksam zu, mit wachsender Bewunderung für die beiden Schwestern.

      „Entschuldigung, ich rede nur über mich, was ist mit dir? Ich weiß noch gar nichts über dich. Wie bist du aufgewachsen?“

      Laurenz fand nicht gleich die richtigen Worte, so sehr hatte ihn Elinas Erzählung gefesselt. „Also, ich ... tut mir leid ... ich ...“ Er räusperte sich und versuchte es noch einmal. „Also, ich bin in Notting Hill, in London, mit wohlhabenden, aus Österreich stammenden Eltern aufgewachsen. Und ich bin ein Einzelkind. Meine Mutter und mein Vater erkannten sehr bald mein Talent als Schauspieler, obwohl ich durch mein Theater eigentlich nur Aufmerksamkeit erregen wollte. Meine Eltern hatten nie Zeit für mich, sie sind richtige Karrieremenschen, meine Kindermädchen trieb ich in den Wahnsinn.“ Laurenz verdrehte die Augen, Elina musste lachen.

      Er fuhr fort: „Die Kunst des Schauspielens von Kindesbeinen an zu erlernen, machte mir jedoch Spaß. Meine Eltern steckten Unsummen von Geld in meine Ausbildung und am Ziel meiner Träume, der Royal Academy of Dramatic Art in London, lernte ich Richard, deinen zukünftigen Nachbarn, kennen. Wir waren sofort beste Freunde und spornten uns zu Höchstleistungen an, hatten beide bald unseren Abschluss in der Tasche. Mein Talent war groß, Richards überragend. Ich gönne ihm von Herzen seine Engagements in weltbekannten Kinofilmen, was uns schließlich einen Umzug nach Kalifornien ermöglichte, um in Hollywood abrufbereit zu sein. Die Abwechslung und die Distanz zu meinem Zuhause kamen mir sehr gelegen. Immer wieder bekomme ich kleine Nebenrollen, da Richard für mich ein gutes Wort einlegt. Er ist bis heute mein bester Freund geblieben, sein Ruhm ist ihm nicht zu Kopf gestiegen. Und mein Erfolg lässt sich, dank Richard, ebenfalls sehen. Es könnte viel schlechter laufen.“

      „Du meinst aber nicht Richard Benigna?“, unterbrach Elina Laurenz’ Redefluss.

      „Genau den, seinetwegen bin ich hier.“

      „Wow, ein berühmter Schauspieler wird mein Nachbar und einer, der auf dem Weg ist, weltberühmt zu werden, sitzt in meinem Wohnzimmer: Laurenz Winter“, bemerkte Elina mit einem ironischen Grinsen.

      Der Geschmähte boxte ihr sanft auf den Oberarm, er benahm sich wie ein kleiner, liebenswerter Lausbube. „Das ist lieb von dir, du solltest aber keinem von Richards Plänen erzählen, er möchte hier etwas Ruhe finden. Du hättest es als Nachbarin zwar sowieso erfahren, er ist kein Typ der vollkommenen Einsamkeit. Aber er hält den ständigen Rummel um seine Person nicht mehr aus, er fühlt sich eingesperrt. Wenn er vor die Tür geht, folgen ihm sofort die Paparazzi und hartgesottene Fans. Man sagt, dass sei der Preis, den man für den Erfolg zahle, aber Richard sieht das anders. Er findet den Preis zu hoch, er wünscht sich mehr Freiheit.“

      „Ich wüsste nicht, wem ich es erzählen sollte außer Ruth. Und die wird es gezwungenermaßen ohnehin erfahren.“

      Laurenz strich Elina sanft über das Haar, was sie an eine warme Sommerbrise erinnerte, die sie streichelte. Wie gut tat ihr diese flüchtige Berührung. Sie stellte sich vor, wie sie über seinen Handrücken strich, aber den Mut, es wirklich zu tun, fand sie nicht.

      Inzwischen war es Mittag geworden, die Zeit war wie im Flug vergangen. Wie gut tat es, einfach nur zu reden, ausnahmsweise mal keine Selbstgespräche zu führen.

      „Elina, ich beende ungern unser Gespräch, aber wir sollten ein paar Erledigungen machen.“

      Sie starrte erstaunt auf die Wanduhr. „Entschuldigung, ich habe nicht auf die Uhrzeit geachtet.“

      „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, auch mich hat unsere Unterhaltung die Zeit vergessen lassen. Wir haben unsere Kindheit so nahe beieinander verbracht, aber doch so unterschiedlich gelebt. Es ist unfassbar. Aber komm, wir brechen jetzt auf!“

      Elina räumte das Notwendigste auf, um anschließend in Laurenz’ Sportwagen in Richtung Stadt zu düsen. Sie genossen beide den geschäftigen Nachmittag, Elina zeigte ihm Einkaufsmöglichkeiten, den großen Supermarkt für Lebensmittel, den Bäcker mit den besten Brötchen der Stadt, den Marktplatz, wo einmal in der Woche die frische Ware der umliegenden Bauernhöfe angeboten wurde, den Metzger mit den würzigen Fleischspezialitäten, die Apotheke, die Drogerie, Bekleidungs- und Schuhgeschäfte und viele andere, die von Elina als empfehlenswert eingestuft wurden. Außerdem erwähnte sie das Rathaus, verschiedene Ärzte, den Friseur für Männer, die Wäscherei, das Fitnessstudio und noch vieles mehr. Laurenz notierte alles fein säuberlich in seinem Smartphone.

      Zum Abschluss suchten sie den Makler auf, bei dem Laurenz um sechzehn Uhr einen Termin für die Hausbesichtigung hatte. Der wohlbeleibte Verkäufer, dessen Namen sich Elina beim besten Willen nicht merken konnte, fuhr in einem dunkelblauen VW Sharan voraus zu dem Anwesen, das Laurenz erwerben wollte. Sie folgten ihm.

      Elina war schon oft an diesem durchaus beeindruckenden Haus vorbeigefahren, hatte es aber noch nie so bewusst wahrgenommen wie jetzt, als sie aus dem Wagen ausstiegen. Ein romantischer englischer Garten mit einem kleinen Teich, an dessen Ufer eine Trauerweide ihre Blätter ins Wasser hängen ließ. Der Holzpavillon ergänzte die Kulisse der kleinen, im neunzehnten Jahrhundert erbauten Backsteinvilla perfekt. Efeu rankte sich von zwei Seiten an den Wänden hoch. Sowohl der Garten als auch das Haus wirkte gepflegt und dürfte regelmäßig instand gesetzt worden sein.

      Der Makler, dem der Schweiß von der Stirn tropfte, erklärte die Gegebenheiten der Villa und dass es wünschenswert wäre, den Gärtner beziehungsweise Handwerker John Smith und die Haushälterin beziehungsweise Köchin Sue Smith, ein Ehepaar Mitte fünfzig, zu übernehmen, wenn das Grundstück den Besitzer wechselte. Laurenz nickte zufrieden und hakte in Gedanken einen weiteren Punkt auf seiner Liste ab. Das Innere war genauso vielversprechend wie der Garten. Im Erdgeschoss befanden sich ein Wohnzimmer mit Essbereich, eine Küche, ein Büro, ein Haushaltsraum und eine Toilette. Im oberen Stockwerk waren ein geräumiges Badezimmer mit Eckbadewanne und Dusche, drei Schlafräume und eine weitere Toilette untergebracht. Alles war im Stil des Hauses geschmackvoll eingerichtet und sauber geputzt.

      „Ich wusste gar nicht, dass alles möbliert ist, sind die Möbel im Kaufpreis inbegriffen?“, fragte Laurenz den Makler, der durch das Treppensteigen außer Atem geraten war.

      „Äh, Entschuldigung, dass ich Ihnen diese Information vorenthalten habe, aber Sie haben recht, die Möbel sind im Kaufpreis inkludiert“, erwiderte der mittlerweile penetrant nach Schweiß riechende Verkäufer.

      „Das läuft ja besser, als ich dachte. Wenn ich geahnt hätte, dass das Haus bezugsfertig ist, hätte ich mir einiges an Planung erspart“, rügte Laurenz den Makler, der daraufhin ein bedauerndes „Tut mir leid!“ murmelte.

      „Na ja, besser so als umgekehrt. Ich werde das Haus kaufen und melde mich am Montagmorgen in Ihrem Büro, um die Formalitäten zu klären.“ Laurenz reichte dem schwitzenden Mann die Hand, der sie mit einem breiten Grinsen schüttelte.

      Das weitere Gespräch der beiden nutzte Elina, um das Haus genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit Staunen


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