Don Carlos. Friedrich Schiller
Unglücklicher Fernando!
königin: Die Geschichte
Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muß
Zu Ende sein.
marquis: Noch nicht ganz.
königin: Sagten Sie
Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?
marquis:
Ich habe keinen teurern.
eboli: Fahren Sie
Doch fort in der Geschichte, Chevalier.
marquis:
Sie wird sehr traurig – und das Angedenken
Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie
Mir den Beschluß –
Ein allgemeines Stillschweigen.
königin wendet sich Zur Prinzessin von Eboli:
Nun wird mir endlich doch
Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –
Prinzessin, bringen Sie sie mir.
Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. – Die Königin hat die Briefe gelesen und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.
Sie haben
Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht
Weiß sie es nicht, wieviel Fernando leidet?
marquis:
Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –
Doch große Seelen dulden still.
königin:
Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen?
marquis:
Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser,
Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze
Sein müßte.
königin: Wessen Schuld ist es, daß er
Es nicht ist?
marquis lebhaft einfallend:
Wie? Darf ich mich unterstehen,
Dies zu erklären, wie ich will? – Er würde
Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene?
königin erschrocken:
Jetzt, Marquis, jetzt? Was meinen Sie damit?
marquis:
Er dürfte hoffen – dürft er?
königin mit wachsender Verwirrung:
Sie erschrecken mich,
marquis – er wird doch nicht –
marquis: Hier ist er schon.
Fünfter Auftritt
Die Königin. Carlos.
Marquis von Posa und die Marquisin von Mondekar treten nach dem Hintergrunde zurück.
carlos vor der Königin niedergeworfen:
So ist er endlich da, der Augenblick,
Und Karl darf diese teure Hand berühren! –
königin:
Was für ein Schritt – welch eine strafbare,
Tollkühne Überraschung! Stehn Sie auf!
Wir sind entdeckt. Mein Hof ist in der Nähe.
carlos:
Ich steh nicht auf – hier will ich ewig knien.
Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen,
In dieser Stellung angewurzelt –
königin: Rasender!
Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?
Wie? Wissen Sie, daß es die Königin,
Daß es die Mutter ist, an die sich diese
Verwegne Sprache richtet? Wissen Sie,
Daß ich – ich selbst von diesem Überfalle
Dem Könige –
carlos: Und daß ich sterben muß!
Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste!
Ein Augenblick, gelebt im Paradiese,
Wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt.
königin:
Und Ihre Königin?
carlos steht auf: Gott, Gott! ich gehe –
Ich will Sie ja verlassen. – Muß ich nicht,
Wenn Sie es also fordern? Mutter, Mutter,
Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink,
Ein halber Blick, ein Laut aus Ihrem Munde
Gebietet mir, zu sein und zu vergehen.
Was wollen Sie, das noch geschehen soll?
Was unter dieser Sonne kann es geben,
Das ich nicht hinzuopfern eilen will,
Wenn Sie es wünschen?
königin: Fliehen Sie!
carlos: O Gott!
königin:
Das einz’ge, Karl, warum ich Sie mit Tränen
Beschwöre – fliehen Sie! – eh meine Damen –
Eh meine Kerkermeister Sie und mich
Beisammen finden und die große Zeitung
Vor Ihres Vaters Ohren bringen –
carlos: Ich erwarte
Mein Schicksal – es sei Leben oder Tod.
Wie? Hab ich darum meine Hoffnungen
Auf diesen einz’gen Augenblick verwiesen,
Der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt,
Daß falsche Schrecken mich am Ziele täuschten?
Nein, Königin! Die Welt kann hundertmal,
Kann tausendmal um ihre Pole treiben,
Eh diese Gunst der Zufall wiederholt.
königin:
Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder.
Unglücklicher! Was wollen Sie von mir?
carlos:
O Königin, daß ich gerungen habe,
Gerungen, wie kein Sterblicher noch rang,
Ist Gott mein Zeuge – Königin, umsonst!
Hin ist mein Heldenmut. Ich unterliege.
königin:
Nichts mehr davon – um meiner Ruhe willen –
carlos:
Sie