Die Legende der Star Runner. Jens I. Wagner

Die Legende der Star Runner - Jens I. Wagner


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an dem Bild? Sieht irgendwie ganz neu aus.“

      Es zeigte den Oberkörper des Piraten. Er trug ein weißes Hemd und war mit allerlei Schmuck behängt.

      „Das herauszufinden, Lilli, liegt an dir. Ich konnte in all den Jahren nichts entdecken, was auf einen Schatz hindeuten würde. Aber es muss wichtig sein. Sir London war ganz versessen darauf. Er kam gestern vorbei und als ich es ihm nicht geben wollte, fotografierte er es mehrfach. Dann ging er. Jedoch nur, um heute in aller Herrgottsfrühe wieder auf der Matte zu stehen und noch ein paar Fotos mehr zu machen.“

      „Er kam zweimal vorbei? Das ist ja seltsam“, bemerkte ich.

      „Er hatte einige Details des Bildes wohl nicht so gut getroffen. Er machte die Bilder, ich machte ihm noch einen Kaffee, dann ging er.“

      „Den hat er wohl gar nicht ausgetrunken“, bemerkte Lilli.

      „Ja“, sagte Opa nachdenklich, „er hatte es plötzlich ganz schön eilig. Apropos eilig: Ihr solltet jetzt gehen! Vielleicht schafft ihr es ja noch ins Stadtarchiv.“

      Opa sprang auf. Er wirkte ganz hektisch, als ob ihm gerade etwas eingefallen wäre und er wollte uns ganz offensichtlich schnell loswerden.

      Wir wurden wie ein Haufen Hühner zur Tür gescheucht. Als Opa die Eingangstür öffnete, stand ein kleiner untersetzter älterer Herr mit Halbglatze vor der Tür, den Arm zum Anklopfen erhoben. Verwundert schaute er uns an und wir schauten verwundert zurück. Keiner sagte etwas. Gerade als der Herr wohl dazu ansetzen wollte, uns zu grüßen, schlug Opa die Tür knallend vor dessen Gesicht zu.

      „Los, los, zurück mit euch in die Küche. Und schließt die Tür!“ Wieder wurden wir verscheucht, diesmal in die andere Richtung. Wir hörten ein Klopfen am Eingang.

      Dann fanden wir uns in der Küche wieder.

      „Wer war der Mann?“, fragte Marvin. „Wieso war dein Opa plötzlich so aufgeregt?“

      Lilli klebte gleich mit dem Ohr an der Tür in der Hoffnung, etwas von der Unterhaltung zu hören.

      „Die Tür ist zu dick, ich kann nichts verstehen.“

      „Wir brauchen etwas, das den Schall besser überträgt“, meinte ich.

      „Ein Hörgerät?“ fragte Marvin.

      „Mein Vater hat mir das mal gezeigt. Wir brauchen ein großes bauchiges Glas. So eines mit dünnem Stil, aus dem man Wein trinkt“, sagte ich.

      Marvin blickte suchend umher: „Lillis Opa scheint kein Weintrinker zu sein.“

      „Nein, aber ich glaube, ich habe vorhin so ein Glas hier herumstehen sehen“, meinte ich. „Wo war das nur gleich?“

      Mit einer Tasse hätte es nicht geklappt, wir brauchten ein Glas. Kannst du ein Glas entdecken?

       Brauchst du einen Tipp?

      KAPITEL 06

      Schwer bewacht

      WIR KRATZTEN DAS KERZENWACHS von dem Weinglas und Marvin flitzte zu Lilli hinüber. Er legte den Glasrand an die Tür und sein Ohr am anderen Ende auf die Abstellfläche. Lilli sah ihn an, als ob er verrückt geworden wäre. Kurzerhand schnappte sie ihm das Glas weg und tat es ihm nach. Ihre Augen wurden groß vor Erstaunen.

      Marvin wandte sich mir zu und zuckte die Schultern: „Das Glas funktioniert.“

      „Oh nein!“, sagte Lilli. „Los, wir müssen weg, wir verschwinden durch den Keller.“

      „Was ist los?“, fragte ich sie.

      „Wenn mich Opa so sieht. weiß er, dass ich gelauscht hab. Weg hier!“, flüsterte Lilli mit Tränen in den Augen.

      Draußen auf der Straße fragte ich nochmal, was los sei.

      „Opa muss das Haus räumen. Er hat Schulden. Morgen kommt die Polizei. Mit einem Räumungsbescheid oder wie das heißt. Dann schmeißen sie ihn raus.“

      „Das können die doch nicht machen!“, beschwerte ich mich. „War das Haus nicht schon immer in eurem Familienbesitz?“

      „Wir müssen den Schatz finden!“, meinte Lilli energisch. „Heute noch!“ Marvin und ich blieben abrupt stehen und schauten sie fragend an.

      „Jetzt guckt nicht so doof! Wenn wir den Schatz haben, kann Opa damit seine Schulden bezahlen! Los jetzt, zum Stadtarchiv!“

      Lilli ließ keinen Zweifel an unserem heutigen Ziel. Und wir wagten nicht, zu widersprechen.

      „OK, was wissen wir bisher?“, fragte ich. „Lotterlulu ankert im alten Ortskern und sein Schiff verschwindet nachts spurlos.“

      „Vielleicht hat er es abgebaut, alles auseinandergenommen, dann alles weggetragen bis hinter die Flussabsperrung und dort wieder aufgebaut“, überlegte Marvin.

      „Quatsch, der Schatz ist noch hier!“, fauchte Lilli.

      Einige Zeit später erreichten wir das Akademische Stadtarchiv. Ein modernes Gebäude mit hohen Fenstern, die aus kleineren quadratischen Glasflächen bestanden. Der riesige Eingangsbereich war sonnendurchflutet. Hinter einer Rezeption saß eine ältere Frau. Sie schien zu bestimmen, wer in das Innere des Archivs durfte. Zu ihren Füßen hockte ein kleiner Hund, der immer wieder an seiner Leine in Richtung Ausgang zerrte.

      Als wir uns näherten, blickte die Frau über den Rand ihrer großen Brille in unsere Richtung. Ihr Gesicht wurde ernst und streng.

      „Das ist hier nichts für Kinder! Was wollt ihr hier?“, raunzte sie uns an.

      Wir waren erstaunt über diese Unfreundlichkeit.

      Marvin und ich wussten nichts zu sagen, dafür aber Lilli: „Wir sollen einen Aufsatz schreiben über das Stadtarchiv. Wir brauchen auch nicht lange.“

      „Ihr braucht noch viel weniger Zeit als du denkst, kleines Fräulein, denn ihr verschwindet hier sofort! Hier kommen nur Akademiker rein. Deswegen heißt es 'Akademisches Stadtarchiv!. Geht! Schreibt das.“

      „Was?“, rief Lilli, bemüht, sich zusammenzureißen.

      Die Anmeldungsfurie beäugte Lilli nochmals genau. „Das heißt ‘Wie bitte?’“, sagte sie, blickte wieder gelangweilt auf ihre Papiere und murmelte: „Ihr könnt euch meinetwegen im Vorraum aufhalten. Aber nicht länger als 10 Minuten!“

      „Danke“, zwang Lilli sich zu sagen, immer noch innerlich brodelnd.

      Auch Marvin und ich murmelten artig Danke, ohne eine Reaktion zu erhalten. Wir entfernten uns von der Anmeldungstheke und zogen uns in eine entlegene Ecke des Vorraums zurück.

      „Und wie geht’s jetzt weiter?“, fragte Marvin.

      „Keine Sorge, ich glaube, sie wird gleich gehen“, flüsterte Lilli.

      Ich blickte verstohlen zu der Furie hinüber: „Wie kommst du denn darauf?“

      Warum konnte Lilli mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Dame bald ihren Platz verlassen würde?

       Brauchst du einen Tipp?

      KAPITEL 07

      Das verschlossene Buch

      IM DRUCKER LAG EIN Aushang, den die Rezeptionistin wohl für die hinter ihr befindliche Wand vorgesehen hatte. Der Zettel


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