Hoch Hinaus. Raphael Röttgen
VC, welche schon Investitionen im Weltraumbereich getätigt hat, ist aus Amerika und auf Technologiefirmen im Allgemeinen spezialisiert, zum Beispiel Lux Capital oder Data Collective. Aber auch in Europa haben schon einige solche Technologie-VCs angefangen, in Weltraumunternehmen zu investieren, zum Beispiel der deutsche High-Tech Gründerfonds. VC-Firmen, welche ausschließlich auf den Weltraum spezialisiert sind, gibt es allerdings sehr wenige und die meisten sind recht neu, zum Beispiel meine eigene Firma E2MC, New Space Capital und Orbital Capital in Luxemburg, Seraphim in London und Starbridge in New York. Aufgrund der hohen technologischen Kenntnisse, die oft nötig sind, um Unternehmen im Weltraumbereich zu analysieren, würde es nicht überraschen, wenn wir über die nächsten Jahre immer mehr weltraum-fokussierte VCs sehen würden. Zum Vergleich: Im ähnlich komplizierten Biotechnologie-Sektor gibt es Hunderte von spezialisierten VCs. Was alle VCs gemeinsam haben, ist, dass sie Erträge für ihre eigenen Anleger erwirtschaften müssen. Ein typischer VC-Fonds hat eine Laufzeit von sieben bis zehn Jahren, bis das investierte Geld (inklusive, hoffentlich, der Gewinne) wieder an die Anleger zurückgezahlt werden soll. Dies bedeutet, dass eine typische VC weitaus eher in Unternehmen investiert, die eine realistische Chance haben, in diesen zeitlichen Dimensionen ihr Geschäft zu entwickeln und Umsatz und Gewinne zu erzielen. Andersrum gesagt: Geschäftsideen, die wahrscheinlich eine viel längere Anlaufzeit brauchen, zum Beispiel der oben schon genannte Rohstoffabbau auf Asteroiden, sind eher für andere Arten von Investoren geeignet.
Eine zweite Gruppe von Investoren, die von 2009 bis 2019 einen Anteil von etwa zehn Prozent aller Weltraumfinanzierungsrunden ausmachten, sind Unternehmen, einschließlich unternehmenseigener Wagniskapital-Abteilungen (auf Englisch: Corporate VCs oder einfach CVCs). Unternehmen und ihre CVCs investieren im Normalfall nicht, oder zumindest nicht nur, aus finanziellen Gründen (also weil sie Erträge erwarten würden), sondern weil sie eine strategische Verwandtschaft zwischen ihrem Kerngeschäft und dem Investment sehen. Zum Beispiel hat Airbus, über seine CVC Airbus Ventures, im Januar 2020 in die innovative Raketenfirma SpinLaunch investiert. Dies hat eine klare strategische Relevanz, da Airbus über ihre Beteiligung an der ArianeGroup selbst im Raketengeschäft tätig ist und außerdem auch Satelliten produziert (welche auf Raketen angewiesen sind). Ein weiteres Beispiel aus der jüngsten Zeit (März 2020) ist die Investition des britischen Mobilfunkunternehmens Vodafone in die amerikanische Satellitenkommunikations-Firma AST&Science, welche das Äquivalent von Mobilfunkmasten im Weltraum aufbauen will. Strategische Gründe sind derart relevant, dass sie es Unternehmen und CVCs oft auch erlauben, über einen längeren Zeitraum zu investieren als „normale“ VCs.
Die dritte Gruppe von Investoren, mit einem Anteil von ungefähr zwanzig Prozent, sind die sogenannten Angels. Hierbei handelt es sich traditionell um Privatleute, die direkt in Unternehmen investieren, meist in den frühesten Stadien, noch bevor Fonds oder Unternehmen als Investoren einsteigen. Die typische Investitionssumme eines Angels ist deswegen auch kleiner und kann sogar bei nur wenigen Tausend Dollar liegen. Dies hängt aber natürlich auch vom Vermögen und der Risikobereitschaft des einzelnen Angels ab – Jeff Bezos könnte man als Angel bezeichnen, obwohl er bei Blue Origin jährlich eine Milliarde Dollar investiert. Ähnlich wie Unternehmen und CVCs sind Angels nicht unbedingt immer rein aus finanziellen Gründen angetrieben. Die Motivation eines Angels kann auch eine ganz persönliche Faszination für ein bestimmtes Thema sein – das ist besonders in einem Sektor wie der Weltraumfahrt keine Seltenheit. Als Beispiel können wir hier bei Jeff Bezos und Blue Origin bleiben. Die Grundmotivation von Bezos scheint zu sein, dass er so viele Menschen und so viel Industrie wie möglich in den Erdorbit verlagern möchte, damit die Erde an sich als Planet geschützt wird. Auch eine Form von Angel-Finanzierung ist das sogenannte „Equity Crowdfunding“, wo sich viele ganz kleine (normalerweise nicht-professionelle) Investoren zusammenfinden, meist organisiert über spezialisierte Internet-Portalseiten. Bislang gibt es nur sehr wenige Beispiele von solchem Crowdfunding für Weltraumunternehmen. Das könnte sich aber in naher Zukunft ändern: In den USA gibt es Gesetzesvorschläge, die zulässige Höchstsumme für solche Finanzierungen pro Firma und Jahr von etwas über einer Million Dollar auf fünf Millionen zu erhöhen. Auf diese Gesetzesänderung spekulierend organisiert sich zurzeit das Start-Up Spaced Ventures, welches ein Internetportal für das Crowdfunding von Weltraumunternehmen sein möchte.
Eine weitere Investorengruppe sind schließlich andere Finanzinstitutionen. Das schließt zum Beispiel sogenannte Family Offices, Hedge Fonds, Private Equity Fonds und Pensionsfonds ein. Family Offices sind die privaten Investmentgesellschaften sehr reicher Familien. Ihre Investment-Kriterien können rein finanzieller Natur sein oder aber auch andere Motivationen beinhalten, wie bei einigen Angels – das kommt ganz auf das einzelne Family Office an. Auch die investierten Summen unterscheiden sich erheblich und hängen natürlich vom Reichtum des Family Offices ab. Das typische Family Office investiert zumeist querbeet durch alle möglichen Anlageklassen, einschließlich Aktien, Fonds, Immobilien und direkte Investments in private Unternehmen. Da Family Offices allerdings meist nur wenige Mitarbeiter haben, bedeutet dies, dass es sehr schwierig für sie ist, einen komplizierten Sektor wie die Weltraumfahrt zu verstehen. Das macht eine direkte Investition von Familiy Offices in ein Weltraumunternehmen allein oder an der Spitze einer Investorengruppe sehr unwahrscheinlich – stattdessen wird sich das Family Office eher auf einen anderen, spezialisierten Co-Investor verlassen. Die anderen oben genannten Finanzinstitutionen dieser Investorengruppe – Hedge Fonds, Private Equity Fonds und Pensionsfonds – agieren normalerweise ausschließlich nach finanziellen Kriterien. Für die meisten Pensionsfonds und Private Equity Fonds sind Unternehmen im Weltraumsektor noch zu klein und zu riskant, um darin zu investieren. Eine Ausnahme, welche aber die Regel bestätigt, ist die Dreihundert-Millionen-Dollar-Investition des kanadischen Pensionsfonds Ontario Teachers in SpaceX32.
Es ist erfreulich, dass zunehmend privates Kapital im Weltraumsektor vorhanden ist, das den vielen neuen Unternehmern im Sektor natürlich hilft. Wir müssen allerdings viele Faktoren im Auge behalten, die die Freude daran deutlich trüben und im schlimmsten Fall sogar zum Abzug von privatem Kapital aus dem Sektor führen können. Diese Sorge gilt vor allem dem Mangel an echten Investment-Erfolgsgeschichten im Weltraumsektor. Wer früh in SpaceX investiert hat, der hat schon jetzt, zumindest auf dem Papier, eine Menge Geld verdient – das ist aber leider fast das einzige Beispiel. Es gibt so gut wie keine Investment-„Exits“ von Weltraumunternehmen durch erfolgreiche Börsengänge oder Unternehmensverkäufe. Dem stehen leider mittlerweile einige Fehlschläge von prominenten neuen Weltraumunternehmen entgegen: Da sind zum Beispiel DSI und Planetary Resources (Asteroiden-Bergbau, beide wurden notverkauft), Vector (Raketen, bankrott), PT Scientists (Mondfahrt, ebenso notverkauft) und in jüngster Zeit OneWeb (Satellitenkommunikation, aus dem Bankrott notverkauft). Solche Fehlschläge von Unternehmen sind nicht untypisch für ein derart frühes Stadium wie das, in dem der Weltraumsektor sich aktuell noch befindet. Und doch ist es nach einigen Jahren der Entwicklungsphasen jetzt an der Zeit, mehr Erfolgs-Storys zu produzieren. Besondere Bedeutung kommt hier der Gründung und Involvierung von mehr auf den Weltraum spezialisierten Investoren zu: Diese haben die Kompetenz, neu gegründete Weltraumfirmen besser zu analysieren und sie auch zu unterstützen.
Ich hoffe, dass Experten und Investoren sich durch die Informationen aus diesem Buch motivieren lassen, der Weltraumfahrt eine Chance zu geben.
28 https://www.marketwatch.com/story/jeff-bezos-thinks-his-fortune-is-best-spent-in-space-2018-05-01
29 https://www.cnbc.com/2020/02/21/spacex-raising-250-million-elon-musks-company-valuation-36-billion.html
30 https://www.crunchbase.com/organization/space-exploration-technologies
31 https://venturebeat.com/2008/08/06/private-rocket-company-spacex-gets-20m-from-the-founders-fund/
32 https://www.cnbc.com/2019/06/27/spacex-raising-300-million-more-in-third-funding-round-this-year.html
Kapitel 3
Raketenbau