Der Roman eines geborenen Verbrechers Selbstbiographie des Strafgefangenen Antonino M.... Antonino M.
in einem gewöhnlichen Anfall ihren Ursprung hatten, sondern im Laufe der Entwickelung seiner Person wuchsen und hierbei Gestalt und Intensität aus den Konditionen der anderen krankhaften Anzeichen gewannen, zusammen mit der Erwägung, daß die beiden Formen des Deliriums nicht wie bei der gewöhnlichen Entwickelung der Paranoia auf einander folgten, sondern ohne logische Beziehung neben einander aufwuchsen als Äußerungen der besonderen Disposition zur Reaktion, beweist, daß sie nur Äußerungen der degenerierten erblich überkommenen konstitutionellen Natur des M… sind.Dieser M… leidet demnach, um unser Urteil zusammen zu fassen, soweit die historischen und psychologischen Beweise ergeben, an nervös-psychischer Degeneration, welche sich durch dunkle, rudimentäre und vielfältige Manifestationen äußert. Wenn die Epilepsie des M… sich in der einen oder der anderen Weise mit großer Intensität geäußert hätte, so würde sie eine geringere Mannigfaltigkeit der Äußerungen und sich als isolierte Form gezeigt haben. So ist zu schließen, daß M…, der im Grunde und hauptsächlich Epileptiker ist, auch ein Verbrecher, ein moralisch Irrsinniger, ein Genie und ein an Verfolgungs- und Größenwahn Leidender ist.Vielleicht würden, wenn die degenerierte Natur des M… weniger ausgesprochen wäre, als sie es wirklich ist, die einzelnen krankhaften Erscheinungen von der Epilepsie weniger in Abhängigkeit gestanden haben, und würden anstatt die Schwestern, vielmehr die Töchter einer krankhaften Gesamterscheinung sein, die wegen der Differenzierung und Entwicklung der einzelnen Symptome sich aufgelöst hätte, ohne uns zur Erkenntnis zu gelangen. In dem Grade, wie die Epilepsie bei M… herrschte, konnte sie, wenn nicht als die Wurzel, so doch als der Stamm erscheinen, um den die krankhaften Erscheinungen hervortreten. Daher die wichtige Erwägung, daß die Disposition zum Verfolgungs- und Größenwahn mächtig dazu beitrug, den epileptischen Mechanismus in Bewegung zu setzen, durch den das Verbrechen ihm entsprang, insofern als diese Disposition in ihm den Boden schuf für die falsche Abschätzung, der die Reaktion entsprach, die ihrerseits mit der Größe der Beleidigung in keinem Verhältnis stand.Wir wollen sehen, ob unser Urteil durch die physische Untersuchung gestützt wird, die wir wiederholt an M… angestellt haben.
7 Anomalien im Körperbau. Unsere sorgfältigen Untersuchungen haben zunächst einige Anomalien im Körperbau entdeckt, welche zwar keinen hohen Grad erreichen, die dennoch nicht übersehen werden dürfen. Es liegen vor:Leicht henkelförmige Ohren.Spuren von Darwin'schem Höcker.Kurzschädel.Unterbrochene Zähne.Diese Anomalien sind hervorragend atavistischer Natur, sie enthüllen ein Zurückbleiben in der körperlichen Entwicklung und erinnern an anatomische Gebilde, die bei den Tieren ersichtlich sind, mit denen der Mensch möglicherweise gleichen Ursprung hat. Der Kurzschädel würde an und für sich wenig Bedeutung haben, aber sie gewinnt, weil M… Kalabreser ist, wo der Langschädel die Regel ist, so daß das Gegenteil eine gewisse Rassendegeneration andeutet.
8 Anomalien in der Sinnesempfindung. Hier finden wir die größten Anomalien. M… hat:Subanästhesie des Tastgefühls am ganzen Körper, aber mehr auf der rechten Seite, mit Ausnahme der Zunge, wo sie auf der linken Seite größer ist.Verringerte Sehkraft auf dem rechten Auge.Fehlen des Gehörs auf der rechten und sehr schwaches Gehör auf der linken Seite.Sehr schwaches Geschmacksvermögen.Diese Anomalien der Sinnesempfindungen haben Wert als funktionelle Anomalien, die oft mit der Epilepsie verbunden sind.
9 Tätowierungen. Die Tätowierung ist bei M… ein klinisches Phänomen, und hat einen hervorragenden psychologischen, soziologischen und pathologischen Wert. Die Tätowierung erscheint bei den Gefängnisinsassen, selten bei den Soldaten, welche Rachepläne und Erkennungszeichen unter der verbrecherischen Gesellschaft verabreden. Für den Schmerz, den die Tätowierung mit sich bringt und der gesunde Personen davon zurückhält, zeigen die Verbrecher eine gewisse Unempfindlichkeit und setzen sich demselben freiwillig aus. Die Tätowierung zeigt deutlich die Leichtfertigkeit und die Eitelkeit, die dem gewohnheitsmäßigen Verbrecher eigen sind, und die in ihm Gewissensbisse nicht aufkommen lassen und ihm eine Empfindung des eitlen Ruhms und der Überlegenheit verleihen.
10 Subjektive Empfindungsstörungen. Er leidet an Schwindel, heftigen Kopfschmerzen, glaubt, daß das Haar sich ihm sträubt, und empfindet nervöse Abspannung in mehr oder minder naher Beziehung mit epileptischen Vorkommnissen.
11 Anomalien der Bewegung. Unter dieser Rubrik verzeichnen wir:Schwachen Reflex der Pupillen;Zittern der Hände;geringe dynamometrische Kraft.Alle diese Eigentümlichkeiten sind den Familien der erblich Degenerierten mit ungenügender Entwickelung gemeinsam, von denen die Blödsinnigen, die Nervösen, die Verbrecher, die moralisch Irrsinnigen und die, welche leicht in frühzeitige Paranoia verfallen, herstammen.
Alle diese Anomalien vervollständigen das Bild, welches die historisch-psychische Betrachtung des M… ergab. Sie beweisen, daß der Körper des M… eine Verzögerung und Ungleichheit der Entwickelung erfahren hat, aber diese Anomalien sind im einzelnen nicht genügend entwickelt, um eine derselben besonders hervortreten zu lassen. Auch hier hat sich die reversive Degeneration des M… auf einen rudimentären Grad beschränkt; daher das gleichzeitige Auftreten so vieler funktioneller Manifestationen verschiedener oder unentwickelter Natur.
Das pathologische Fundament der nervös-psychischen Anomalien des M… haben wir hauptsächlich in der Epilepsie gefunden, um welche sich als symptomatische oder coordinierte Erscheinungen alle anderen reihen: Verbrechertum, moralischer Irrsinn, Genialität, Verfolgungs- und Größenwahn. Das pathologisch-anatomische Fundament der Anomalie des Körperbaues, der Sinnesempfindungen und der Bewegungen tritt nicht so evident hervor, aber es ist ohne Zweifel die gehemmte Entwickelung der morphologischen Konstitution der Nervenzentren. Wie die psychische Epilepsie nicht bis zu den konvulsivischen Störungen vorschritt, so sind auch die Störungen des anatomischen Baues rudimentär, auch mit Beziehung zur Epilepsie, da sie nicht so weit gehen, dem Schädel die sonst bei den anderen Formen der Epilepsie gewöhnliche Form des Plattkopfes zu geben. Das Benehmen des M… in dem Irrenhause war ein solches, wie man es nach Kenntnis und Schätzung seiner Antecedentien erwarten konnte. M… war intelligent, vielleicht glaubte er, daß das Irrenhaus und das Urteil der Irrenärzte allein ihn der Justiz entziehen könnte. Zuversichtlich und selbstvertrauend hatte er den festen Vorsatz, zum Ziel zu gelangen. Auch er hatte seine Periode gewöhnlichen Simulantentums, worin sich die Eile, das gewünschte Urteil zu erlangen, äußerte. Aber sein scharfer Verstand mag ihm gesagt haben, daß er seine Position verdarb, und daß in den Augen der Psychiater die Simulation lächerlich und unwirksam ist. Deshalb wechselte er seine Taktik und suchte durch sein Benehmen das Wohlwollen und das Mitleid derer, die direkt oder indirekt einen Einfluß auf sein Urteil üben könnten, für sich zu gewinnen.
Aber sein Leiden enthüllte sich uns ohnehin, weil wir in den unnachahmlichen und physischen Anomalien die volle Übereinstimmung mit den psychischen Anomalien fanden. Jeder begreift, wie sehr seine Manuskripte Zeugnisse sind, die unser volles Vertrauen verdienen. In ihnen zeigt sich, ohne daß der Schreiber es gewollt hatte, die ganze krankhafte Anlage seines Temperaments, und sie sind eine treue Wiedergabe seines Charakters und eine genaue Formel der ganzen Dynamik, die ihn immer wieder zum Verbrechen hintrieb.
Gesamturteil.
Wir halten es für voll erwiesen, daß M… ein durch erbliche Veranlagung degenerierter Mensch ist, welcher Zeichen einer leichten anatomischen und funktionellen Entwickelungshemmung und atavistische und pathologische Zeichen aufweist, welche auf das Gebiet der nicht zur vollen Reife gelangten Entwickelung gehören.
Genau gesprochen halten wir ihn befallen von Formen des instinktiven Verbrechertums, des moralischen Irrsinns, des Verfolgungs- und Größenwahns, welche alle, obgleich ursprünglich die Erzeugnisse der reversiven Degeneration, von der Epilepsie beherrscht werden, an der M… auch leidet, und auch diese ist, wie die anderen krankhaften Erscheinungen, im rudimentären Zustande vorhanden.
Wir haben vorher gesagt, wie aus der Gesamtheit der krankhaften Natur des M… die Beweggründe zu seinen verbrecherischen Thaten entspringen mußten, denn er empfand und urteilte exzessiv, wie er auch subjektiv im Handeln und Reagieren war. Er tötete, verwundete und beleidigte, weil er sich beleidigt und verfolgt glaubte. Er tötete, verwundete und beleidigte ohne Erregung und ohne Mitleid, weil er keine normale Empfindung für Moral und Mitleid hatte. Er tötete, verwundete und beleidigte, wo kein genügender Grund dazu vorlag, denn in seinem heftigen impulsiven Charakter kamen die hemmenden