Luzy Bloom: Ab heute will ich S...x. Mizzi Malone
ist doch erst morgen.“
Damit erklärte ich mein Duft-Experiment für beendet und warf Desire 22 am nächsten Tag in den Müll.
Gegen 19 Uhr klingelt Carmen.
„Luzy-Darling!“
Sie strahlt mir entgegen. Carmen nennt jeden Darling. Das macht das Leben ihrer Meinung nach einfacher.
Meine Freundin sieht wie immer fantastisch aus: schlank, aber muskulös, lange Beine, fast schwarzes, wunderschönes dickes und langes Haar, das sich leicht wellt. Ihr Gesicht ist schmal, die Nase ganz leicht gebogen, der Mund voll und sinnlich, die Wangenknochen hoch, die Augen dunkel und geheimnisvoll. Und immer perfekt gestylt, heute ganz in Orange. Für mich ist Carmen eine perfekte Frau.
„Bis auf das kleine Ding zwischen meinen Beinen“, würde sie antworten und dabei lachen.
Carmen fühlt sich als Frau, ist aber als Zwitter zur Welt gekommen. Sie hat ein ganz eigenes Geschlecht – keinen Penis, eher eine vergrößerte Klitoris. Als sie geboren wurde, sahen ihre Eltern allerdings nur ein Zipfelchen und nannten sie Carlos.
„Aber ich habe mich, seit ich denken kann, wie ein Mädchen gefühlt und mich auch so verhalten. Ich habe nur mit Mädchen gespielt, Puppen geliebt und die Kleider meiner großen Schwester angezogen.“ Irgendwann dämmerte den Eltern, dass Carlos anders war als andere Jungs. Sie gingen mit ihm zum Kinderpsychologen.
„Der meinte, dass ich wahrscheinlich schwul sei – ich wusste überhaupt nicht, was das heißen sollte.“
Aber in der Pubertät wurde allen, vor allem Carlos selbst, klar, dass er ein Mädchen war, denn jetzt wuchsen ihm Brüste. Und er wurde sich auch bewusst darüber, dass er wie ein Mädchen fühlte.
„Wir gingen zur Frauenärztin und bekamen die Diagnose ‚intersexuell‘.“ Das heißt: Carmen hat die Veranlagung zu beiden Geschlechtern, aber die Frau in ihr dominiert.
„Die Natur konnte sich wohl nicht entscheiden“, meinte die Ärztin. Carlos war erleichtert, endlich zu wissen, was mit ihm los war und entschied sich für eine neue weibliche Identität unter dem Namen Carmen. Seit sie volljährig ist, kann sie entscheiden, ob sie ihr Geschlechtsteil operativ angleichen will, aber Carmen ist zufrieden mit ihrem Körper. Sie nimmt weibliche Hormone.
„Mehr brauche ich nicht. Ich liebe das kleine Teil zwischen meinen Beinen, es bereitet mir viel Freude“, sagt sie. „Eigentlich haben nur andere ein Problem damit.“
Carmen ist wie gesagt bisexuell, obwohl sie das so nie ausdrücken würde.
„Ich bin in alle Richtungen und Öffnungen offen.“
Bei ihrem Aussehen mangelt es ihr nicht an Angeboten.
„Probleme gibt es eigentlich nur mit heterosexuellen Männern. Am Anfang hab ich vorher nix gesagt und gedacht, das bereden wir dann, wenn’s so weit ist. Aber das war ein Fehler. Viele Typen sind regelrecht schockiert, wenn sie feststellen, dass sich zwischen meinen Beinen etwas anderes befindet, als sie erwartet haben.“
Carmen hat schon die unmöglichsten Situationen erlebt: Sie wurde ausgelacht, stehen gelassen oder beschimpft.
„Einmal hat ein Typ mir eine gescheuert“, hat sie uns erzählt. „Der war so entsetzt, weil wir uns schon geküsst hatten, der ist völlig ausgeflippt. ‚Du hast mich hinters Licht geführt, du Schlampe!‘“
„Und wie hast du reagiert?“, wollte ich wissen.
„Och, da war ich schon cool. Ich hab ihm gesagt: ‚Darling, du willst mich doch gar nicht schlagen. Du willst dich selber schlagen, weil’s dir peinlich ist, dass du richtig Lust hättest, mit einer Interfrau Sex zu haben. Aber du verbietest es dir, aus Schamgefühl.‘ Daraufhin hat er kein Wort mehr gesagt, und ich hab ihm zum Abschied eine zurückgescheuert.“
Seit weiteren ähnlichen Erfahrungen geht Carmen offensiv mit ihrem Geschlecht um. Wenn ein Typ sie anmacht, sagt sie:
„Darling, überleg es dir gut, denn du spielst mit dem Feuer. Ich bin zu 98 % das, was du siehst, aber die restlichen 2 % befinden sich zwischen meinen Beinen. Also überleg mal.“
Viele Kerle sind zuerst perplex und checken es nicht.
„Nachdenken!“, wiederholt Carmen dann, und meistens fällt der Groschen.
„Wenn er nicht fällt, hat es sowieso keinen Zweck. Ich will ja niemanden traumatisieren“, sagt Carmen. „Und wenn er fällt, sind 95 % auf der Stelle weg. Meistens murmeln sie irgendeine blöde Entschuldigung wie: ‚War nett, dich kennenzulernen, ich muss jetzt leider los.‘ Aber die restlichen 5 % machen richtig Spaß. Ist ja logisch: Wer sich auf eine Interfrau einlässt, ist experimentierfreudig. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für guten Sex.“
Wenn Carmen so aus dem Nähkästchen plauderte, habe ich mir oft gewünscht, ich wäre wie sie. So offen, direkt und frei.
„Darling“, sagt sie beim Reinkommen, „du siehst gut aus. Viel besser als beim letzten Mal. Was ist passiert? Bist du endlich über diesen Idioten hinweg? Hast du dich etwa verliebt?“
„Nicht direkt“, antworte ich. „Aber es ist tatsächlich etwas passiert.“
Ich erzähle ihr alles: von meinem langweiligen Sex mit David-Alexander, meiner jämmerlichen erotischen Vergangenheit, meinem Zukunftsplan, meiner 10-Punkte-Liste, meiner Begegnung mit Ramon …
„Ramon!“, kreischt sie begeistert. „Der Salsatänzer? Den kenne ich. Ein fantastischer Liebhaber. Sehr gute Wahl!“
Hab ich’s mir doch gedacht: Ramon lässt nichts anbrennen.
„Ich bin so froh, dass du über diesen Idioten hinweg bist. Wir haben uns immer gefragt, wie der wohl im Bett war. Man konnte sich das einfach nicht vorstellen.“
„Na ja“, sage ich betreten, „er war im Bett nicht anders als im normalen Leben. Insgesamt eher trocken.“
„Oh, Luzy-Darling, warum hast du nie etwas gesagt?“
„Am Anfang dachte ich, es ist normal, wie es ist. Dann hoffte ich, dass der Sex sich mit der Zeit verbessert, und zuletzt war es mir einfach nur peinlich.“
„Hatte er wenigstens einen schönen Schwanz?“, will Carmen wissen.
„Ich fand schon, aber ich habe ja noch nicht allzu viele Exemplare live gesehen. Auf jeden Fall war er gerade!“
Wir lachen.
„Und?“, fragt sie. „Wen legst du als Nächstes flach?“
„Keine Ahnung.“
Ich zähle meine Optionen auf, und als ich bei Gary aus dem Café ankomme, unterbricht Carmen mich.
„Luzy, die können alle warten, die laufen ja nicht weg. Jetzt gehst du erst mal am Samstag mit mir auf einen Kostümball. Die Sängerin aus unserem Ensemble feiert ihren 40. Geburtstag, und ich habe noch keine Begleitung!“
Carmen arbeitet als Kostümbildnerin beim Musical und hat wirklich verrückte Kollegen: Tänzer, Sänger, Bühnenarbeiter. Wann immer ich sie dort besucht habe, hatten wir jede Menge Spaß. Wobei …
„Sind die meisten Typen bei euch am Theater nicht schwul?“, frage ich besorgt.
„Ach, Darling, nicht nachdenken! Du willst doch Erfahrungen sammeln. Also lass dich einfach drauf ein.“
„Was ist denn das Motto?“, will ich wissen.
„Tanz der Vampire“, sagt Carmen. „Unser neues Musical. Kennst du den Film?“
Klar kenne ich den: Transsylvanien, Vampire, die Szene im Ballsaal.
„Als was gehst du?“
„Als Graf von Krolock, der Obervampir. Und du gehst als die schöne Sarah, auf die der Obervampir scharf ist.“
Carmen stürzt sich auf mich und beißt mir in den Hals.
„Ich