Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
er nichts besaß. Sie liebte ihn. Als sie das Craig sagte, drehte er durch. Er brachte das Mädchen um und gestand seinem Vater die Tat. Der reagierte blitzschnell. Für den alten Craig stand außer Frage, dass in Wahrheit Gilbert Osborne der wahre Schuldige war und dass es galt, ihm die Tat anzuhängen. Craig kaufte einen Gangster, der es fertigbrachte, Osbornes Pistole zu stehlen. Der Gangster erschoss damit Marlowe, der tatsächlich den Mord beobachtet hatte. Dann rief man Osborne unter einem Vorwand in Marlowes Wohnung. Dort fand er den Toten, und daneben die eigene Pistole. Er verständigte sofort die Polizei, aber die glaubte ihm nicht, sie hielt ihn für den Mörder.“
„Warum erzählen Sie mir das alles? Sie halten Osborne für unschuldig. Vielleicht war es so, vielleicht nicht. Was mich angeht, so war ich verpflichtet, zu sagen, was ich gesehen hatte. Nicht mehr und nicht weniger.“
„Waren Craig und Sie damals nicht miteinander befreundet?“, fragte der Mann.
„Das ist zu viel gesagt. Wir spielten manchmal eine Partie Golf miteinander.“
„Richtig. Ich nehme an, dass der alte Craig bei diesen Gelegenheiten erfuhr, wie miserabel Ihre Ehe ging und wie abgebrannt Sie waren. Er offerierte Ihnen Geld für eine neue Existenz. Als er Ihnen den Preis nannte, gingen Sie darauf ein.“
„Den Preis?“, murmelte Conroy.
„Ja. Um seinen Sohn zu entlasten und um Osborne die Tat anzuhängen, war es wichtig, einen unverdächtigen ,Zeugen‘ zu finden, einen Mann ohne Vorstrafen. Einen gutbürgerlichen Einwohner der Stadt, dessen Aussage hieb und stichfest war und der, wie es schien, nicht in Verdacht geraten konnte, von einer der Parteien bestochen worden zu sein. Dieser Mann waren Sie. Wieviel hat der alte Craig Ihnen für die erfundene Aussage gezahlt? Wieviel bekamen Sie für die Behauptung, Gilbert hätte Marlowes Haus mit einer Pistole in der Tasche betreten?“
„Sie sind wahnsinnig!“
„Wieviel?“, fragte der Mann scharf.
Conroy griff sich ans Herz.
„Mir geht es nicht gut. Ich brauche meine Tabletten.“ Er erhob sich, fiel aber sofort wieder auf den Stuhl zurück. Er fühlte die stahlblauen Augen des Fremden auf sich gerichtet, spürte die seltsam schlappen Schläge seines Herzens und hatte Angst, dass es im nächsten Moment gänzlich aussetzen könnte.
„Wieviel?“, fragte der Mann.
„Sind Sie Reporter? Sind Sie einer von denen, die in der Vergangenheit herumstochern, um sich damit eine goldene Nase zu verdienen?“, wollte Conroy wissen.
„Nein“, erwiderte der Mann. „Ich bin ein Rächer.“
„Ein Rächer“, wiederholte Conroy und blickte in die kalten, blauen Augen. Er fühlte sich immer noch schwach, aber der Rhythmus seines Herzens stabilisierte sich. Plötzlich war er froh, über die alte Geschichte sprechen zu können.
„Wissen Sie“, sagte er schleppend. „Ich leide heute noch unter dieser Sache. Es gab so vieles, was für die Täterschaft von Gilbert Osborne sprach, dass ich mich schließlich bereit erklärte, gegen ihn auszusagen. Es stimmt, ich tat es, um dem alten Craig einen Gefallen zu tun, und es ist auch richtig, dass er mich dafür bezahlte.“
„Sie wissen, welches Gewicht diese Aussage hat?“, fragte der Fremde.
„Ja. Rollen Sie in drei Teufels Namen den Fall nochmals auf, zerren Sie mich vor den Kadi, aber erwarten Sie nicht, dass Sie damit etwas ändern! Hank hat eine Frau geheiratet, mit der er unglücklich geworden ist. Der alte Craig, der das Verbrechen seines Sohnes vertuschte und Marlowe opferte, ist längst tot. Und Gilbert, der gleichfalls ein Opfer der Tragödie wurde, können Sie nicht wieder lebendig machen.“
„Das weiß ich. Nur bin ich nicht der Mann, der bereit ist, so fatalistisch zu reagieren. Gilbert Osborne hat mir seinerzeit Vater und Mutter ersetzt, er war das einzige, was ich besaß“, sagte der Mann.
„Sie sprechen in Rätseln!“
„Ich war ein Waisenkind. Gilbert, der um vieles Ältere, hat sich damals um mich gekümmert, er hat mir bei den Schulaufgaben geholfen, er war immer zur Stelle, wenn ich jemand brauchte, der mich beschützte. Damals war ich zehn. Ich war elf, als man ihn auf den Stuhl setzte. Jetzt bin ich 36.“
„Sie müssen Fred Sayers sein“, murmelte Conroy, dem es wie Schuppen von den Augen fiel. „Sie liefen, soviel ich weiß, Ihren Pflegeeltern davon, als Sie zwölf waren.“
„Diese sogenannten Pflegeeltern haben mich geprügelt. Sie hatten mich nur bei sich aufgenommen, um den Zuschuss der Stadt und des Staates kassieren zu können.“
„Fred Sayers“, meinte Conroy kopfschüttelnd. „Wer hätte das gedacht!“
„Ich wusste, dass Gilbert unschuldig war. Ich wusste, dass er Cynthia geliebt hatte und dass sie seine Gefühle erwiderte. Ich war damals nur ein Kind, aber ich durchschaute bereits, was gespielt wurde. Ich nahm mir vor, Gilberts Tod zu rächen. Es hat bis heute gedauert, dass ich aktiv werden konnte.“
„Was haben Sie vor?“
„Das ist leicht erklärt, Conroy. Ich sorge dafür, dass Sie enden wie Gilbert.“
„Sie wollen mich umbringen?“, murmelte Conroy mit weit aufgerissenen Augen. Er spürte schon wieder sein Herz. Es machte ihm Angst, aber noch mehr Furcht flößte ihm der Mann mit den stahlblauen Augen ein. Der schien es nicht eilig zu haben, seine Drohung in die Tat umzusetzen. Er sah, wie sein Gegenüber sich quälte und schien diesen Umstand zu genießen.
„Ja, ich will Sie umbringen“, bestätigte Sayers. „Sie sind die Nummer zwei auf meiner Liste. Mit Dark habe ich begonnen.“
„Wer ist das?“
„Derek Dark. So nannte er sich zuletzt. Sein Geburtsname lautete Martin Cervato. Er war der Henker.“
„Hören Sie, Sayers ...“
Sayers stand auf.
„Kommen Sie, wir gehen!“
„Wohin?“
„Das wissen Sie doch. Der Stuhl erwartet Sie.“
„Der Stuhl?“, krächzte Conroy.
„Bin ich so schlecht zu verstehen? Sie wissen natürlich, dass ich von dem elektrischen Stuhl spreche, auf dem mein Freund Gilbert endete. Ich habe das Werkzeug für Sie auf Vordermann bringen lassen. Es hat bereits im Falle von Derek Dark bewiesen, wie funktionstüchtig es ist.“ Conroy war leichenblass. Er griff sich an sein Herz.
„Bitte, Sayers ...“
„Ich warte“, sagte Sayers scharf.
Leo Conroy stemmte sich hoch. Er schwankte wie betrunken, machte ein paar Schritte zur Terrassentür hin und brach dann abrupt zusammen.
„Verdammtes Theater!“, stieß Sayers hervor. Er ging um den Tisch herum und kickte Conroy mit der Fußspitze mehrere Male hart in die Rippen. „Aufstehen, oder ich mache Ihnen Beine!“
Conroy rührte sich nicht.
Sayers runzelte die Augenbrauen. Ihm dämmerte, dass das Geschehen nicht gespielt war. Er beugte sich zu Conroy hinab, wälzte ihn auf den Rücken und versuchte, seinen Puls aufzuspüren. Es gab keinen mehr.
Leo Conroy war tot.
8
Bount besuchte Ronald M. Preston zwei Tage nach Leo Conroys Tod in dessen Haus am Ortsrand von Hammond. Es war ein Holzhaus, eines von der Art, wie sie zu Dutzenden in der Gegend stehen, rostbraun gestrichen, mit grünen Fensterläden und einem Stepwalk, an dessen Dach eine Schaukelbank mit langen Ketten befestigt war, ein Bild satter Bürgerlichkeit, ein Stück Tradition.
Preston empfing Bount mit einem kräftigen Handschlag.
„Es tut gut, Sie zu sehen“, sagte er. „Nehmen Sie Platz, mein