Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis - Walter G. Pfaus


Скачать книгу
„Ich kann mir denken, weshalb Sie gekommen sind“, sagte Preston. „Sie sind über die Todesanzeige von Leo Conroy gestolpert.“

      „Stimmt. Er ist einer der Namen, die in den Fällen, die Sie mir zum Studium übergaben, eine wichtige Rolle spielte“, sagte Bount.

      Preston setzte sich.

      „Er war, wenn man so will, der Hauptbelastungszeuge in den Mordfällen Hopkins Marlowe. Na, und? Der Mann, der durch die Zeugenaussage auf dem Stuhl landete, hat unseres Wissens keine Verwandten hinterlassen, die ihn nach so langer Zeit rächen wollen könnten. Conroy ist an akutem Herzversagen gestorben, und nicht auf dem elektrischen Stuhl.“

      „Ich greife nach jedem Strohhalm, der sich mir bietet“, sagte Bount. „Ich frage mich, wodurch das akute Herzversagen ausgelöst wurde.“

      „Sprechen Sie am besten mit dem Doktor! Wir haben nur einen von Rang in Hammond. Doktor Cummings wird Ihnen sagen, wie das Unglück zustande gekommen ist, nehme ich an ... aber vielleicht hilft Ihnen auch die trauernde Witwe weiter“, schloss er mit einem Anflug grimmigen Spotts.

      „Sie sagen das ein wenig anzüglich“, erkannte Bount. „Ist mit der Dame etwas nicht in Ordnung?“

      „Ich habe den Eindruck und ich bin nicht der einzige, der so denkt, dass sie ihren Mann bei jeder sich passenden Gelegenheit betrogen und übers Ohr gehauen hat. Ich kann nicht ausschließen, dass er davon Wind bekam und deshalb ausflippte. Nein, es hat wenig Sinn, Conroy mit Darks Tod und dem gestohlenen elektrischen Stuhl in Zusammenhang bringen zu wollen.“

      „Erinnern Sie sich an den Fall Hopkins-Marlowe?“

      „Ja, eine Eifersuchtsgeschichte. Zwei Männer bemühten sich um dasselbe Mädchen. Um Cynthia Hopkins. Sie liebte den Armen, heißt es, aber dann entschied sie sich für den Reichen. Der Arme drehte durch, er erwürgte sie. Anschließend erschoss er den einzigen Zeugen des Verbrechens, einen Mann namens Marlowe. Conroy hat gesehen, wie der Täter Gilbert Osborne Marlowes Haus zur Tatzeit betrat.“

      „Aus den Unterlagen geht hervor, dass es Osborne war, der die Polizei verständigte.“

      „Das war ein Trick von ihm, nehme ich an. Er baute darauf, dass diese Handlung ihn unschuldig erscheinen lassen würde, aber am Ende musste er vor der Beweisfülle kapitulieren“, erklärte Preston.

      „Er hat bis zur letzten Minute seine Unschuld beteuert“, sagte Bount.

      „Ich weiß. In dem Aktenköfferchen, das ich Ihnen überlassen habe, gibt es sieben weitere Fälle, wo die Delinquenten bis zum Tode behaupteten, unschuldig zu sein. Das ist die übliche Trotzhaltung, darauf gebe ich nicht viel.“

      Bount verabschiedete sich und ging. Kurz nach zwanzig Uhr stand er Doktor Cummings gegenüber. Der Arzt war ein kräftiger, gesund aussehender Mann, der trotz der Hitze, die über dem Land lag, einen Anzug mit Schlips und Kragen trug.

      Bount stellte sich vor. Cummings führte ihn in sein Wohnzimmer.

      „Es geschieht zum ersten Mal, dass ich das Vergnügen habe, mit einem Privatdetektiv zu sprechen“, sagte er, „dazu noch mit einem, der sich in einer so schillernden, harten Stadt wie New York behaupten muss. Setzen Sie sich doch“, meinte er und ließ sich selbst in einen ledernen Ohrensessel fallen. „Erwarten Sie sich aber von mir bitte keine zu große Hilfe, worum es auch gehen mag ... ich bin weitgehend an meine ärztliche Schweigepflicht gebunden.“

      „Es handelt sich um den Jod von Leo Conroy.“

      Cummings sah überrascht aus.

      „Das ist kein Kriminalfall, nichts, was Polizei, Gerichte oder einen Privatdetektiv interessieren könnte. Er ist eindeutig das Opfer eines Herzversagens geworden.“

      „Wusste er, wie es um ihn stand?“

      „Er klagte schon seit längerer Zeit über eine gewisse Insuffizienz des Herzens. Ich kann Ihnen die letzten Elektrokardiogramme zeigen. Sie sind von Mal zu Mal schlechter ausgefallen, obwohl wir uns bemüht haben, die notwendigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“

      „Hat sein Tod Sie also in keiner Weise überrascht?“

      Cummings spitzte die Lippen.

      „Ein wenig schon.“

      „Warum?“

      „Ich habe ihm, offen gestanden, mindestens noch drei Jahre gegeben. Er muss das Opfer einer ungewöhnlichen Belastung geworden sein. Leider können wir seine Frau nicht fragen, welcher Art dieser Stress war. Gloria befand sich nicht im Haus, als das Unglück geschah.“

      „Wo wurde der Tote gefunden, und von wem?“

      „Gloria kam gegen Sieben nach Hause, da lag er auf der Terrasse, tot. Sie hat mich sofort angerufen. Die Leichenstarre war noch nicht eingetreten. Vieles spricht dafür, dass der Anfall gegen achtzehn Uhr erfolgt sein muss und augenblicklich zum Tode führte“, meinte der Arzt.

      „Gab es Anzeichen dafür, dass er Besuch erhalten hatte?“, fragte Bount.

      „Nein. Auf dem Tisch stand nur ein einziges Glas. Wie mir der Polizeileutnant später versicherte, enthielt es nur Conroys Fingerabdrücke.“

      Bount sah erstaunt aus.

      „Ich wusste nicht, dass die Polizei hinzugezogen wurde.“

      Cummings sah verlegen aus.

      „Das lag an mir. Ich habe sie angerufen. Es stimmt, dass es normalerweise nicht üblich ist, bei einem so evidenten Herzversagen die Polizei einzuschalten, aber Conroy war, müssen Sie wissen, ein Mann, der einmal für Schlagzeilen gesorgt hatte und der seitdem unter gewissen Depressionen litt.“

      „Warum?“

      „Ich weiß es nicht.“

      „Ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich dennoch ein paar Gedanken darüber gemacht haben.“

      „Ich werde mich hüten, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Conroy ist tot. Welchen Sinn hätte es, ihm im Nachhinein etwas anhängen zu wollen?“

      „Die Art Ihrer Formulierung lässt darauf schließen, dass an seinem Leben nicht alles so untadelig war, wie man es von einem soliden Bürger erwarten sollte.“

      „Er hat gelitten. Nach meinen Dafürhalten hing es mit dem Prozess zusammen, in dem er seinerzeit mit seiner Zeugenaussage Gilbert Osborne dem Henker auslieferte. Natürlich war Osborne schuldig, für mich gibt es da gar keinen Zweifel, aber Conroy, der sehr sensibel zu sein vermochte, hat es fraglos gequält, dass er gleichsam den letzten Anstoß zu dem Todesurteil geben musste. Es gab noch andere Dinge, die ihn bedrückten und seiner Krankheit nicht gerade dienlich waren. Seine Ehe zum Beispiel. Er hat mir gegenüber niemals darüber gesprochen, aber unter denen, die ihn kannten, ist es ein offenes Geheimnis, dass er nicht sehr glücklich war.“

      Bount verabschiedete sich und ging.

       9

      Um Neun klingelte er an der Tür von Leo Conroys Haus. Die Witwe öffnete ihm, ganz in Schwarz gewandet. Die Farbe stand ihr gut zu Gesicht. Außerdem war zu erkennen, dass ihre Trauerkleidung der neuesten Mode entsprach und mehr Chic als Tristesse verbreitete.

      Bount zückte seine Karte. Die Witwe führte ihn ins Wohnzimmer. Man setzte sich.

      „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte Gloria Conroy. Sie sprach leise und war bemüht, ihrer Rolle als leidender Witwe gerecht zu werden, aber die heimliche Koketterie, die in ihren Augen aufblitzte und ihm signalisierte, dass er genau der Typ war, auf den sie flog, machte deutlich, was von ihrer ,Trauer‘ zu halten war.

      „Danke, nein. Ich habe nicht vor, Sie lange aufzuhalten. Ich weiß, dass Leo herzkrank war und dass sein Ende nicht völlig überraschend kam, dennoch wirft es ein paar Fragen auf, die mich interessieren. Selbst Doktor Cummings ist der Meinung, dass Leo durch eine besondere Aufregung in den


Скачать книгу