Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
seiner Gesundheit schien etwas nicht zu stimmen“, sagte Preston. „Allen Unkenrufen zum Trotz ist er heute noch gesund und rüstig, aber ich habe Angst, dass sich das über Nacht ändern könnte. Ich habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, was mit dem Stuhl, mit Dark und mit Conroy passierte.“
„Wie hat er es aufgenommen?“
„Sehr gelassen. Er ist der Meinung, damals immer nur seine selbstverständliche Pflicht getan zu haben. Er hat keine Angst. Ich wünschte, das würde mich beruhigen. Leider ist das nicht der Fall. Ich mache mir Sorgen um Kimball ... genau wie um Craig.“
„Vielleicht sollte man die beiden unter Polizeischutz stellen“, schlug Bount vor.
„Ich habe einen dementsprechenden Antrag gestellt, aber ich glaube nicht, das er zu verwirklichen sein wird. Erstens müssen die Betroffenen sich damit einverstanden erklären, und zweitens herrscht, wie ich weiß, bei der Behörde akuter Personalmangel. Wie gesagt, es wird schwierig sein, für den Antrag Befürworter zu finden.“
„Wo wohnt Kimball?“
„Er hat ein hübsches, kleines Reihenhaus in der Rose Street, dem alten Nobelviertel von Hammond. Ein Mann ohne Sorgen.“
„Wie schön für ihn.“
„Er macht sich keine“, sagte Preston grimmig, „aber Sie und ich wissen, dass er gute Gründe hätte, etwas weniger optimistisch in die Zukunft zu schauen.“
„Mich würde interessieren, wer gegenwärtig in Hammond Station macht“, sagte Bount. „Mich fesseln in diesem Zusammenhang vor allem Leute, die in Hammond geboren wurden und längere Zeit nicht in dieser hübschen Stadt weilten.“
„Glauben Sie, dass unser Mann sich darunter befindet?“
„Es ist keine Glaubensfrage“, meinte Bount. „Wie Sie wissen, kommt mein Beruf nicht ohne wissenschaftliche Routine aus.“
„Sie werden lachen“, sagte Preston und grinste schwach, „aber die Überlegung, die Sie gerade zum Ausdruck bringen, hat mich dazu gebracht, die Gästebücher der Hotels einzusehen. Unter den Eintragungen ist keine, auf die Ihre Beschreibung passt. Auch sonst sind mir keine Besucher bekannt, die sich für unsere Konstruktion eignen.“
„Man müsste, um die Nachforschungen fundiert zu gestalten, auch die Motels, die sich in der Nähe befinden, und die Hotels der nächsten größeren Städte unter die Lupe nehmen“, sagte Bount.
„Das ist Ihre Aufgabe, mein Lieber, dafür bezahle ich Sie“, meinte Preston.
„Was hat Kimball zu der merkwürdigen Verbindung gesagt, die sich aus dem Anschlag auf den Henker und Leo Conroys Tod herstellen lässt?“
„Ein Henker lebt gefährlich“, meinte Preston. „Das waren seine Worte. Was Conroy angeht, so ist Kimball davon überzeugt, dass es sich um ein schlichtes Herzversagen gehandelt haben muss.“
„Staatsanwälte leben nicht weniger gefährlich als Henker“, sagte Bount. „Oder ist Kimball da anderer Ansicht?“
„Offenbar. Ich wiederhole mich. Er ist ein Mann ohne Angst“, sagte Preston.
„Integer?“, fragte Bount.
Preston runzelte die Augenbrauen.
„Ein Mann in seiner Stellung ... warum fragen Sie?“
„Sie kennen den Grund. Wenn damals mit gezinkten Karten gespielt wurde, muss Kimball den Betrug erkannt haben.“
„Muss er das? Die Ermittlungsergebnisse und Conroys Aussage sprachen eindeutig gegen Osborne.“
„In Ihren Worten meine ich ein gewisses Unbehagen zu erkennen“, sagte Bount.
„Wer weiß schon wirklich, was damals war? Conroy hat es gewusst, aber der ist tot. Craig weiß es ... aber der wird nichts sagen, was ihm schaden könnte. Was nun Kimball angeht, so galt er seinerzeit als scharfer Hund, als ein Mann, der niemals Konzessionen machte und unnachsichtig gegen Leute vorging, die er für schuldig hielt. Er glaubt heute noch an die abschreckende Wirkung hoher Strafen. Es ist ein Teil seiner Philosophie.“ Bount blickte auf seine Uhr. „Ihr Whisky“, mahnte Preston. „Er steht schon seit Minuten vor Ihnen.“
Bount genehmigte sich einen Schluck.
„Ich würde gern schlafen gehen“, meinte er, „aber ich werde voraussichtlich kein Auge schließen können.“
„Ich habe Sie unruhig gemacht, was? Aber ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, Blut zu riechen ... es ist eine quälende und zutiefst beunruhigende Erfahrung. Ich wünschte, ich wüsste, was dagegen zu tun ist. Wenn wir hier in der Bar sitzen und Gedanken austauschen, ist das sicherlich der falsche Weg, um weitere Gewalttaten zu verhindern.“
„Da ist noch ein Punkt, der mich beschäftigt“, meinte Bount und rieb sich das Kinn. „Der elektrische Stuhl. Er ist ein massives Möbelstück, das sich nicht im Kofferraum eines Wagens transportieren lässt, allenfalls in einem geräumigen Stationcar. Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass es von den Dieben in einen Kastenwagen montiert wurde. Dieses Fahrzeug muss in New York gewesen sein. Möglicherweise ist es längst wieder hier, in Hammond. Wo gibt es übrigens in unmittelbarer Nähe Starkstromleitungen, die sich anzapfen und für den gedachten Zweck aktivieren lassen?“
„Davon gibt es mehr als genug. In Hammond, in der Umgebung, praktisch überall“, meintePreston. „Ich kann nicht an jedem Hochspannungsmast einen Posten aufstellen lassen. Fest steht, dass der Umgang mit dem Starkstrom einen Fachmann erfordert.“ Bount nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas, glitt vom Hocker und winkte den Barkeeper heran. „Lassen Sie“, meinte Preston. „Die Zeche übernehme ich. Sie sind mein Gast. Sie wollen gehen?“
„Ja.“
„Offenbar haben Sie keine Lust, mir Ihr Ziel zu verraten. Falls Sie sich für Kimball interessieren sollten, werden Sie keine Mühe haben, von ihm empfangen zu werden. Er weiß, dass Sie hier sind. Er ist ein Nachtmensch. Er geht selten vor zwei Uhr morgens ins Bett.“
„Ich war übrigens bei Craig.“
„Das überrascht mich nicht. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?“
„Er hat Angst. Er weiß, was ihn bedroht.“
„Wundert Sie das?“
„Ich frage mich, wie sich sein schlechtes Gewissen erklärt“, meinte Bount.
„Ich nehme an, Sie haben ihn danach gefragt.“
„Die Antwort war nicht sehr ergiebig.“
„Hank ist kaputt.“
„Wegen der Osborne-Geschichte?“
„Möglich, aber wohl eher wegen seiner verpfuschten Ehe.“
Bount fielen die Conroys ein.
„Darauf scheint man in Hammond spezialisiert zu sein“, sagte er.
„Nicht nur in Hammond, nehme ich an.“
„Vielleicht hat es andere Gründe“, meinte Bount. „Ursachen, die im seelischen Bereich zu suchen sind. Setzen wir einmal den Fall, dass Craig und Conroy dafür sorgten, dass ein Unschuldiger auf dem Stuhl landete. Muss das nicht ihr Inneres in einer Weise verbogen haben, das sie unfähig machte oder macht, ein gesundes, harmonisches Eheleben zu führen?“
„An tiefen psychologischen Fragen bin ich nicht interessiert“, sagte Preston. „Ich will, dass Sie den verdammten elektrischen Stuhl auftreiben ... und ich will, dass das geschieht, bevor das Monstrum erneut auf volle Leistung gedreht wird.“
10
„Ich liebe dich“, flüsterte die junge Frau.
Fred Sayers lag neben ihr im Bett, angelte sich eine Schachtel Zigaretten vom Nachttisch und zündete