Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis - Walter G. Pfaus


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ab. Es war beginnende Angst. Sayers lächelte. Sein Lächeln war kalt und drohend.

      „Ganz einfach“, sagte er. „Ich wende Gewalt an.“

      Im nächsten Moment schlug er zu.

      Der Kopf des Alten flog zurück. Kimball sah entsetzt, wie Blut seine weiße Hemdbrust rötete. Er schluckte, er wollte etwas sagen, aber der Schmerz, der ihn quälte, und die Bedrohung, der er sich ausgesetzt sah, waren zu viel für ihn. Sie zerstörten seinen Stolz und seine Haltung, sie reduzierten sein Selbstbewusstsein nahezu auf Null.

      „Das war nur eine Kostprobe“, sagte Sayers.

      Das Telefon klingelte. Kimball zog mit zitternder Hand ein weißes Tuch aus seiner Hosentasche und stoppte damit die Blutung seiner Nase.

      „Wer kann das sein?“, fragte Sayers stirnrunzelnd.

      „Ich weiß es nicht.“

      „Erhalten Sie oft Anrufe um diese Zeit?“

      „Nicht sehr oft, aber hin und wieder passiert es schon“, sagte Kimball mit schwacher Stimme. „Die Leute wissen, dass ich ein Nachtmensch bin und dass es mir nichts ausmacht, zu später Stunde gestört zu werden.“

      „Wie ich sehe, haben Sie einen Telefonlautsprecher“, sagte Sayers. „Nehmen Sie das Gespräch entgegen! Stellen Sie den Lautsprecher an und tun Sie so, als sei alles in schönster Ordnung! Wenn Sie versuchen sollten, den Anrufer zu warnen, wird das Ihre Lage nur erschweren.“

      Kimball nickte. Er erhob sich und strebte mit wackligen Beinen auf das Telefon zu, nahm den Hörer ab und sagte mit belegt klingender Stimme: „Kimball.“

      „Craig“, tönte es aus dem Lautsprecher. „Sind Sie allein, Kimball?“

      Kimball machte eine kurze Pause, dann erwiderte er: „Ja. Warum fragen Sie?“

      „Ich muss Sie sprechen, Sir.“

      „Das tun Sie doch“, meinte Kimball und ließ sich in den Sessel fallen, der neben dem Telefon stand. Er blickte dabei Sayers an. Dessen Gesicht zeigte keinen Ausdruck, es wirkte völlig leer, aber es war eine Leere, die dem Mann am Telefon Angst machte.

      „Ich nehme an, Sie haben inzwischen erfahren, was los ist. Es hat Conroy erwischt. Vorher ist der Henker abserviert worden. Jetzt soll es uns an den Kragen gehen.“

      „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“

      „Sie wissen es. Ich wette, dass Sie es wissen. Wie haben Sie nur mit diesem Wissen leben können, als sei nichts geschehen, Mann?“

      „Ich verstehe nicht recht, was Sie damit auszudrücken versuchen“, meinte Kimball.

      „Ja, haben Sie denn gar kein Gewissen?“

      „Oh doch“, sagte Kimball. „Es hilft mir, hoffe ich, stets die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

      „Damals, als es Osborne an den Kragen ging, muss es geschlafen haben.“

      „Sie reden Unsinn, Hank!“

      „Ich habe Cynthia getötet. Ich ganz allein. Das haben Sie gewusst!“, stieß Craig hervor.

      „Sie sind verrückt, Hank.“

      „Vielleicht bin ich es. Ein Wunder wäre es nicht. Fünfundzwanzig Jahre musste ich mit dem Wissen leben, dass ein anderer für den Mord, den ich begangen habe, sein Leben lassen musste. Bis zu dieser Stunde habe ich mit keinem Menschen über das gesprochen, was mich quälte und bewegte. Jetzt tue ich es. Ich muss mir Luft verschaffen. Ich muss herausfinden, wie andere mit dieser Belastung fertig geworden sind. Zum Beispiel Sie. Mein Vater hat damals mit Ihnen gesprochen. Ich weiß nicht, was er Ihnen gesagt und was er Ihnen gezahlt hat, aber ich bin sicher, dass dieser Besuch bei Ihnen dazu beitrug, Gilbert Osbornes Schicksal zu besiegeln.“

      „Sie sollten einen Psychiater aufsuchen, Hank“, sagte Kimball. Seine Stimme hörte sich an, als käme sie aus einem alten Trichtergrammophon.

      „Ich hab’s zweimal versucht, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, mit der Wahrheit herauszurücken. Ich tue es jetzt. Ich muss das Gefühl haben, nicht allein an Gilberts Tod die Schuld zu tragen. Ich brauche Verbündete. Ich kann das nicht länger allein mit mir abmachen ...“ Ein Schluchzen erstickte seine Worte.

      Kimballs Gesicht sah lederner aus als zuvor. In den hellen Augen wogten graue Nebel.

      „Was erwarten Sie von mir?“, fragte er.

      „Sagen Sie mir, dass ich nicht allein die Schuld trage. Vielleicht finde ich dann die Kraft, zusammen mit Ihnen und den anderen einen Weg zu beschreiten, der mir Erlösung bringt.“

      „Haben Sie getrunken?“

      „Was hat das damit zu tun?“

      „Haben Sie getrunken, ja oder nein?“

      „Ja, zum Teufel! Glauben Sie, ich hätte im nüchternen Zustand den Mut, mich Ihnen in dieser Weise zu offenbaren?“, schrie Craig.

      „Beruhigen Sie sich, Hank! Schlafen Sie erst einmal aus! Morgen früh werden Sie sich fragen, wie es dazu kommen konnte, dass Sie mir so törichte Dinge sagten.“

      Es klickte in der Leitung. Der Teilnehmer hatte aufgehängt.

      Horace Kimball legte den Hörer so behutsam auf die Gabel zurück, als sei sie aus Glas. Unter seiner ledernen Gesichtshaut war er aschfahl.

      „Wunderbar getimt“, sagte Sayers langsam und kaum hörbar. „Wenn es noch einen Zweifel an der Richtigkeit meiner Erkenntnisse und meines Handelns gegeben haben sollte, so ist er jetzt beseitigt.“ Kimball schwieg. Er starrte ins Leere. „Was wollte der alte Craig damals von Ihnen?“, fragte Sayers.

      „Nichts Besonderes. Er hat mir gegenüber lediglich beteuert, dass sein Sohn unschuldig sei.“

      „Warum hat er das gesagt? Hank saß nicht auf der Anklagebank“, meinte Sayers.

      „Es gab damals Gerüchte in der Stadt. Sie waren Craig zu Ohren gekommen und machten ihm Sorge.“

      „Gerüchte welcher Art?“

      „Es hieß, dass Hank das Mädchen umgebracht habe, und dass Hanks Vater mit Geld und schmutzigen Tricks versuche, den Sohn zu retten und dem unschuldigen Gilbert Osborne die Schuld in die Schuhe zu schieben.“

      „Wie reagierten Sie darauf?“

      „Ich habe vergessen, was ich ihm sagte. Es spielte für mich keine Rolle, was er dachte und was die anderen vermuteten. Für mich zählten nur die Fakten.“

      „Fakten? Sie haben sich von falschen Zeugenaussagen aufs Kreuz legen lassen!“

      „Irren ist menschlich.“

      „Dieser Irrtum hat Gilbert Osborne das Leben gekostet. Dafür werden Sie jetzt zahlen“, sagte Sayers und ging auf Kimball zu. Der hob abwehrend beide Hände.

      „Nicht schlagen, bitte!“, wimmerte er.

      „Stehen Sie auf! Ziehen Sie sich an, los!“, sagte Sayers. Er blickte auf seine Uhr. Er befand sich noch innerhalb des Zeitplanes, aber es wurde Zeit, dass er mit seinem Gefangenen das Haus verließ.

      Sayers folgte Kimball ins Schlafzimmer und sah zu, wie der Alte erst in seine Schuhe und dann in eine schäbige, karierte Sportjacke schlüpfte.

      „Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte Kimball.

      „Welchen denn?“

      „Ich packe aus. Ich sorge dafür, dass Hank bestraft und Ihr Freund Osborne rehabilitiert wird.“ „Großartig!“, höhnte Kimball. „Ist das Ihre Auffassung irdischer Gerechtigkeit? Das Ganze würde Sie zum Helden machen! Der Mann, der seinen eigenen Strafantrag revidiert und jene zur Verantwortung zieht, die ihn mit falschen Informationen und Aussagen fütterten. Horace Kimball, der gestrenge Staatsanwalt, wird allen ein leuchtendes


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