Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
Bount schob den Revolver zurück in den Schulterhalfter. Er wusste, wie der Mann aussah und wie er hieß. Morlock hatte keine Chance, zu entkommen.
Eine Tür klappte.
Bount drehte sich um. Fred Sayers verließ das Haus Nummer 8 und kam auf den Kastenwagen zu. Als er Bount neben dem Fahrzeug stehen sah, verlangsamten sich seine Schritte. Schließlich blieb er stehen, schweigend.
„Ich nehme an, Sie kennen mich“, sagte Bount und holte erneut den Revolver aus dem Halfter.
„Sie sind Bount Reiniger“, sagte Fred Sayers. Er war erstaunlich ruhig.
„Können Sie das Ungetüm fahren?“, fragte Bount.
„Das ist kein Kunststück.“
„Dann setzen Sie sich ans Steuer. Aber vorher würde ich es begrüßen, wenn Sie sich mit dem Gesicht zum Führerhaus stellten und beide Hände dagegen legten.“
„Ich bin nicht bewaffnet.“
„Tun Sie, was ich Ihnen sage!“
Sayers gehorchte. Bount überzeugte sich davon, dass sein Gegner nicht gelogen hatte. Er nahm ihm die Brieftasche ab. Sie enthielt sieben Tausender, zwei Hunderter und einige kleinere Banknoten, eine Kreditkarte, ein Scheckbuch, und einen Führerschein auf den Namen Fred Sayers. Es war hell genug, um den Namen deutlich lesen zu können.
„Okay“, sagte Bount, gab Sayers die Brieftasche mitsamt Inhalt zurück und kletterte auf den Beifahrersitz. Einen Moment lang schien es so, als versuchte Sayers Morlocks Beispiel zu folgen und zu fliehen, aber dann gab er sich einen Ruck und setzte sich hinter das Lenkrad. „Hier sind die Schlüssel“, sagte Bount.
„Wie haben Sie mich gefunden?“ Bount sagte es ihm. „Es ist meine Schuld“, meinte Sayers. „Ich wollte den Job in Hammond rasch hinter mich bringen. Das war falsch. Ich hätte mir Zeit nehmen sollen. Don hat mich gewarnt.“ Er blickte Bount an. „Wo ist er?“
„Getürmt. Er wird nicht weit kommen“, sagte Bount. „Wer ist der andere?“
„Welcher andere?“
„Sie sind mit zwei Männern nach Hammond gekommen.“
„Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich Ihnen irgendwelche Namen nenne.“
„Wie Sie wollen. Fahren Sie los!“
„Wohin?“
„Dumme Frage, zur Polizei natürlich. Das Fundamt ist nun mal für gestohlene elektrische Stühle nicht zuständig.“
„Sie wissen Bescheid, nicht wahr?“
„So ungefähr. Ich habe mit Craig gesprochen.“
„Wird er auspacken?“
„Ich denke schon.“
„Darf ich mir eine Zigarette anzünden?“
„Keine Einwände, aber beeilen Sie sich. Ich kann es nicht verantworten, Kimball noch länger schmoren zu lassen.“
„Kimball, dieses Miststück“, murmelte Fred Sayers und bekam schmale Augen. „Er wird diese Lektion nicht vergessen. In gewisser Hinsicht ist es gut, dass er am Leben bleibt. Ann hat mich überzeugt. Craigs Geständnis wird ihm den Hals brechen. Es wird für ihn eine größere Strafe sein, von seiner Umgebung verachtet und gedemütigt zu werden, als auf dem verdammten elektrischen Stuhl zu enden.“
„Wer hat auf den Schalter gedrückt, als Derek Darks Stunde gekommen war?“
„Was spielt das schon für eine Rolle? Ich wollte, dass er stirbt. Die anderen haben nur getan, was ich von ihnen verlangte“, erwiderte Sayers.
„Der Polizei gegenüber kommen Sie mit derlei Pauschalbemerkungen nicht durch.“
Sie fuhren los.
Fred Sayers Gesicht wirkte düster und verhangen. Bount schnallte sich an. Es war nicht auszuschließen, dass Sayers unterwegs versuchen würde, das Fahrzeug in einem Verzweiflungsakt gegen einen Baum oder eine Hauswand zu setzen.
„Was war mit Dwyer?“, fragte Bount.
„Wer ist Dwyer?“
Bount sagte es ihm. Fred Sayers schüttelte den Kopf.
„Ich kenne ihn nicht. Er hat nicht versucht, mich zu erpressen, also bestand auch kein Grund, ihn aus dem Wege zu räumen. Ich bin kein Killer, Reiniger. Ich bin ein Rächer.“
„Wissen Sie, wo sich das Police Headquarters der Stadt befindet?“
„Ja.“
Zehn Minuten später hatte Bount das deutliche Empfinden, dass Sayers planlos in der Gegend herumfuhr, um Zeit zu gewinnen.
„Wenn wir in fünf Minuten nicht am Ziel sind, passiert ein Unglück“, drohte Bount.
„Können Sie sich nicht vorstellen, wie mir zumute ist?“, fragte Sayers.
„Sie hatten vorher mehr als genug Zeit, sich über die Konsequenzen Ihres Tuns klarzuwerden.“
„Daran habe ich nicht gedacht. Ich sah nur das Ziel. Ich frage mich, ob ich es erreicht habe.“
„Sie haben Dark eliminiert. Sie haben Conroy auf dem Gewissen. Ihre Aktionen haben bewirkt, dass Craig auspacken wird. Dieses Geständnis wird Kimball vernichten. Was wollen Sie eigentlich mehr?“
„Leben“, sagte Sayers. „Aber nicht im Gefängnis ...“
„Das“, meinte Bount, „liegt nicht in meiner Hand, nicht einmal länger in Ihrer. Damit haben sich die Gerichte zu befassen.“
„Noch weiß außer Ihnen und Ann niemand von meiner Existenz, von meinen Aktivitäten. Ich bin ein reicher Mann, Reiniger. Was kostet Ihr Schweigen?“
„Oh Gott“, seufzte Bount. Er war nicht überrascht. Es geschah immer wieder, dass einer, der schuldig geworden war, sich freizukaufen versuchte.
„Wieviel?“
„Vergessen Sie’s!“
„Ich bin Millionär. Wenn ich im Gefängnis sitze, ist das Geld für mich ohne Wert. Nennen Sie eine Summe! Irgendeine. Sie wird mich nicht erschrecken. Ich bin bereit zu zahlen. Eine Chance wie diese bietet sich Ihnen nicht alle Tage.“
„Hören Sie auf damit! Jetzt kurven wir schon zum zweiten Mal um diesen Block! Ich habe keine Lust, mich von Ihnen an der Nase herumführen zu lassen.“
Fred Sayers zuckte mit den Schultern. Er resignierte. Fünf Minuten später stoppten sie vor dem Polizeigebäude, einem älteren, zweistöckigen Backsteinbau, vor dem zwei leere Patrolcars parkten. Im beleuchteten Eingang, zu dem einige Treppen hochführten, lehnten zwei Uniformierte und sprachen miteinander.
Fred Sayers stoppte. Seine Finger glitten vom Lenkrad, er legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Es schien, als sammelte und konzentrierte er sich. Er wusste, dass er das Ende seines Weges erreicht hatte und fand vermutlich keine Antwort auf die Frage, ob seine Anstrengungen sich gelohnt hatten.
Er stieg aus.
In diesem Moment krachte es.
Bount sah das Mündungsfeuer aufblitzen. Es kam aus einem dunklen Hausflur auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Fred Sayers taumelte. Er griff sich mit beiden Händen an die Brust und war verzweifelt bemüht, nicht zu stürzen. Als es ein zweites Mal krachte, holte ihn der Treffer buchstäblich von den Beinen. Er brach zusammen und blieb liegen, ohne sich zu rühren.
14
„Eines verstehe ich nicht“, meinte Preston. „Warum hat Morlock auf seinen Boss geschossen ... und nicht auf Sie?“
„Morlock