Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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gelockt? Rasch sah er zum Himmel auf, während die Hand zum Schwert fuhr. Nichts. Nur graue Wolken, die sich langsam vor die Sonne schoben.

      Wachsam näherte er sich dem Portal. Wo einst nur eine Spalte geklafft haben mochte, öffnete sich nun ein breites Tor. Geschickte Steinmetze – oder waren es Elfenmagier gewesen? – hatten es so kunstvoll aus dem Fels gehauen, dass es von Weitem wirkte, als besäße es ein von Säulen getragenes Dach. Steinerne Schlangen ringelten sich vermeintlich um die Säulen, so sorgsam poliert, dass jede einzelne Schuppe glänzte. Davaron musterte die beiden Statuen, die wie Wächter zu beiden Seiten des Eingangs aufragten. Doch es waren keine Krieger, sondern Frauen in langen Gewändern, Priesterinnen, die eine Hand zum Gebet oder zum Segen oder vielleicht doch zum Schlag erhoben. Um ihren Blicken zu begegnen, musste er den Kopf ein wenig in den Nacken legen. Sofort spürte er, wie sehr er damit seine Kehle entblößte. Nie zuvor war er auf einen solchen Gedanken gekommen, doch hier kam es ihm vor, als streife plötzlich ein kühler Hauch seine verwundbarste Stelle. Alarmiert pulsierte die Ader unter der dünnen Haut. Hastig senkte er das Kinn und ärgerte sich im gleichen Augenblick über sich selbst. Seit wann ließ er sich von ein paar leblosen Figuren ins Bockshorn jagen?

      Das Seltsamste war jedoch ein düsterer Strauch, der als einzige Pflanze dem harten, trockenen Boden trotzte. An einer scheinbar wahllosen Stelle wuchs er nur wenige Schritte vom Tor entfernt. Die dornigen Ranken waren so dick und knorrig, dass sie Jahrhunderte alt sein mussten, und doch besaß der Strauch noch Blätter und eine einzelne schwarze Blüte. Eine schwarze Rose. Erwachsen aus Antakores vergossenem Blut. So hatte es ihm ein Schwarzmagier in Ithara erzählt, aber der Mann war nie in Kharnam gewesen. Weshalb hätte er ihm glauben sollen? Alles erweist sich als wahr. Durfte er hoffen, endlich am Ziel seiner Suche zu sein?

      Entschlossen wandte er sich den drei Stufen zu, die von der Torschwelle in die Höhle emporführten. Da sie im Schatten lagen, vermochte er nicht zu sehen, was ihn im Innern erwartete. Der Vorplatz des Tempels mochte still und leer sein, doch die Stätte wirkte nicht verlassen. Irgendjemand fegte die Terrassen und hielt Reliefe und Statuen sauber, sonst hätten sich auch hier längst Moose und Flechten ausgebreitet. Langsam, um seinen Augen Zeit zu geben, sich an das Zwielicht zu gewöhnen, stieg Davaron die Stufen hinauf. Dahinter erwartete ihn ein Gang, an dessen Ende er bereits eine größere Kammer erahnen konnte. Zu beiden Seiten setzten sich die in den Stein gemeißelten Schlachtszenen fort, und sie zeigten dieselben Kreaturen, die sich an wehrlosen Opfern vergingen. Davaron beließ die Hand an der Waffe und beschwor sein bisschen Magie herauf. Verglichen mit Eretheya beherrschte er das Feuer nur lausig. Von seinem brachliegenden Talent für Erdmagie ganz zu schweigen. Es zu fördern, hätte allen nur unter die Nase gerieben, dass er ein widernatürlicher Bastard war.

      Aus der Nähe entpuppte sich die Kammer als schwach erleuchteter Saal. Säulen aus schwarzem Marmor schimmerten im Schein einiger Öllampen, die in kleinen Wandnischen standen. Davaron glaubte, Blut zu riechen, und sah sich hastig um, doch vielleicht war es nur heißes Metall, denn mit glimmender Kohle gefüllte Becken spendeten Wärme und unstetes Licht. Zwischen ihnen standen Karaffen, Becher und große, mit Tüchern abgedeckte Körbe. Umherliegende Kissen wirkten, als hätte eben noch jemand auf ihnen gesessen, aber wo waren die Priesterinnen jetzt? Waren sie etwa vor ihm geflohen? Hinter Vorhängen schienen sich mehrere Ausgänge zu verbergen.

      Misstrauisch schritt Davaron auf zwei große Statuen am anderen Ende der Halle zu. Die hintere stellte einen gewaltigen schwarzen Stier dar, der aussah, als wendete er sich gerade dem Besucher zu und richtete mit dem grimmigen Blick auch die tödlichen Hörner auf ihn. Fast wie ein halbkreisförmiger Wall umgab sein Rumpf die vordere Figur, die majestätisch über Davaron hinwegblickte. Von Weitem hielt er sie für einen Elfenkrieger, denn sie trug eine Rüstung und hielt einen Speer in der Hand. Doch als er sich näherte, bemerkte er weibliche Rundungen. In respektvollem Abstand blieb er stehen und sah zu den schönen, aber strengen Zügen der Kriegerin auf. Ein Helm verbarg ihre Ohren und das aufgesteckte Haar, und dennoch hatte er keinen Zweifel daran, eine Elfe vor sich zu haben.

      »Knie nieder vor Antakore, Herrin über die Heere des Schattenreichs!« Die Stimme hallte so laut, dass sie von allen Seiten zugleich zu kommen schien.

      Überrascht zuckte Davaron zusammen und fuhr herum, doch noch immer war niemand zu sehen. »Ich bin ein Elf«, erwiderte er und nahm die Kapuze ab, die zwar nicht sein Gesicht, aber seine Ohren verdeckt hatte. »Wir werfen uns nicht vor Göttern in den Staub.« Es mochte nicht die klügste Antwort sein, aber er würde nicht ausgerechnet vor der Tochter des Dunklen mit menschlicher Kriecherei anfangen.

      Er spürte die Magie einen Lidschlag, bevor der Flammenkreis aufloderte. Zu spät, um das Feuer im Keim zu ersticken. Vielleicht hätte er es ohnehin nicht vermocht. Es war magisches Feuer, das keiner Nahrung bedurfte, geisterhaft bläulich und doch so heiß, dass seine Wangen in der Hitze spannten.

      »Wer der Herrin keinen Respekt bezeugt, ist hier nicht willkommen«, belehrte ihn die unsichtbare Priesterin. »Du kannst nur Diener oder Opfergabe sein.«

      Davaron griff mit seiner Magie nach den Flammen. Sein Talent reichte selten aus, um magisches Feuer zu erzeugen, doch er konnte die Hitze lenken, teilte sie wie einen Vorhang und schritt unverletzt aus dem Flammenkreis hinaus. Nicht, um zu fliehen, sondern auf die Statue Antakores zu. Er würde das Knie nicht beugen, niemals, vor niemandem, aber er verneigte sich, bevor er sich erneut nach der Priesterin umsah. »Ich weiß nicht, ob mir Eure Herrin geben kann und will, was ich suche, aber wenn es so ist, bin ich bereit, ihr jeden Dienst zu erweisen, den sie verlangt.«

      Fünf Priesterinnen traten hinter Säulen und Vorhängen hervor. Zwei lächelten spöttisch, während ihn die anderen abschätzend musterten. Erstaunt bemerkte er, dass es Elfen waren. Wann hatten sie die Elfenlande verlassen? Wie lange lebten sie schon hier? Dem rotblonden bis rotbraunen Haar nach zu urteilen, gehörten sie den Töchtern Piriths an, doch es gab keine Geschichten über Frauen seines Volks, die in die Welt gezogen und nicht zurückgekehrt waren. Über etwas so Ungewöhnliches hätte man noch Jahrhunderte später gesprochen.

      »Wir wissen, wer du bist«, behauptete die Priesterin, die sich ihm am nächsten befand. Ihre Augen waren groß und dunkel, zu dunkel für eine Frau mit flammend rotem Haar. Das magische Feuer spiegelte sich für einen Moment in der Schwärze, bis es lautlos erlosch. »Du wurdest uns angekündigt.«

      Ach, wirklich?, dachte Davaron schmunzelnd. Wenn sie ihn mit solchen Sprüchen beeindrucken wollte, musste sie schon mehr aufbieten.

      »Du bist gekommen, weil Antakore aus Blut neues Leben verheißt.«

      Davaron lächelte unverbindlich. Warum sonst sollte jemand nach Kharnam kommen, als um Blutmagie zu erlernen?

      Die Priesterin kam näher. Im Gegensatz zu ihrer Herrin trug sie keine Rüstung, sondern ein dunkles Kleid, das die weißen Arme unbedeckt ließ. »Bist du wirklich bereit, alles zu tun, um deine tote Frau zu neuem Leben zu erwecken?«

      Vergebens versuchte Davaron, sich nichts anmerken zu lassen. »Woher wisst Ihr das?« Nie hatte er jemandem erzählt, warum er die schwarzen Künste erlernen wollte. Lieber hatte er gelogen, als seine wahren Gründe zu verraten.

      »Wir haben von deiner traurigen Geschichte gehört, Davaron von den Söhnen und Töchtern Piriths. Wir wussten, dass dich deine Suche zu uns führen würde.«

      »Ihr könnt Eretheya zurückholen?« Davaron merkte, dass er wie ein aufgeregter Junge klang, und bemühte sich um Beherrschung. Rasch rief er sich die grausamen Szenen auf den Reliefen ins Gedächtnis. Er musste auf der Hut bleiben.

      »Es steht nicht in unserer Macht, eine Seele aus dem Schattenreich zu rufen«, erwiderte Antakores Dienerin. »Um diese Gunst wirst du die Herrin selbst anflehen müssen. Vielleicht legt sie bei ihrem Vater ein gutes Wort für dich ein – wenn du dich als würdig erweist.«

      War ja klar. Davarons Hoffnung fiel in sich zusammen wie der magische Flammenkreis. »Und was habt Ihr mir stattdessen anzubieten?«

      »Setz dich.« Bestimmt und einladend zugleich deutete die Priesterin auf die Kissen zwischen den Körben und Kohlenbecken. »Othere wird es dir zeigen.«

      Zwei andere Dienerinnen Antakores


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