Athanor 4: Die letzte Schlacht. David Falk

Athanor 4: Die letzte Schlacht - David  Falk


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und warm an, und doch schwebte der Sohn Heras nun schwerelos neben ihm. Solange Danaels Magie nicht versiegte, musste er ihn nur noch festhalten.

      Leones bemerkte Danaels forschenden Blick. Sorgte er sich, ob er dem Verräter vertrauen konnte? Worte würden daran nichts ändern. Besorgt sah Leones nach unten. Unzählige Tümpel schimmerten zwischen den Nebelfetzen im Mondlicht – und in allen regten sich die Toten einer längst geschlagenen Schlacht.

      * * *

      Mit dunklen Ahnungen blickte Laurion zur Elfenstadt Everea zurück. Selbst im fahlen Licht der dunstverschleierten Sonne schimmerten die Schilfdächer golden, und an den Giebeln glänzte Perlmutt mit silbernen Fahnen um die Wette. Wie passte so viel Schönheit nur zu so viel Argwohn und Hass? Wie konnten so hartherzige Wesen so anmutige, zerbrechliche Gebäude hervorbringen? Gab es unter den Elfen, die sich auf den Stegen drängten, denn niemanden, der Mitleid mit ihnen empfand? Viele von ihnen waren selbst Flüchtlinge und hatten gerade ihr Zuhause verloren. Die riesige Flutwelle hatte ihnen alles genommen, Angehörige und Freunde, Boote und Häuser. Sie standen ebenso vor dem Nichts wie die Dionier. Doch dass sie Elfen und Laurion und seine Begleiter Menschen waren, schien ein unüberwindliches Hindernis zu sein. Dieser Älteste, Ameahim, hatte Mahanael sogar als Verbrecher beschimpft, weil er gewagt hatte, zwei Dutzend Menschen in die Elfenlande zu bringen. Als ob sie Räuber, Mörder oder gar eine tödliche Krankheit wären. Wenn der Morgen mit einer blutroten Sonne beginnt …

      Die Kemethoë und die Kaysas Segen wurden nun von schlanken Schiffen voll finster blickender Krieger eskortiert. Wie alle Abkömmlinge Ameas trugen sie blaue Gewänder, aber auch Rüstungen aus riesigen Fischschuppen und poliertem Horn. Einige hielten Schilde aus den Panzern großer Wasserschildkröten, und fast alle hatten sich mit Speeren bewaffnet, deren Spitzen Schilfblättern nachempfunden waren.

      Misstrauisch spähte Otreus zu ihnen hinüber. »Hab ich nicht gleich gesagt, dass wir hier nicht willkommen sind? Wir hätten fliehen sollen, solange wir noch konnten.«

      Die Regentin warf ihrem Leibwächter einen strafenden Blick zu. Sah er denn nicht, dass es weit und breit keine Zuflucht für sie gab? »Ihr Fürst erwähnte diese Grenzwächter, die über unser Schicksal entscheiden werden, also gibt es noch Hoffnung. Wenn wir uns vollkommen friedlich verhalten, können wir bestimmt ihr Vertrauen gewinnen.«

      Otreus schnaubte, und alle anderen mieden Nemeras Blick. Es tat Laurion leid, aber auch ihm fiel es angesichts der vielen Waffen schwer, noch an ein gutes Ende zu glauben. Angeblich hatte Ameahim seinen Leuten nur befohlen, sie zu einer Insel zu bringen, die weit genug von der Stadt entfernt lag, damit die Menschen den Elfen nicht gefährlich werden konnten. Doch entsprachen seine Worte der Wahrheit? Was erwartete sie dort wirklich? Die Mienen der Elfenkrieger verhießen nichts Gutes.

      Rasch gerieten die Häuser Evereas außer Sicht, und schon bald verlor Laurion im Labyrinth aus Wasser, Sandbänken, Auwald und Schilf die Orientierung. Die Gegend erinnerte ihn an das Delta des Mekat, wo die Fürsten von prunkvollen Barken aus Vögel gejagt hatten, aber hier war es kälter, und die einzigen Bogenschützen trieben dionische Flüchtlinge vor sich her. Einmal tauchte aus der Wildnis eine flache Brücke über einen abzweigenden Wasserweg auf – ein einsamer Beweis, dass sie sich noch in der Nähe der Stadt befanden. Die Elfen bogen jedoch nicht dorthin ab. Schweigend starrten sie zu den Menschen herüber, und einige – wie Otreus – blickten feindselig zurück. Lange Zeit war das leise Plätschern um die Schiffe der einzige Laut in der Stille.

      »Dort könnt ihr landen und euer Lager aufschlagen!«, rief schließlich jemand auf dem vordersten Elfenschiff und deutete auf einen schmalen Sandstrand. Dahinter erhob sich lichter Wald.

      »Es ist euch verboten, diese Insel zu verlassen«, warnte der Elf. »Wer dagegen verstößt, erweist sich als Feind und wird auf der Stelle getötet!«

      »Was müssen Menschen ihnen angetan haben, dass sie uns so sehr misstrauen?«, fragte Nemera traurig.

      Laurion konnte nur nicken. Der Hass der Elfen schien beinahe ebenso tief zu reichen wie die Bosheit der Drachen. Umso mehr verwunderte ihn, dass die Schiffe davonfuhren, sobald die Kemethoë und die Kaysas Segen am Ufer lagen und ausgeladen wurden.

      »Ha!«, platzte Otreus heraus. »Woher wollen die Dreckskerle wissen, dass wir bleiben? Steigen wir wieder ein und verschwinden, Herrin!«

      »Kannste allein machen, Hornochse«, brummte Djefer. Der stämmige Fischer schulterte, was von ihrem Kornsack geblieben war, und sprang damit an Land. »Das riecht nach Falle wie’n gammliger Fisch.«

      »Du bist doch bloß zu feige, weil du Stümper den Kahn nicht schnell genug bekommst!«

      »Hört auf damit!«, befahl Nemera. »Wir sind alle erschöpft und enttäuscht. Aber wir dürfen uns nicht provozieren lassen! Wenn wir uns keinen Fehler leisten, werden die Elfen erkennen, dass wir nicht ihre Feinde sind.«

      »Euer Schiffsführer hat recht«, meinte Mahanael ernst. Der Elf war von Bord der Kaysas Segen gesprungen und hatte geholfen, sie höher auf den Strand zu ziehen. »Die Abkömmlinge Ameas werden euch im Auge behalten, auch wenn ihr sie nicht seht. Es sind ihre Inseln, und sie wissen sich lautlos in Wasser und Schilf zu bewegen.«

      Sogleich glaubte Laurion, heimliche Blicke auf sich zu spüren. »Was schätzt du, wie lange sie uns hier festhalten werden?«

      Mahanael hob ratlos die Schultern. »Ich weiß nicht, wie weit die Grenzwächter entfernt sind und wie schnell sie zu einer Entscheidung kommen.«

      »Kann der Kaysar uns helfen?«, fragte Nemera bang.

      »Er hat uns nicht einmal in Sianyasa angekündigt«, wagte Laurion einzuwenden.

      »Er war in Eile, um diesem Riesen zu folgen«, verteidigte sie Athanor.

      Er war in Eile, um Elfen zu retten, während wir hier von ihnen bedroht werden, grollte Laurion im Stillen. Auf wessen Seite steht er eigentlich?

      »Ich weiß nicht, wie viel Athanors Wort bei den Grenzwächtern gilt«, gab Mahanael zu. »Ameahim hat wohl recht. Ich bin nur ein Seemann, der nichts von den Vorgängen an Land versteht.«

      Nemera seufzte. »Also gut. Ich glaube zwar, dass Ihr sehr viel mehr seid – was Ihr ihm auch deutlich gesagt habt –, aber vorerst sollten wir uns darauf einstellen, ein paar Tage zu bleiben. Müßiggang bringt die Leute nur auf dumme Gedanken«, fügte sie mit einem Blick auf Otreus leise hinzu.

      Rasch teilte sie die Flüchtlinge dazu ein, Unterstände aus jungen Baumstämmen und Schilf zu errichten, Holz für Kochfeuer zu sammeln und am Ufer die salzverkrustete Wäsche zu waschen. Rhea und Laurion schickte sie aus, um nach Kräutern und Beeren zu suchen – die einzige Aufgabe, die seinem Rang als Magier halbwegs angemessen war.

      Zögernd erkundete er mit Rhea die Umgebung. Neugierig lief das kleine Mädchen voraus und führte ihn so immer weiter fort. Insgeheim erwartete er, jeden Augenblick auf einen versteckten Elfenkrieger zu stoßen, doch nichts dergleichen geschah. Waren sie wirklich allein auf der Insel? Obwohl ihm die Beobachter nie aus dem Kopf gingen, nahm er schließlich sogar ein kurzes Bad im Fluss. Endlich juckte kein Salz mehr auf der Haut. Rhea tauchte wie ein Otter und holte stolz ein paar Muscheln herauf. »Für die Regentin«, verkündete sie, bevor sie in ihrem triefnassen, aber nun sauberen Kittel weiterzog. Ein paar essbare Beeren fanden sie tatsächlich, nur mit den Kräutern hatte Laurion kein Glück. Viele der Pflanzen waren ihm fremd, und selbst wenn sie einem dionischen Küchenkraut ähnelten, schmeckten sie noch lange nicht wie ihre Verwandten jenseits des Ozeans.

      Beim Abendessen war Mahanael noch stiller als sonst. Laurion nahm an, dass ihr Freund um seine Familie trauerte, denn die Flutwelle hatte Sianyasa völlig zerstört, und fast alle Bewohner der schwimmenden Stadt waren ums Leben gekommen. Deshalb hatte Mahanaels Älteste ihn mit den Dioniern nach Everea geschickt, wo sie sich Obdach und Nahrung erhofft hatten.

      Plötzlich stand Mahanael auf und trat mit entschlossener Miene vor Nemera. »Heute Vormittag haben wir Ameahim überrascht. Das war unklug, denn so fehlte ihm die Zeit, sein Vorgehen zu überdenken. Ich gehe noch einmal zu ihm und versuche, ruhig mit ihm zu sprechen.«


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