Konsequent überzeugen!. Antje Barmeyer

Konsequent überzeugen! - Antje Barmeyer


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nur einen Sachverhalt zu beschreiben, ohne auf irgendeine Art von Emotionen einzugehen. Wenn Sie den falschen Ton treffen, können Sie bei der Empfängerin eine völlig andere Wirkung erzeugen, als Sie es beabsichtigt haben. Ist der Empfänger wiederum nicht gewillt oder in der Lage, die Wirkung Ihrer Botschaft zu hinterfragen, sind der Konflikt und der negative Gesprächsverlauf unvermeidbar.

      Dies ist die klassische Basis für Missverständnisse: Sie sitzen im Kollegenkreis zusammen und es wird diskutiert, wohin es beim nächsten gemeinsamen Wanderausflug gehen soll. Sie schlagen vor: „Wollen wir mal nach Detmold fahren und das Hermannsdenkmal besuchen?“. Daraufhin reagiert eine Kollegin: „Immer willst du irgendwas besichtigen. Können wir nicht einfach mal nur wandern?“. Hier besteht jetzt das Missverständnis darin, dass Sie wandern wollen, und dabei etwas besichtigen. Die Kollegin fasst die Botschaft so auf, dass Sie nur etwas besichtigen wollen – und nicht wandern. Es ist an Ihnen, dieses Missverständnis zu klären: „Rund um das Hermannsdenkmal gibt es ganz viele Wandermöglichkeiten. Wir könnten uns eine Route auswählen, die uns gut gefällt.“

      Der Sender und der Empfänger – und wer recht hat

      In den 40er-Jahren haben Claude E. Shannon und Warren Weaver das Sender-Empfänger-Modell entwickelt. Es beschreibt den Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation folgendermaßen: Der Sender möchte etwas mitteilen. Seine Botschaft hat einen bestimmten Inhalt, der in einer bestimmten Form überbracht wird. Der Sender verschlüsselt – also kodiert – seine Botschaft in erkennbare Zeichen, verbal in Worten und nonverbal in Körpersprache. Die Empfängerin übersetzt diese Botschaft in ihren Zeichenvorrat. Das heißt, sie entschlüsselt – also dekodiert – die Nachricht. Bestenfalls gibt nun die Empfängerin dem Sender eine Rückmeldung darüber, wie sie die Nachricht entschlüsselt hat, wie sie bei ihr angekommen ist. In den meisten Fällen stimmen gesendete und empfangene Botschaft überein und eine Verständigung ist erfolgt. Die Kommunikation ist gelungen.

      Sie sagen morgens am Frühstückstisch zu Ihrer kleinen Tochter: „Gibst du mir bitte die Butter.“ Die Tochter reicht Ihnen die Butter und sagt dazu: „Bitte“. Damit bestätigt sie, dass sie Sie verstanden hat und die Botschaft angekommen ist.

      Die Schwierigkeit in der Kommunikation besteht allerdings darin, dass für die Senderin das von ihr Gesagte völlig klar und eindeutig ist, die Botschaft beim Empfänger jedoch ganz anders ankommt, als sie gemeint war.

      Sie sagen morgens am Frühstückstisch zu Ihrer pubertierenden Tochter: „Gibst du mir bitte die Butter.“ Die Tochter antwortet patzig: „Dauernd muss ich dich bedienen, nimm’s dir selbst.“

      Eine Nachricht hat immer mehrere Aspekte – sachliche und emotionale. Der Empfänger nimmt unbewusst den Aspekt wahr, der ihm gerade gefällt und den er wahrnehmen möchte. Wahrnehmen bedeutet, dass gefiltert wird. Dieser Filter hängt davon ab, welche Beziehung zur Senderin besteht, wie die augenblickliche Stimmung ist und welche Erfahrungen der Empfänger bereits gemacht hat. Weil der Empfänger nicht alle Aspekte einer Nachricht gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten kann, wählt er aus.

      Darüber hinaus wird Ihre Wahrnehmung immer subjektiv sein, denn Sie bilden sie von innen heraus. Erfahrungswerte zeigen immer wieder, dass wir uns von Fremden ein Bild machen, das

       zu 55 % vom Aussehen,

       zu 38 % von der Art und Weise, wie gesprochen wird und

       zu 7 % vom gesprochenen Wort selbst abhängt.

      Darüber hinaus wird Ihre Wahrnehmung auch durch die Erwartungen an eine Person oder eine Situation gesteuert.

      Sie haben eine Kollegin, die sich immer wieder über die kleinste Kleinigkeit bei Ihnen lautstark aufregt, wenn ihr bei anderen Mitarbeitenden etwas nicht gefällt. Mal fängt Sie sie auf dem Flur ab, mal ruft sie sogar extra bei Ihnen an. Offensichtlich benutzt sie Sie als Blitzableiter für ihre Launen und ihre Unzufriedenheit. Da Sie bisher immer souverän und gelassen reagiert haben, wendet sich die Kollegin konsequent an Sie, wenn es etwas zu meckern gibt. Bei Ihnen fühlt sie sich gut aufgehoben, weil Sie doch immer so freundlich sind und ein offenes Ohr für sie haben. Doch so langsam sind Sie es leid, immer den Prellbock abgeben zu müssen. Nun stellen Sie fest, dass es schon genügt, die Telefonnummer der Kollegin auf Ihrem Telefon-Display zu sehen und Ihr innerer Film beginnt abzulaufen: Gleich werde ich mir wieder lautstark anhören müssen, über welche Bagatellen die Kollegin jetzt wieder verärgert ist. Noch bevor Sie zum Hörer greifen, haben Sie eine klare Vorstellung davon, was jetzt gleich passiert und Ihre Einstellung wird davon geprägt. Die Kollegin könnte, wenn sie sensibel wäre, bereits an Ihrer Stimme erkennen, dass Sie jetzt sehr ungern dieses Gespräch führen. Ihre Wahrnehmung wird ganz klar durch Ihre Erwartung gesteuert. Sie wären jetzt sehr verblüfft und wüssten nicht so recht, was Sie sagen sollten, wenn die Kollegin jetzt einfach nur von Ihnen wissen möchte, ob der Kunden X zwei oder drei Artikel bestellt hat.

      Unsere Wahrnehmung sorgt also dafür, dass wir in vielen Alltagssituationen gewappnet sind, weil wir im Voraus schon ahnen, womit uns ein Gesprächspartner gleich konfrontieren wird. So können wir uns schnell und unbewusst auf die Kommunikation einstellen. Allerdings kann uns unsere Wahrnehmung auch Streiche spielen und zu falschen Reaktionen oder falschem Verhalten führen.

      In den sozialen Netzwerken war vor einiger Zeit folgende Geschichte zu lesen: In einer Stadt spielte ein Straßenmusikant auf einem öffentlichen Platz auf seiner Geige. Vor sich hatte er den offenen Geigenkasten, um Geld zu sammeln. Obwohl seine Musik sehr schön war und er fantastisch Geige spielen konnte, waren seine Einnahmen nur sehr gering. Die meisten Menschen gingen an ihm vorbei, nur wenige blieben eine kurze Zeit stehen, um zuzuhören. Und nur ganz vereinzelt gaben die Menschen ihm Geld. Seine ‚Ausbeute‘ war sehr gering. Am Abend ging er zu seinem Arbeitsplatz in der Oper und gab als Solo-Geiger mit dem berühmten Orchester ein wunderschönes Konzert. Die Besucher hatten sehr viel Geld für eine Eintrittskarte bezahlt. Besonders auch deshalb, weil sie sein Geigenspiel erleben wollten.

      Was hat das mit der Wahrnehmung zu tun? Wir erwarten von der Straßenmusikantin, dass sie sich mit ihrer Musik etwas hinzuverdienen will – also eben nicht reich ist. Vom berühmten Geiger erwarten wir, dass er uns einen besonderen Musikgenuss beschert und es wert ist, dafür viel Geld zu bezahlen.

      Und noch ein Beispiel aus dem Alltag, wie unsere Wahrnehmung uns steuert oder auch täuschen kann: An Ihrem Arbeitsplatz haben Sie regelmäßigen Telefonkontakt zu Menschen, die Sie noch nie gesehen haben, weil die Kundin oder der Geschäftspartner räumlich weit weg sind. Trotzdem haben Sie sich von diesen Menschen ein Bild gemacht, und zwar auf der Grundlage Ihrer Wahrnehmung. Oft stimmt am Ende dieses Bild nicht mit der Realität überein – zumindest was das Äußere betrifft – und Sie sind zuerst einmal überrascht oder sogar enttäuscht, wenn Sie ein Bild von der Person sehen oder ihr sogar persönlich begegnen.

      Unsere Handlungsmuster – Fluch und Segen

      Ein weiterer Grund dafür, warum Sie im Gespräch so und nicht anders reagieren, sind Ihre Handlungsmuster. Schauen wir uns das Sender-Empfänger-Modell noch einmal an:

      Der Sender sendet seine Botschaft auf eine bestimmte Art und Weise, von der er annimmt, dass diese Botschaft gut bei der Empfängerin ankommt. Er geht davon aus, dass die Empfängerin ein bestimmtes Handlungsmuster hat und er dieses Handlungsmuster mit seiner Botschaft sozusagen „aktiviert“. Nehmen wir noch einmal die Situation am Frühstücktisch. Die Botschaft an die Tochter lautete: „Gibst du mir bitte die Butter.“ Diese Aufforderung wurde so gesendet, weil der Vater davon ausgeht, dass seine höflich vorgetragene Bitte bei der Tochter das Handlungsmuster anspricht: Wenn ich höflich um etwas gebeten werden, dann tue ich es, wenn es mir leicht möglich ist.

      In dem zweiten „Butter“-Beispiel ist es genauso. Der Vater bittet die pubertierende Tochter um die Butter und ahnt innerlich schon, dass das an Worten am frühen Morgen am Frühstückstisch schon zu viel ist, weil die Tochter derzeit das Handlungsmuster hat: Ich will in Ruhe gelassen


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