Resilienz steigern. Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis

Resilienz steigern - Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis


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im Rahmen deiner individuellen Möglichkeiten. Dies setzt voraus, sich selbst zu kennen und besser kennenlernen zu wollen, um dann im Rahmen dieser Möglichkeiten zu handeln.

      Alles mit Geduld, „überschätze nicht, was du an einem Tag schaffen kannst und unterschätze nicht, was du in einem Jahr oder Monat erreichen kannst!“.

      Im Laufe der Zeit werden deine Möglichkeiten und Fähigkeiten größer. Dadurch, dass du die Zukunft im Rahmen deiner Möglichkeiten und Ressourcen planst, bleibt sie beherrschbar und in Zeiten von aufziehenden Stürmen des Lebens, bleibt dein Lebensschiff auf Kurs.

      Es gibt neben den sieben Schlüsselfaktoren weitere interessante Modelle im Zusammenhang mit Resilienz wie z. B. die

      Big-Five-Persönlichkeitsprofile:

      In den 1930er Jahren entwickelten Allport, Thurstone und Odbert ausgehend von ca. 18.000 Begriffen, die menschliche Eigenschaften beschreiben, die Big Five. Bei den Big Five handelt es sich sozusagen um die Essenz dieser 18.000 Merkmale und Eigenschaften von Personen.

      Ausgehend von einem niedrigen Neurotizismus-Wert (Neurotizismus: eine Persönlichkeit wird von stabil bis verletzlich und emotional labil eingeordnet) und bei leicht überdurchschnittlichen Werten in den übrigen Eigenschaften kann von einem resilienten Menschen gesprochen werden.

      Wobei auch im Falle der Big Five differenziert werden muss. Ich kann gerne allein sein und bin trotzdem auch gesellig und kann andere begeistern. Das alles sind durchaus wichtige Aspekte und Anhaltspunkte, die jedoch nicht vollkommen in „Stein gemeißelt“ sind.

      4 Resilienz unter Extrembedingungen

      Vor vielen Jahren wurde mir die Lebensgeschichte des jüdischen Psychologen Victor Frankl als ein Beispiel von psychischer Widerstandskraft und Resilienz empfohlen.

      In seinem Werk „Trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ beschreibt er seine Erlebnisse, Erfahrungen und was ihn antrieb, diese Zeit zu überleben.

      Ich finde dieses Werk gerade deshalb faszinierend und beispielhaft zum Thema Resilienz, weil es einen Menschen im täglichen Überlebenskampf beschreibt, der fortan mit jedem erdenklichem Horror konfrontiert ist und trotzdem standhaft bleibt und selbst in dieser Extremsituation am Leben, seinen persönlichen Zielen und Visionen festhält. (Anm.: Es ist wohl so, dass er gerade, weil er Ziele und Visionen für seine Zukunft hat, am Leben festhält.)

      Jeden Tag und jede Nacht lässt er sich aufs Neue auf diese unfassbaren Herausforderungen ein und geht Schritt für Schritt weiter seinen Weg.

      Zeitgleich mit seinem Aufenthalt im KZ wurde seine komplette Familie (Mutter, Vater, Ehefrau, Bruder) ermordet!

      Frankls Geschichte und seine Zitate, die du im Internet findest, sind gerade, wenn sich Menschen in sehr schwierigen Lebenssituationen befinden, ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Wohingegen manch andere Biographien zum Thema Widerstandsfähigkeit und Resilienz etwas verblassen, da mancher Leser die Situation des Protagonisten für zu mild im Vergleich mit der eigenen Lebenssituation hält.

      Auch wenn Vergleiche mit anderen nicht unbedingt immer förderlich für Resilienz und Selbstwert sind, so sind sie doch hin und wieder hilfreich.

      Frankl beschreibt in seinem Buch verschiedene Methoden, wie er mit der dortigen Lebenssituation umging, die wir tagtäglich in unser Leben integrieren können. Bemerkenswert sind hier u. a.:

      Dankbarkeit: Besonders schon für die kleinen Dinge im Leben. Auch für Dinge, die dir erspart bleiben z. B., dass du bisher in einem friedlichen Land lebst, dass du gesund bist, fließendes Wasser hast usw. Was auch immer dir einfällt und was dir wichtig ist.

      Meditation: Hier beschreibt Frankl, wie er und die anderen Gefangenen trotz des Lagerhorrors zwischendurch Momente fanden, einen Sonnenuntergang oder einen schönen Anblick in der Natur zu genießen und wertschätzen zu können. Wie oft kannst du das in deinem Alltag zulassen?

      Etwas wartet – eine Aufgabe: Am wichtigsten ist es jedoch, und das war bei Frankl der Fall, eine Aufgabe, ein Ziel zu haben, für das man lebt. Bei Frankl war dies, dass er nach dem Überleben des KZs seinen Schülern und anderen Menschen darüber berichten wollte. Es kann aber auch ein ganz anderes Ziel oder eine Aufgabe sein, für die nur ich selbst zuständig, wichtig und verantwortlich bin. Wie z. B. die eigenen Kinder, ein Schriftsteller, der ein Werk zu vollenden hat, ein Lehrer oder Trainer, der seinen Schülern etwas ganz Bestimmtes beibringen möchte, was nur er und sonst keiner in dieser Form tun kann usw.

      Diese Thematik, die Aufgabe im Leben und einen Sinn darin zu finden, ist eminent wichtig zur Entwicklung von Resilienz und Widerstandsfähigkeit. Denn wenn ich keinen Sinn im Leben sehe und keine Aufgabe habe, der ich mich widmen kann, wie soll ich dann langfristig die Motivation aufbringen, um etwas Tiefgreifendes bei mir zu verändern?

      5 Ursachen mangelnder Resilienz

      Resilienz ist die Fähigkeit eines Menschen, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen und sich trotz alledem positiv zu entwickeln.

      Lange Zeit wurde die menschliche Entwicklung im Hinblick auf die Einwirkung sogenannter Risikofaktoren betrachtet. Hierbei wird unterschieden zwischen Vulnerabilitätsfaktoren (Vulnerabilität = Verletzlichkeit) und sozialen Risikofaktoren.

      Diese stellen gleichzeitig auch typische Einflussfaktoren und Ursachen mangelnder Resilienz dar.

      Vulnerabilitätsfaktoren sind u. a.:

       psychophysiologische Faktoren (z. B. niedriges Aktivitätsniveau),

       chronische Erkrankungen (z. B. Asthma),

       geringe kognitive Fähigkeiten (z. B. geringer IQ),

       geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation,

       (z. B. Regulation von Anspannung und Entspannung). (vgl. Scheithauer & Petermann 1999)

       Mögliche soziale Risikofaktoren sind u. a.:

       Armut,

       chronische, familiäre Disharmonie,

       elterliche Trennung und Scheidung,

       Arbeitslosigkeit,

       Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern,

       Kriminalität der Eltern,

       alleinerziehende Eltern,

       unerwünschte Schwangerschaft,

       soziale Ablehnung (innerhalb und außerhalb der Familie),

       soziale Isolation der Familie,

       Todesfall in der Familie. (vgl. Scheithauer & Petermann 1999)

      Alle diese Faktoren, vor allem ihr Zusammenwirken untereinander, können Ursache einer mangelnden Resilienz sein.

      Ein konkretes Beispiel zur Verdeutlichung:

      Die Mutter der 4-jährigen Anne (Name frei erfunden) stirbt (Todesfall in der Familie). Der Vater heiratet erneut. Die Stiefmutter lehnt Anne ab (chronische, familiäre Disharmonie und soziale Ablehnung). Durch den täglichen Stress und das Unwohlsein gelingt es Anne nicht mehr, sich selbst zu regulieren (geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation). Sie ist bereits in jungen Jahren häufig angespannt und gereizt. Eventuell kommen durch den täglichen Stress noch körperliche Symptome dazu (chronische Erkrankungen z. B. Neurodermitis).

      Das Ganze kann noch durch Arbeitslosigkeit des Vaters, Schulden, eine negative Wohnsituation usw. zusätzlich verstärkt werden.

      Es gibt unzählige Beispiele und Varianten von Ursachen mangelnder Resilienz.

      Wichtig ist hier, dass das gleiche Mädchen sich auch positiv und mit stark ausgeprägter


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