Resilienz steigern. Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis

Resilienz steigern - Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis


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und unterstützende Oma, die sich nun stark engagiert. Die Erzieherin im Kindergarten und später der Lehrer in der Schule erkennen Annes Situation und sie gehen empathisch mit ihr um, sodass sie sich beachtet und wertgeschätzt fühlt. Durch die belastenden Erfahrungen innerhalb der Familie, lernt sie bereits in jungen Jahren mit Veränderungen und Herausforderungen umzugehen. Bei einer gesunden Entwicklung kann ihr dies im weiteren Verlauf des Lebens zugute kommen und ihr Vertrauen in sich selbst stärken sowie ihre Selbstwirksamkeitserwartung steigern.

      Anmerkung zu Selbstwirksamkeit siehe Kapitel 10.

      6 Was macht Stress mit uns?

      Der Begriff Stress stammt von dem Arzt Dr. Hans Selye. Selye unterscheidet zwischen negativem Disstress und positivem Eustress.

      Wenn ich zum Beispiel in einer unruhigen und lauten Umgebung wohne, dann kann das für mich stressig auf eine negative Art sein (Disstress), wenn ich mich dadurch gestört fühle. Wenn ich das aber positiv wahrnehme und ich mich dadurch weniger allein und lebendiger fühle, dann kann diese unruhige Umgebung unter Umständen positiv auf mich wirken (Eustress).

      Im Folgenden gehe ich auf einige Prozesse, die im Körper ablaufen ein. Das Thema Stress und der Umgang mit selbigem ist eng mit Resilienz verbunden.

      Bei Stress (z. B. in seelischen Belastungssituationen, bei schwerer körperlicher Arbeit, Hochleistungssport, Prüfungen, Lärm usw.) werden Stressgene im Gehirn aktiviert. Dadurch werden Stresshormone (z. B. Adrenalin, Cortisol) ausgeschüttet.

      So wird beispielsweise Adrenalin ausgeschüttet, wenn die vorherrschende Emotion Furcht ist. Bei einer Depression (z. B. im Zusammenhang mit Unterordnung am Arbeitsplatz, also Verlust der Kontrolle über das eigene Leben) wird vermehrt Cortisol ausgeschüttet.

      Stress und die ausgeschütteten Hormone haben Auswirkungen auf unser Immunsystem und das Herz-Kreislaufsystem.

      Wie wir dann mit auftretendem Stress umgehen, hat u. a. viel damit zu tun, wie wir in unserer Herkunftsfamilie aufgewachsen sind und wie dort in schwierigen, aber auch alltäglichen Situationen mit uns umgegangen wurde.

       Gab es liebevolle Bezugspersonen?

       Hatte bei Problemen jemand ein offenes Ohr für uns?

       Wie war der Umgangston vom Säuglingsalter an?

       Wie war die Schwangerschaft?

       In welchem Milieu sind wir aufgewachsen? Usw.

      Wenn wir überwiegend positiv aufgewachsen sind, haben wir schon mal ein gutes Fundament im Umgang mit Stress. Wobei, wie bereits erwähnt: Es ist wichtig, dass liebe- und vertrauensvolle Bezugspersonen existieren, auf deren Unterstützung wir uns verlassen können. Dann können auch Menschen, die in eher ungünstigen Verhältnissen aufwachsen, einen gesunden Umgang mit Stress haben.

      Im Zusammenhang mit Stress ist das vegetative Nervensystem von zentraler Bedeutung. Die beiden Anteile Sympathikus und Parasympathikus sind entscheidend für die Verarbeitung von Stressreizen. Bei der Entspannungsmethode des Autogenen Trainings ist das vegetative Nervensystem der Hauptansatzpunkt.

      Das vegetative Nervensystem ist „die Summe aller Nerven, die alle inneren Körpervorgänge steuern: die Atmung, den Blutkreislauf, den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Stoffwechsel mit den Drüsen und den Wärme- und Wasserhaushalt. Man nennt es auch das autonome Nervensystem, weil viele seiner Funktionen unwillkürlich, das heißt, unabhängig von unserem Willen und ohne bewusste Wahrnehmung ablaufen“. (Adolphsen 2011, S. 43–44)

      Von ihrer Funktion auf die verschiedenen Organe hin betrachtet, sind Sympathikus und Parasympathikus gegensätzlich. Der Sympathikus versetzt den Körper und Organismus in einen Zustand erhöhter Alarmbereitschaft und Fluchtbereitschaft.

      Der Parasympathikus versetzt uns demgegenüber in einen Ruhezustand.

      Demnach wird beim Autogenen Training der Parasympathikus aktiviert.

      Beispiele:

      Wenn wir unserem Körper keine Entspannung oder Entwarnung geben, dann stehen wir unter Dauerstress. Stresshormone werden nicht abgebaut. Das ist zum einen natürlich nicht förderlich für unsere Resilienz und zum anderen extrem gesundheitsschädlich.

      Eine lange andauernde Stressbelastung ist demnach vollkommen ungesund. So fährt man beispielsweise mit dem Auto hin und wieder in die Werkstatt, um das Öl zu wechseln, eine Inspektion zu machen, die Reifen zu wechseln, die Scheibenwaschanlage neu zu befüllen oder in die Waschanlage, um es wieder zu reinigen. Genau das Gleiche ist für unseren Körper erforderlich. Auch er benötigt Phasen der Erholung und Regeneration, um auf Dauer leistungsfähig zu bleiben. Zudem benötigt der Körper diese Phasen auch, um Fortschritte zu erzielen. Also in unserem Fall, um resilienter zu werden. So ist beispielsweise ein angemessener, selbstfürsorglicher und bewusster Umgang mit Stress Zeichen eines gesunden Selbstwertgefühls.

      7 Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls

      Ein Werk, welches ich an dieser Stelle besonders erwähne, ist Nathaniel Brandens „Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls“. Branden beschreibt darin ausführlich die grundlegenden Bestandteile (Säulen) des Selbstwertgefühls.

      Selbstwertgefühl ist laut Branden auf einer tieferen Ebene das Vertrauen in unsere Fähigkeit, die grundlegenden Herausforderungen des Lebens zu meistern. Also das Gefühl „dem Leben gewachsen zu sein“. Ein Vertrauen und Glaube in unser Recht, glücklich zu sein. Dass ich es voll und ganz auf einer tiefen Ebene verdient habe, glücklich zu sein. Das wird oft in Zitaten und Vorträgen hinausposaunt, ist aber ein sehr tiefgründiges Gefühl, dessen es sich erst einmal bewusst zu werden gilt.

      Weiter spricht Branden davon, würdig zu sein und es verdient zu haben, ja ein Recht darauf zu haben, unsere Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Dass wir es verdient haben, im Anschluss an unsere Bemühungen deren Früchte zu genießen.

      Im Einzelnen geht es um folgende 6 Säulen:

      Bewusst leben

      Bewusst und nicht schlafwandlerisch durch das Leben gehen. Sich die eigenen Handlungen, Gefühle und die Realität ins Bewusstsein führen und anerkennen. Sich der eigenen Werte bewusst werden. Erkennen und erfahren, was mir gut tut und was nicht. Sei es z. B. bei meiner Ernährung, die Art und Weise wie ich meine Freizeit gestalte oder mit wem ich meine Freizeit verbringe usw.

      Um schädliche Angewohnheiten wie z. B. schlechte Ernährung, Rauchen, exzessiven TV- oder Smartphonekonsum zu verändern oder abzulegen, müssen mir diese Angewohnheiten erst einmal bewusst werden.

      Sich selbst annehmen

      Die Selbstannahme ist ein eminent wichtiges und umfassendes Thema. Kurz ausgedrückt bedeutet es: Ich weigere mich, in einem negativen und missgünstigen, also feindschaftlichen Verhältnis, zu mir selbst zu stehen.

      Die Selbstannahme spielt sich laut Branden auf verschiedenen Ebenen ab. Ein konkretes Beispiel ist, wenn jemand jahrelang eine Arbeitsposition innehat, in der er fortlaufend gedemütigt wird, sodass er irgendwann aufsteht und „Nein“ schreit. Es gibt jedoch auch feinere Nuancen z. B., wenn ich eigentlich Gewicht abnehmen möchte und es schaffe, meinen Schokoladenkonsum zu reduzieren und dann eines Tages über die Stränge schlage und gleich zwei Tafeln Schokolade nacheinander esse. Anschließend fühle ich mich womöglich vollgestopft, schäme mich vor mir selbst, verurteile mich und mache mir Vorwürfe.

      Die Selbstannahme verurteilt dies nicht, relativiert es auch nicht oder redet es sich schön. Vielmehr fragt sie nach den entsprechenden Hintergründen und findet evtl. heraus, dass da etwas ist in meinem Leben, das mich frustriert und mich dazu gebracht hat, so viel hineinzustopfen. Nur was sein darf, kann sich verändern!

      Eigenverantwortlich


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