Resilienz steigern. Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis

Resilienz steigern - Dipl. Soz.päd. Jürgen Simonis


Скачать книгу
und Eigenverantwortung besteht darin, dass mir das Selbstwertgefühl kein anderer geben kann (als Erwachsener – in der Kindheit sind die Zusammenhänge anders). Es kommt aus meinem Inneren und wenn ich darauf warte, dass es wächst, ohne dass ich etwas dafür tue und dann eines morgens da ist, dann warte ich vermutlich zeitlebens. Ich werde viele Frustrationen ertragen müssen oder eben ein scheinbar „sicheres“ und „bequemes“ Leben führen und mich vor Veränderungen scheuen.

      Was machst du aus den sich dir bietenden Gelegenheiten oder deinen Talenten? Es kann sein, dass du von manchen Dingen überfordert bist und zunächst keine Antwort findest, wie du mit dieser Gelegenheit oder Aufgabe umgehen sollst. Deine Eigenverantwortung liegt nun darin zu entscheiden, ob du der Gelegenheit eine Chance geben willst und eventuell erst einmal abwartest, ob sich eine Antwort ergibt, wie es mit deiner Gelegenheit weitergeht (z. B. eine interessante Arbeitsstelle oder der Umzug an einen anderen Ort, wenn du innerlich deutlich spürst, dass es einer Veränderung bedarf). Manchmal kommt dann nach einer gewissen Zeit eine Antwort von selbst. Manchmal auch nicht. Es kann dann auch angebracht sein, sich eine Beratung einzuholen, bei der dieses Thema beleuchtet wird und du erkennst, warum du diese Gelegenheit ergreifen solltest oder was dich noch daran hindert, den Umzug oder was auch immer anzugehen. Wenn du aber nichts tust und immer davon redest, dass eine neue Arbeitsstelle, ein Umzug oder was auch immer doch toll wäre und du dann nach 5 Jahren darüber jammerst, dass du es wohl doch besser getan hättest, dann ist das ein gutes Beispiel dafür, wie du deiner Eigenverantwortung nicht gerecht wurdest und gleichzeitig deinem Selbstwertgefühl Schaden zufügst. Wobei wir alle einmal (zumindest viele von uns) manchmal bedauern, etwas getan oder eben nicht getan zu haben. Wenn wir das dann kurz bedauern, ist es vollkommen okay, nur wenn du permanent dazu neigst Bequemlichkeit und Sicherheit deiner Entwicklung vorzuziehen, dann wird das deinem Selbstwert auf Dauer schaden.

      Sich selbstsicher behaupten

      Vorweg, was „sich selbstsicher behaupten“ nicht ist:

      Der bei manchen zu beobachtende Hang zu einem reflexartigen „Nein!“ oder „Dagegen!“, obwohl bei genauerem Hinschauen in den meisten Fällen den eigenen Interessen häufig gedient wäre. Bei pubertierenden Jugendlichen mag dies zwar noch annehmbar sein. An dieser Stelle ist es mir wichtig zu erwähnen, dass damit natürlich auch nicht der Hang zum Ausdiskutieren von allem oder die weit verbreitete Neigung in allem etwas Gutes zu finden gemeint ist. Denn dann sind wir beim genauen Gegenteil, was bekanntermaßen genauso wenig zum Ziel führt. Es geht vielmehr darum, bei sich zu erkennen, ob man generell dazu neigt „dagegen“ zu sein und im Teenagerbewusstsein hängen geblieben ist.

      Es bedeutet auch nicht, mich immer gegen andere mit Ellenbogen durchzusetzen und deren Individualität nicht zu respektieren, weil ich meine, dass ich darauf aus irgendeinem Grund ein Recht habe, wenn ich zum Beispiel die Musik ständig laut aufdrehe und das meinen Nachbarn stört. Manche berufen sich dann darauf, dass es ja gerade tagsüber und nicht während der Ruhezeiten ist und sie daher ein Anrecht darauf haben. Wenn ich das dann aber aus einem kindlichen Trotz tue, nur um recht zu haben und mich durchzusetzen, dann ist das von einem sich selbstsicher Behaupten in einem gesunden Sinne sehr weit entfernt! Das Gleiche gilt natürlich auch andersherum, also wenn ich dem Nachbarn bei keiner Feier einmal zugestehe, dass er die Musik etwas lauter stellen darf und das dann mit Nachdruck durchsetze, dann hat dies auch nichts mit selbstsicherer Behauptung in einem guten Sinne zu tun.

      Es hängt also immer von der Situation ab. Sich selbstsicher behaupten ist ein sehr umfassendes Thema was im Allgemeinen häufig falsch und oberflächlich verstanden wird. Es hat auf einer tieferen Ebene damit zu tun, dass wir wissen, dass unsere Anliegen, Bedürfnisse und Ideen wichtig sind. Das wurde vielen von uns in der Kindheit oder beim Heranwachsen aberzogen und als „egoistisch“ bezeichnet. Oder es wurde manchen beigebracht, dass zuerst die anderen glücklich sein müssten und dann erst man selbst. Oft ist Mut erforderlich, um zu lernen für uns selbst einzutreten und unsere Wünsche und Anliegen zu äußern und für diese einzustehen. Jedoch wachsen Selbstwertgefühl und sich selbstsicher behaupten Hand in Hand.

      Zielgerichtet leben

      Menschen, die ohne Ziel leben, leben in den Tag hinein, überlassen vieles dem Zufall und zufälligen Begegnungen. Was wiederum nicht bedeutet, dass wichtige Begegnungen oder Ereignisse mir nicht „zufallen“ bzw. sich in meinem Leben ereignen (ich glaube nicht an Zufälle!).

      Wenn du zielgerichtet lebst, werden diese Ereignisse und Begegnungen in deinem Leben stattfinden.

      Wichtig ist jedoch, eine Richtung zu verfolgen. Kurzes aktuelles Beispiel aus meinem Leben:

      Während ich dieses Buch schreibe bzw. zu Beginn habe ich mir Literatur besorgt, mich informiert, wie der Prozess bis zur Veröffentlichung abläuft, war mir bewusst, dass ich 10-Fingersystem schreiben kann. Es war mir klar, dass dieses Thema das richtige ist, weil es meinen Interessen entspricht, weil ich mich täglich seit vielen Jahren beruflich und privat damit beschäftige und bereits einiges dazu gelesen hatte, weil ich wieder Neues über das Thema und mich selbst lernen werde usw. Ich habe also ein Ziel vor Augen (ein Buch zu schreiben und herauszugeben in einem überschaubaren Zeitrahmen) und tue dies im Einklang mit meinen Fähigkeiten (10-Fingersystem; jahrelange Auseinandersetzung und Erfahrungen mit der Thematik) und meinen Interessen.

      Würde mich das Thema nicht reizen, hätte es wenig Sinn und ich würde irgendwann die Lust bzw. Motivation verlieren. Dann würde ich das Projekt wahrscheinlich nach ein paar Stunden gefrustet beenden.

      Da es aber ein für mich stimmiges Ziel ist, kann ich die Verantwortung dafür übernehmen und mir einen zeitlichen Rahmen stecken.

      Ich werde mir bewusst, welche einzelnen Schritte getan werden müssen um das Buch zu vollenden.

      Ich schaue mir mein eigenes Verhalten an und beobachte, ob es der Veröffentlichung meines Buches dienlich ist oder eben nicht.

      Persönliche Integrität

      Integrität bedeutet im weitesten Sinne Unbestechlichkeit, Makellosigkeit.

      Mit zunehmendem Alter entwickeln wir (bestenfalls) Werte. Diese sind wichtig, um uns im Leben zu orientieren. Häufig werden diese Werte von anderen z. B. Eltern, Lehrern, Medien und Fernsehen übernommen. Manchmal werden auch, wenn z. B. jemand zeitlebens gegen seinen Vater rebelliert, ein ganzes Leben lang dessen Werte, die er vertreten und gelebt hat, gehasst und bekämpft. Jetzt mag dieser Vater ja unter Umständen ein schwieriger Mensch, Choleriker oder Tyrann gewesen sein. Wenn sich dann die Tochter oder der Sohn nicht auf tieferer Ebene mit der Beziehung zum Vater auseinandersetzt und sich eines Tages von ihm löst (innerlich), dann kann es sein, dass dieses Kind dann zeitlebens Werte des Vaters wie z. B. Zuverlässigkeit, Ordnung, Familie oder körperliche Arbeit (wenn der Vater Handwerker war) verabscheut und diese regelrecht hasst und bekämpft.

      Auf das Thema Werte an dieser Stelle tiefer einzugehen, würde den Rahmen sprengen, dennoch ist es wichtig zur Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls und bringt auch einen direkten Mehrwert mit sich, denn wer sich seiner Werte bewusst ist, tut sich im Allgemeinen mit Entscheidungen leichter und wird auch bestenfalls im Laufe der Zeit von anderen Menschen (nicht von jedem) auf einer tieferen Ebene respektiert und wertgeschätzt.

      Wenn Zuverlässigkeit und Vertrauen mir wertvoll und wichtig sind, dann halte ich Vereinbarungen und Versprechen ein. Wenn ich allerdings vorgebe, dass es mir wichtig ist und ich mich aber anders verhalte, dann achte ich mich weniger. Das läuft häufig unbewusst ab und wird gar nicht sofort immer bemerkt und womöglich noch vehement abgestritten. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass es langfristig meiner persönlichen Integrität, meiner Vertrauenswürdigkeit und schließlich meinem Selbstwert schadet.

      Wenn ich Fairness, Gerechtigkeit und Toleranz predige und einfordere und dies dann selbst nicht lebe oder keine anderen Meinungen zulasse, dann ist das weder fair noch gerecht.

      Bei einem integren Menschen stimmen dessen Worte und sein Verhalten überein. Wenn du dich umschaust, dann gibt es mit Sicherheit Menschen in deinem Umfeld oder in der Öffentlichkeit, denen du vertraust oder auch solche,


Скачать книгу