Arbeits- und Organisationspsychologie. Annette Kluge
Lohn, bzw. die Lohnsteigerung.
Likert führte in Unternehmen (auf die er sich beschränkte; auf Verwaltung und non-profit Organisationen bezieht er sich explizit nicht, sieht aber dort ähnliches Potenzial) nun erstmalig Untersuchungen durch, die für die damalige Zeit ganz neue Variablen untersuchten, wie die positive Einstellungen zur Arbeit, Arbeitsmotivation, Arbeitszufriedenheit oder Loyalität (wir würden heute »Commitment« sagen).
Gab es in Taylors Arbeiten und denen der Hawthorne-Studien als »Einstellungen« nur den Widerstand gegen die Industriellen und die bewusste Leistungszurückhaltung, so nutzte Likert (1961) als Untersuchungsgegenstand z. B. die positiven Einstellungen der Arbeiter/innen gegenüber arbeitsbezogenen Angelegenheiten. So beschreibt er, dass Mitarbeiter/innen mit positiven Einstellungen von ihren Führungskräften eher sagen, dass diese sich um die Beschwerden der Mitarbeiter/innen kümmern, Feedback geben, sich um die Gestaltung der Arbeit kümmern und Informationen über das Unternehmen weitergeben.
Somit erfasste Likert (1961) zum ersten Mal in der Managementforschung das Verhalten der Führungskräfte (z. B. employee-centered versus job-centered supervision, Likert, 1961, S. 6) und das auch noch aus der Perspektive der Mitarbeiter/innen (mit den von ihm entwickelten Likert-Skalen). Er zeigte damit z. B., dass sehr produktive Unternehmen deutlich mehr mitarbeiterzentrierte Führung praktizieren, eher eine »general supervision« nutzen und nicht-punitiv führen, als nur gering produktive Unternehmen, die eher arbeitsbezogen und mit »close supervision« und punitiv führen.
Likert operationalisierte alle wesentlichen Konstrukte seiner Theorie über Fragebogen-Items, die er in verschiedenen empirischen Untersuchungen einsetzte (
Abb. 1.7: Vereinfachte Darstellung der intervenierenden Variablen als Ergebnis von Likerts empirischen Untersuchungen (nach Likert, 1961, S. 201)
Ausgangspunkt seiner Konzeptionen der »New Patterns of Management« war zudem die Beobachtung, dass in klassischen Organisationen (das waren zu dieser Zeit die tayloristischen Organisationen) die Mitarbeiter/innen über zu wenig Entscheidungsmitsprache verfügten (Kirchler et al., 2004). Da Entscheidungen »oben« getroffen würden, also im Management, seien diese für die Mitarbeiter/innen intransparent. Die Mitarbeiter/innen erhielten ebenso wenig Einblicke in die Ziele und den Aufbau ihrer Organisation (Kirchler et al., 2004). Diese Informationsabhängigkeit vom Vorgesetzten würde, laut Likert, eine Motivation durch Angst vor Bestrafung fördern. Mitarbeiter/innen würden nicht darin unterstützt, sondern sogar gehindert, eigene Ideen einzubringen. Diese Form des Managements würde, nach Likert, nur kurzfristige Produktionssteigerungen ermöglichen, aber dabei zu hohen Fehlzeiten und Fluktuationsraten führen (Kirchler et al., 2004).
In seiner neuen Theorie zu erfolgreichen und effektiven Managementpraktiken fokussiert er sich auf die Themen »Leadership«, »Group Processes«, »Communication« und »Influence« und deren Beitrag zur »Organizational Performance«. Vor allem die Gruppenprozesse sind für Likert (1961) zentraler Bestandteil des »New Managements«.
Die Rolle von partizipativen Gruppenstrukturen in »New Patterns of Management«
Likert postuliert: »management will make full use of the potential capacities of its human resources only when each person in an organization is a member of one or more effectively functioning work groups that have a high degree of group loyalty, effective skill of interaction, and high performance goals« (Likert, 1961, S. 104). Je größer die Anziehung und Loyalität zur Gruppe, um so motivierter seien die Gruppenmitglieder, die Ziele und Entscheidungen einer Gruppe mitzutragen, mit allen Gruppenmitgliedern Informationen zu teilen, die Beiträge anderer Gruppenmitglieder zu berücksichtigen und die Ziele und Entscheidungen der Gruppe umzusetzen. Diese »highly effective groups«, wie Likert (1961) sie nennt, sind wichtige Bestandteile der »Newer Theory of Management« (S. 162). Sie wird mit 24 Merkmalen beschrieben, darunter u. a.
• »The members are skilled in all the various leadership and membership roles and functions required for interaction between leaders and members and between members and other members […]
• All interaction, problem-solving, decision-making, activities of the group occur in a supportive atmosphere […]
• There is strong motivation on the part of each member to communicate fully and frankly to the group all the information which is relevant and of value to the groups’ activitity […]
• The leader of a highly effective group is selected carefully. His leadership ability is so evident, that he would probably emerge as a leader in any unstructured situations« (S. 166–169).
Partizipation kann nach Likert erst gelingen, wenn die Kommunikation nicht nur top down, sondern auch bottom up und seitwärts verläuft. Um dies zu gewährleisten, entwickelte Likert das System der »Linking Pins«, der sog. überlappenden Arbeitsgruppen (
Ausgehend von seinen empirischen Untersuchungen zu erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen entwickelte Likert (1961) abschließend und zusammenfassend ein Modell der intervenierenden Variablen sowie ein Konzept von vier Systemen, die einen kontinuierlichen Übergang vom klassischen ausbeutenden System bis zu einem Gruppensystem darstellen (Holling & Müller, 1995; Kirchler et al., 2004; Likert, 1961;
Abb. 1.8: Likerts Konzept der Linking-Pins
Abb. 1.9: Likerts Kontinuum der vier Systeme
Das autoritäre System, das Likert beschreibt, ist den tayloristischen Arbeitsprinzipien nahe und sei durch seine Maxime, also durch die hohen Spezialisierung, durch die Vorgabe der optimalen Arbeitsmethode, starke Kontrollen, monetäre Leistungsanreizen und Auswahl der Mitarbeiter/innen nach Fähigkeiten, eben gerade nicht effizient (Holling & Müller, 1995).
Betrachtung aus heutiger Sicht
Für die Entwicklung der Arbeits- und Organisationspsychologie ist vor allem das System 4, das Gruppensystem, einflussreich und relevant gewesen. Das Gruppensystem basiert auf unterstützenden Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Organisation. Prämisse ist, die Mitarbeiter/innen möglichst stark an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen und sie spüren zu lassen, dass diese sozialen Beziehungen ihre Weiterentwicklung fördern. Durch ein partizipatives Führungssystem erleben die Mitarbeiter/innen die Beziehungen und Interaktionen innerhalb der eigenen Organisation als persönlichkeitsförderlich (Holling & Müller, 1995).
In regelmäßigen Besprechungen sollen mit den Mitarbeiter/innen gemeinsam Probleme aus Sicht der Organisation besprochen werden, zu denen die Mitarbeiter/innen Lösungen