Erfolgreiches Verpflegungsmanagement. Nora Brehme
eine ausreichende Liquidität notwendig, denn im Gegensatz zu den öffentlichen Trägern sind privatrechtliche Träger insolvenzfähig. Im Zweifelsfall hat das Liquiditätsziel Vorrang vor anderen ökonomischen Zielen: Liquidität vor Rentabilität. Eine Gewinnerzielungsabsicht haben wohlfahrtsorientierte Betriebe nicht. Auf Rechnungsebene der Buchhaltung streben sie an, dass keine Verluste entstehen, also die Erträge mindestens so hoch sind wie die Aufwendungen. Auf der Rechnungsebene der Kosten- und Erlösrechnung streben sie an, dass ein ausgeglichenes Betriebsergebnis entsteht, also die Erlöse mindestens so hoch sind wie die Kosten.
•Gewinnorientierte Träger sind immer privatrechtlicher Rechtsform und somit immer insolvenzfähig. Ihr vorrangiges ökonomisches Ziel ist deshalb die Erhaltung des Betriebs durch eine Sicherstellung der Liquidität. Allerdings ist eine Einstellung des Betriebs an einer einzelnen Betriebsstelle für einen gewinnorientierten Träger nicht unbedingt negativ. Aus nicht lukrativen Geschäftsfeldern zieht sich der gewinnorientierte Träger zurück und überlässt es den Nutzern selbst, für ihre Bedarfsdeckung zu sorgen. Auf Rechnungsebene der Buchhaltung streben diese Betriebe Gewinne an, die dann entstehen, wenn die Erträge höher sind als die Aufwendungen. Auf Ebene der Kosten- und Erlösrechnung streben diese Träger positive Betriebsergebnisse an, die dann entstehen, wenn die Erlöse höher sind als die Kosten.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verpflegungsbetriebs haben das Ziel, für ihre Arbeit möglichst hoch entlohnt zu werden und ihren Arbeitsplatz zu behalten.
2.2.3.9Anforderungen an die Annehmlichkeit des Umfelds
Die Anforderungen an die Annehmlichkeit des Umfelds betreffen vor allem den Ausgabebereich und den Speisesaal. In einem öden, schmucklosen Speisesaal in tristen Farben schmeckt das beste Menü nicht. Ein angenehmes Umfeld baut Stress ab, regt den Appetit an und kann Freude und Genuss beim Essen vermitteln. Zu der Raumgestaltung gibt Sennlaub (2018) ausführliche Empfehlungen. Der Raum muss ausreichend groß sein, damit die Stühle nicht zu dicht aneinander stehen und der persönliche Schutzraum der Verpflegungsteilnehmer gewahrt bleibt. Gegebenenfalls ist ausreichender Platz für Rollatoren vorzusehen. Der Raum sollte ausreichend belichtet sein (mindestens 500 Lux). Natürliches Tageslicht wird bevorzugt. An Sitzplätzen am Fenster verweilen Tischgäste länger als an Tischen in der Raummitte. Der Raum sollte eine behagliche Temperatur zwischen 20 und 23 °C aufweisen. Lärm durch harte Fußböden, Schrittgeräusche, Stühlerücken und Unterhaltungen anderer Tischgäste sind zu vermeiden durch den Einsatz von schallschluckenden Materialien wie Gardinen, gepolsterte Möbel, Teppichboden und/oder Schallschluckplatten. Die Möblierung soll sich an der Lebenswelt der Gäste orientieren. Für Schüler ist eine Chill-Ecke passend, für Senioren eher alte Möbel. Nach Möglichkeit sind die Nutzer in die Gestaltung einzubeziehen (Sennlaub 2018).
2.2.3.10Anforderungen an die Verlässlichkeit
Verlässlichkeit ist für alle Beteiligten von großer Bedeutung und betrifft alle Teilleistungen (vgl. Abb. 2.4). Zum einen müssen die Beteiligten gegenseitig verlässlich sein.
Abb. 2.4: Kette der Anforderungen an die Verlässlichkeit in einem Verpflegungsbetrieb
Beispiele: Der Träger muss sich auf die verlässliche Bewirtschaftung des Bewirtschafters verlassen können. Der Bewirtschafter muss sich darauf verlassen können, dass er die zugesagten Ressourcen und das zugesagte Honorar vom Träger bekommt. Für den Verpflegungsteilnehmer wird vor allem eine verlässliche Versorgung mit Verpflegung gefordert. Je mehr der Verpflegungsteilnehmer auf die Verpflegung angewiesen ist, desto wichtiger ist es, auch bei Unglücksfällen oder Katastrophen die Verpflegung sicherzustellen. In einem Krankenhaus ist das beispielsweise noch wichtiger als in einer Betriebskantine. Die Anforderung des Verpflegungsteilnehmers an die Verlässlichkeit betrifft nicht nur die materiellen Leistungen, sondern auch die Informationen. Der bekanntgegebene Speisenplan muss eingehalten werden, die Angaben über Nährwerte, Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe und Allergene sowie die Bezeichnung aus biologischem Anbau müssen verlässlich sein. Zu den Angaben zu Nährwerten, Zusatzstoffen, Allergenen und der Verwendung von biologisch erzeugten Produkten sowie gentechnisch veränderten Lebensmitteln hat der Gesetzgeber Gesetze und Verordnungen erlassen (Wehmöller et al 2017b) (siehe auch Kapitel 3.1.1 Information des Verpflegungsteilnehmers).
2.2.3.11Anforderungen an die Abwechslung
Die Anforderungen an die Abwechslung werden vor allem von den Verpflegungsteilnehmern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestellt. Die Verpflegungsteilnehmer wollen die Abwechslung vor allem bei den zubereiteten und bereitgestellten Speisen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen einen abwechslungsreichen Arbeitsplatz. Dies kann zum Beispiel durch Rotation im Zuständigkeitsbereich erreicht werden.
Die Abwechslung ist bei der Speisenplanung und bei den verwendeten Rezepturen zu berücksichtigen. Abwechslungsreiche Menüs wirken appetitanregend und verhindern Geschmacksermüdung. Aus der Sensorik ist bekannt, dass die Attraktivität und der Essreiz einer Speise auch von der Unterschiedlichkeit der verwendeten Lebensmittel abhängen. Ein Produkt, das zweimal unmittelbar hintereinander angeboten wird, wird beim zweiten Mal weniger häufig ausgewählt.
Abwechslung ist vor allem dann wichtig,
•wenn der Verpflegungsteilnehmer über einen langen Zeitraum von der Einrichtung verpflegt wird,
•wenn der Verpflegungsteilnehmer ausschließlich von der Einrichtung verpflegt wird und keine andere Ausweichmöglichkeit hat,
•wenn der Alltag des Verpflegungsteilnehmers relativ eintönig ist und das Essen eine wichtige Abwechslung in diesem Alltag darstellt.
Eine wichtige Kennzahl für die Abwechslung bei einer Verpflegung ist der Speisenplanwiederholrhythmus. Er liegt meist zwischen zwei und zwölf Wochen.
Auch bei dem Ausgabesystem ist Abwechslung wünschenswert. Das wird erreicht durch eine Kombination aus Fremdbedienungs- und Selbstbedienungsausgabe. Auch Front Cooking stellt eine willkommene Abwechslung im Ausgabebereich eines Verpflegungsbetriebs dar.
Andererseits kann zu viel Abwechslung ins Gegenteil umschlagen. Ältere Verpflegungsteilnehmer können bei zu viel Abwechslung überfordert sein, es als „Durcheinander“ oder „irritierend“ empfinden. Mitarbeitende, die viele Jahre eher abwechslungsarm tätig waren, können ein Rotationsprinzip als beängstigend empfinden.
2.2.3.12Anforderungen an die Flexibilität
Flexibilität wird stets von allen Beteiligten im gegenseitigen Umgang gefordert (vgl. Abb. 2.5).
Abb. 2.5: Anforderungen an die Flexibilität
Beispielsweise fordern die Führungskräfte Flexibilität von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn es um die Gestaltung der Arbeitszeiten geht; umgekehrt fordern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise Flexibilität bei der Gewährung von Urlaub.
Der Verpflegungsteilnehmer fordert Flexibilität in folgenden Aspekten. Bezüglich der angebotenen und bereitgestellten Speisen wird in Ausnahmefällen ein Abweichen von dem Plan gefordert, wenn beispielsweise aus medizinischen Gründen (extreme krankheitsbedingte Inappetenz) oder aus besonderem Anlass (zum Beispiel 80. Geburtstag) ein Wunschessen notwendig ist. Auch Wünsche von Sterbenden sollten Berücksichtigung finden.
Bei dem Auswahl- und Bestellsystem (vgl. Kapitel 3.1 Bestellsystem) ist es für den Verpflegungsteilnehmer von Vorteil, wenn er eine einmal getroffene Entscheidung wieder ändern kann. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Auswahlentscheidung in großem zeitlichem Abstand zum Verzehr getroffen wird. Manche Altenhilfeeinrichtungen erfassen die Essenswünsche der Bewohnerinnen und Bewohner für vier Wochen im Voraus (!). Auch in der Schulverpflegung ist die Bestellung mit mindestens einwöchigem Vorlauf üblich. In diesen Fällen ist Flexibilität