Orte - Eine Sammlung skurriler und unterhaltsamer Fakten. Havas Harald

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Nun sind Pferdefuhrwerke nicht sehr schnell, der Weg nach Simmering war weit, die Leichen nicht immer ganz frisch … Kurz: Es galt, die Simmeringer Bevölkerung vom dauernden Durchzugsverkehr der Totentransporte zu entlasten. Ideen zur Lösung gab es einige, wie eine eigene Eisenbahnlinie für Leichentransporte, eine „Dampf-Tramway“ am Donaukanal entlang oder eine Art U-Bahn zum „Zentral“.

      1874 schlug Franz Felbinger, Techniker, Industrieller und Maler gemeinsam mit dem Architekten Josef Hudetz eine neu revolutionäre technisches Lösung vor – die „pneumatische Leichenbeförderung“. Die Idee war, nahe der Innenstadt im dritten Bezirk eine katholisch-evangelisch-jüdische dreigeteilte Begräbnishalle zu schaffen. Der Transport der Leichen von dort nach Simmering sollte dann mittels unterirdischer Rohrpostanlage erfolgen. Soll heißen, die Särge wären dafür in Kapseln geschlossen worden, die – angetrieben durch eine 150-PS Hochdruck-Dampfmaschine – die zirka 4,5 Kilometer lange Röhre in rasanten 10 Minuten überwinden sollten. Klingt gut, was aber, wenn durch einen Defekt Särge irgendwo unterwegs steckengeblieben wären? Es wäre kaum möglich gewesen, sie schnell zu bergen. Mit allen unangenehmen Folgen.

      Deswegen blieb es lediglich beim Plan. Und erst 1918 löste eine andere Form der Modernisierung das Problem: Leichentransport per elektrifizierter Straßenbahn – die sprichwörtliche „Schwarze Tram“. Ab dem Jahr 1925 mit eigenen motorisierten Leichenwagen eingesetzt und heute im Wiener Bestattungsmuseum als Lego-Modell erhältlich.

      Franz Felbinger modifizierte seine Idee danach jedoch und konnte sie schließlich erfolgreich an die Wiener Post verkaufen. 1875 wurde die „pneumatische Rohrpostanlage“ mit insgesamt 14 Kilometern in Betrieb genommen.

      Hochalpine Superlative

       Von begehbaren Kreuzen, tibetischen Dörfern und Holzpferden

      Die im Jahre 1212 erstmals urkundlich erwähnte Jagdhausalm (T), heute im Nationalpark Hohe Tauern gelegen, ist eine der ältesten, wenn nicht sogar die älteste Alm Österreichs. Aufgrund ihrer uralten und unter Denkmalschutz stehenden Steinhäuser, die an eine ganz andere Weltgegend erinnern, wird sie auch als „tibetisches Dorf“ oder „Tibet in Österreich“ bezeichnet.

      Beim sogenannten Jakobskreuz handelt es sich um ein Gipfelkreuz der anderen Art. Es ist knapp unter 30 m hoch, hat die Form eines Doppelkreuzes – es gibt nicht zwei, sondern vier Seitenteile des Kreuzes, die jeweils 90 Grad voneinander entfernt in vier Himmelsrichtungen weisen – und ist begehbar. Tatsächlich ist das Kreuz also ein Gebäude, genauer gesagt ein Aussichtsturm, aber aufgrund seiner Position tatsächlich gleichzeitig auch ein Gipfelkreuz. Es steht auf knapp 1500 m Höhe auf der auch als Aussichtsberg im Pillerseetal (T) bekannten Buchensteinwand und ist das größte seiner Art. Das heißt, es wird als „größtes begehbares Gipfelkreuz“ der Welt beworben – obwohl eine (oberflächliche) Internetsuche nicht verifizieren konnte, dass es überhaupt noch andere gibt.

      Das erste dokumentierte Gipfelkreuz befand sich auf dem höchsten Berg Österreichs, dem Großglockner. Dieses wurde 1800 auf Anregung von Franz II. Xaver Altgraf von Salm-Reifferscheidt anlässlich seiner Erstbesteigung aufgestellt. Seit 1880 steht an seiner Stelle das sogenannte „Kaiserkreuz“.

      Der Großglockner (3798 m) ist übrigens erst seit dem Ende der Kaiserzeit der höchste Berg Österreichs. Davor wurde er vom Ortler (3905 m) und der Königsspitze (3851 m) überragt, die sich allerdings in Südtirol und somit inzwischen in Italien befinden.

      Zwar durchaus mitten im Alpenraum, allerdings eher niederalpin, befindet sich in Loipersdorf (ST) das größte Holzpferd der Welt. Es ist 18 m hoch, 5 m breit, 20 m lang und ebenfalls begehbar. 40 Personen passen hinein. Genug, um einer griechischen Invasionsarmee die Tore zu öffnen. Weshalb das Pferd auch passenderweise „Austrojaner“ genannt wird

      Burgen-Land

       Vulkane, Schrägaufzüge und ein wenig Dracula

      Österreich ist voll von interessanten und ganz speziellen Burgen und Schlössern, wie etwa

      •Burg Hochosterwitz (Sankt Georgen am Längsee, K), urkundlich bereits 860 erwähnt und seit ihrem Umbau im 16. Jahrhundert wohl eine der optisch beeindruckendsten Burganlagen Österreichs. Ein langer, von Mauern gesäumter Steinweg führt teilweise im Zickzack, teilweise spiralförmig auf den Berg und wirkt aus der Vogelperspektive fast wie ein steinernes Schneckenhaus. Der Weg wird von 14 Toren unterbrochen beziehungsweise bewacht, wobei jedes Tor seinen eigenen Namen und eigene bauliche Charakteristika hat – bis man die eigentliche Burg auf dem steilen Dolomit-Felsen erreicht. Ein früher für Feinde kaum zu überwindender und auch noch heute für Touristen recht beschwerlicher Weg. Es gibt zwar einen „Hintereingang“, der ist dafür aber ziemlich steil. Seit 1993 kann man die Burg nun auch per Aufzug, korrekt Schrägbahn, besuchen. (Quasi eine kleine Schwester des Lärchwand-Schrägaufzugs am Stausee Kaprun, seines Zeichens der größte offene Schrägaufzug Europas und „das personenbefördernde Schienenfahrzeug mit der größten Spurbreite der Welt“.) Der Name der Festung hat übrigens weder mit Ostern noch mit Witzen zu tun, er leitet sich von Ostrovica, „die Scharfe“ oder „die Kantige“, ab.

      •Die 900 Jahre alte Riegersburg (bei Riegersburg, ST), die auf einem erloschenen Vulkan liegt.

      •Burg Forchtenstein (bei Forchtenstein, B), in der man ein Gemälde, genauer: ein seltenes Ganzkörperporträt, des walachischen Fürsten Vlad Tepes III., genannt Vlad Drăculea, bestaunen kann. Ja, genau dieser Drăculea („Sohn des Drachens“), die lebende Vorlage für Bram Stokers Graf Darcula. Der Grund dafür liegt in der weit verzweigten Verwandtschaft des österreichischen Adels (in diesen Fall der Familie Esterházy). Übrigens: Stoker wollte seinen Roman ursprünglich in Österreich, vermutlich in der Steiermark, ansiedeln und entschied sich erst später für das entferntere Transsilvanien.

      Kärntner Büffelfedern und die Löwen aus Mödling

       Die kuriose Welt der Bundesländerwappen – Teil 2

      Das Wappen von Kärnten gibt es gleich zwei Mal. Einmal das „kleine“, das offiziell so beschrieben wird: „Der Schild des Landeswappens ist von Gold und Rot gespalten; vorn sind drei schwarze, rot bezungte und gewaffnete Löwen übereinander, hinten ein silberner Balken.“ Was für laienhafte Betrachter so viel heißt, wie der Schild hat zwei Teile, rechts ist er rot-weiß-rot, links sieht man drei Löwen. Die eigentlich aus Mödling stammen, genauer gesagt von der Mödlinger Seitenlinie der Babenberger. Deren Löwen allerdings erst nach dem Aussterben der Babenberger für das Wappen des Herzogtums Kärnten verwendet wurden. Der rechte Teil des Schildes steht für Österreich.

      Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn Kärnten hat als einziges Bundesland neben Wien auch ein „großes Wappen“, auch „Vollwappen“ genannt. Im Ernst.

      Das große Kärntner Wappen ist doppelt so hoch (!) und doppelt so breit (!) wie das normale. Die offizielle Beschreibung lautet: „Der gekrönte Turnierhelm mit rot-goldenen Decken trägt zwei goldene Büffelhörner, die außen mit je fünf goldenen Stäbchen besteckt sind, von denen rechts je drei schwarze, links je drei rote Lindenblätter herabhängen.“

      Laienhaft beschrieben handelt es sich um einen Ritterhelm (inklusive Schulterteil) mit goldener Krone, aus dem links und rechts Stoffstreifen mit etwa 30 Enden herausragen. Aus der Krone selbst wachsen zwei Hörner, aus denen wieder nach außen je fünf parallele horizontale Streben sprießen, an denen wiederum rechts 15 rote und links 15 schwarze Herzchen baumeln. Uff.

      Offiziell nennt man das verniedlichend „Helm, Helmzier und Helmdecken“, insgesamt erinnert es optisch aber eher an ein aufgetakeltes Glockenspiel. Damit nicht genug: Die Büffelhörner waren ursprünglich Pfauenfedern und die Laubstangen Fähnchen. Sie gehen auf einen Helmschmuck von Herzog Ulrich III. von Kärnten zurück. Zu näheren Details befragen Sie bitte Ihren Heraldiker, Genealogen oder Heimatkundler.


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