Orte - Eine Sammlung skurriler und unterhaltsamer Fakten. Havas Harald

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Neusiedlersee, gelegentlich auch „die größte Badewanne Österreichs“ genannt, obwohl der maximal 1,8 m tiefe See bei Wind und Sturm durchaus sehr gefährlich sein kann, beheimatet seit 1998 ein Weltsportereignis. Denn jährlich findet hier rund um den 1. Mai der „Surf Weltcup“ statt. Genauer gesagt ist Podersdorf am See (B, Ungarisch: Pátfalu) die Heimstätte dieses Events. Als Disziplinen werden ein Freestyle-Bewerb, ein Tow-In-Bewerb (Windsurfen ohne Wind, nachts bei Flutlicht) sowie ein Kitesurf-Slalom (Surfen mittels Lenkdrachen) ausgetragen. Dazu gibt’s Konzerte und Partys, bis der Onkel Doktor kommt.

      Podersdorf hat aber noch eine weitere nautische Besonderheit zu bieten: Der Leuchtturm Podersdorf ist einer der ganz wenigen (tatsächlich als solche betriebenen) Leuchttürme in Österreich und wahrscheinlich der südlichste im ganzen deutschsprachigen Raum.

      Ausländisches Inland

       Seltsame österreichische Ortsnamen – Teil 2

      Österreichs Orte sind nicht nur – vermeintlich – schweinisch, sondern auch geografisch interessant. Steyr liegt nämlich in Oberösterreich, Tirol dafür in der Steiermark. Und Thüringen in Vorarlberg. Amerika ist im Innviertel (OÖ) zu finden, Chikago dafür in Kittsee (B), Gallizien, Malta, Schwarzindien und Türkei jedoch in Kärnten. Mexiko liegt in Schrems (NÖ), Russland in Schwoich (T), Wolga bei Weiz und Rostock bei Deutschlandsberg (ST). Und Österreich schließlich liegt in Berndorf (ST).

      Auch sprachlich geben sich Österreichs Ortsnamen den Nachbarländern gegenüber aufgeschlossen: Tschau liegt nicht weit weg von Italien in Kärnten. Kraß auch, ob das allerdings besonders deutsche Touristen anzieht, ist nicht bekannt. Im ehemals von der Kirche regierten Salzburg findet man sogar die Ortschaft Latein.

      Im Übrigen entfalten viele österreichische Ortsnamen ihr Humorpotenzial erst so richtig, wenn man sie englisch ausspricht. Wie Rottenegg (OÖ), wo man auf sein Frühstücksei vielleicht besser verzichten sollte. „Abseiling“ ist ein echtes englisches Wort für eine Trendsportart, Zupfing, Kubing, Hareding in Wendling (OÖ) harren noch ihrer Erfindung. Gaming (NÖ) gibt es dafür schon, genau wie Kicking (OÖ) und Going (T). Mining (OÖ) betreibt man in Österreich an so mancher Stelle, Pisching (NÖ) eher im Internet. Auch eher gefährlich klingt Persching (K). Wildermieming (T) klingt nach grimassierenden Schauspielern oder aber Darstellern in Billy-Wilder-Filmen. But that’s the Point (T). In vielen dieser Orte finden sich in der Reisezeit Amishaufen (T), vielleicht sogar auf der Suche nach dem Missingdorf (NÖ)? Worauf ein echter US-Bürger wohl antworten würde: Damreith (OÖ)!

      Wankham (OÖ) ist für alle lustig, die wissen, was „wank“ beziehungsweise „ham“ im umgangssprachlichen Englisch einzeln oder auch in Kombination bedeuten. Aber auch auf Deutsch bleibt es immerhin eine nette Aufforderung an einen Wirtshausgast zur Sperrstunde.

      Urin auf Schienen

       Wie der Flascherlzug in Stainz zu seinem Namen kam

      Seit 1892 dampft die „Stainzerbahn“ (ST), eine der letzten und ältesten dampfbetriebenen Schmalspurbahnen Österreichs, durch die Gegend. Sie heißt auch „Lokalbahn Preding–Wieselsdorf–Stainz“, was zugleich ihre heutige Strecke beschreibt. Außerdem trägt sie noch die Bezeichnung „Flascherlzug“. Und das deswegen, weil hier einst ein Volksdoktor (Bauerndoktor, Natur- oder Wunderheiler, je nach Sichtweise) namens „Höllerhansl“ praktizierte, dessen Spezialität es war, das Krankheitsbild seiner Patienten aus deren Urin zu erkennen. Womit er der ehrwürdigen Tradition der medizinischen „Urinschauer“ folgte. Er war zu seiner Zeit sehr populär und der beste Weg, ihn zu erreichen, war mit der Bahn. Es reisten also haufenweise Patienten zum Höllerhansl (eigentlich Johann Reinbacher), alle mit einer in einem Fläschchen transportierten Urinprobe im Gepäck. Und so wurde die Bahnlinie eben zum „Flascherlzug“.

      Eine weitere Besonderheit der Stainzerbahn, die heute mit einer 1894 gebauten Lok angetrieben wird, ist ihre Farbgebung. Jeder Waggon, der auch einen eigenen Namen trägt, hat eine andere Farbe. Im Normalbetrieb sind das neben dem Generatorwagen die Waggons „Höllerhansl“ (grün), „Bergliesl“ (rot, nach einer Kräutersammlerin namens Elisabeth Strametz), „Kräuterwagerl“ (gelb) und „Schilcherschaukel“ (ein blauer Buffetwagen). Außerdem kommen noch manchmal die Wagen „Erzherzog Johann“ (rot), „Ölspur“ (grün) und der „Kinderwaggon“ (bunt) dazu. Die „Panoramawagen 1 und 2“ sind nicht so auffällig bunt gefärbt, haben dafür aber große Panoramascheiben.

      Von vertikalen und horizontalen Türmen

       Schräge Türme am Pyramidenkogel und in Lanzendorf

      Wer einen besonders spektakulären Blick auf den Wörthersee werfen möchte, sollte den 851 m hohen Pyramidenkogel (K) besuchen. Und dort danach noch den 100 m hohen Aussichtsturm (eröffnet 2013) besteigen oder befahren. Denn man hat von dort nicht nur einen noch viel spektakuläreren Blick auf den See, der Turm ist auch eine Attraktion für sich. Die schraubenförmige Konstruktion ist nämlich der höchste aus Holz errichte Aussichtsturm der Welt. Er besteht aus elf Ebenen – auf einer davon befindet sich ein Veranstaltungsraum – und ist ganzjährig geöffnet. Wenn man dann von dem spektakulären Blick auf den Wörthersee genug hat, kann man schließlich die höchste und längste überdachte Rutsche Europas abwärtszischen. Vorausgesetzt, man ist ein Erwachsener oder schon über 130 cm groß.

      Ein anderer besonderer Turm befindet sich seit 2017 in Lanzendorf in der Nähe von Mistelbach (NÖ). Er weist allerdings nicht, wie Türme es meistens tun, gerade nach oben und ist auch nicht schräg wie jener berühmte Turm in Pisa, sondern … horizontal. Tatsächlich handelt es sich bei diesem „Turm“ um ein begehbares Kunstwerk des deutschen Künstler Ingo Vetter. Als Grundlage dienten ihm 20 m Rohr mit etwa 3 m Durchmesser aus einer ehemaligen Windkraftanlage. Wie es sich für einen veritablen Aussichtsturm gehört, bietet auch dieses Rohr diverse Ausblicke. Dafür hat der Künstler mehrere Löcher in den Horizontalturm Lanzendorf eingebaut, die den Ausblick auf die umliegenden Schönheiten des Weinviertels erlauben: Dörfer, Kirchtürme, hügelige Landschaft, Felder … was man ebenso im Weinviertel zu sehen bekommt. Wem das zu wenig ist: An den gelb bemalten Innenwänden sind auch noch mehrere Fotocollagen der Künstlerin Magdalena Frey angebracht und ausgestellt.

      Patriotische Wappenverbesserung

       Von abgeschlagenen Köpfen und Urahnen in Lavamünd

      Österreichische Wappen, seien es die von Bundesländern, Gemeinden oder Ortsteilen, bergen so manche Skurrilität.

      Eine ganz besondere heraldische Geschichte hat das Wappen von Markt Lavamünd (K). Seit dem 17. Jahrhundert war darauf nämlich eine sogenannte „Johannesschüssel“ dargestellt. Wer jetzt dabei an eine Schüssel mit Johannisbeeren denkt, liegt falsch. Tatsächlich wurde hier das abgeschlagene Haupt von Johannes dem Täufer auf einem Teller beziehungsweise eben in einer Schüssel dargestellt. Und zwar bis 1959. Dann wurde das Wappen als für die moderne Zeit doch etwas zu fragwürdig empfunden und durch ein neues ersetzt. Dabei entschied man sich allerdings nicht für etwas für die Marktgemeinde Typisches, sondern für eine – zumindest von außen betrachtet – neuerliche Seltsamkeit. Das neue Wappen zeigt nämlich eine … Urne. Diesmal allerdings wenigstens keine Begräbnisurne, sondern eine, die für Wahlzwecke verwendet wird.

      Erinnert wird damit an die Volksabstimmung von 1920. Diese wurde im Zuge der Neuaufteilung der österreichischen Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg in zum Teil von Slowenen bewohnten Gebieten Südkärntens abgehalten. Zur Wahl stand die Angliederung an Österreich oder an das damalige Jugoslawien. Lavamünd entschied sich für Österreich und vermutlich weil es sich bei der Gemeinde 1959 noch um eine Grenzgemeinde zu Jugoslawien handelte,


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