Gärten des Jahres 2021. Konstanze Neubauer

Gärten des Jahres 2021 - Konstanze Neubauer


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Herausforderung wie die 'schwebenden' Sitzbank-Elemente. Den Essbereich umsteht eine Pergola mit einer Horizontal-Faltstore, die vor zu viel Sonne oder Regen schützt. Sie bringt die dritte Dimension in den kleinen Raum und sorgt für räumliches Empfinden. Eine englische Kletterrose (Rosa 'Phyllis Bide') umrankt die Stützen und verbreitet ihr feines Parfum um den Sitzplatz.

      Da die weiße Fassade des Nachbargebäudes sehr stark in die Wohnräume reflektierte, setzten die Gartengestalter eine immergrüne Eibenhecke mit einer abwechslungsreichen Vorpflanzung aus Gräsern und Stauden vor diese Wand. Statt auf die weiße Wand, blickt man nun von den Wohnräumen hinaus ins Grüne. „Diese Sichtbeziehungen von innen nach außen waren sehr wichtig, man spürt nun die Erweiterung des Wohnraumes“, erklärt Jan Schelling. Gleichzeitig verbindet der grüne Korridor nun die beiden Ausblicke der längsorientierten Dachterrasse. Links und rechts hat man den Weitblick; die Hecke als grüner Hintergrund definiert den Rahmen des Raumes und stellt die Verbindung zur Stadt her, die ebenfalls sehr grün ist. Abgerundet wird die Atmosphäre dieses Wohlfühlraumes auf dem Dach mit einer exquisiten Auswahl an Töpfen, bepflanzt mit Funkien (u. a. Hosta sieboldiana 'Elegans' und 'Red October') und Hortensien (u. a. Hydrangea paniculata 'Bobo'). Selbst kleinkronige Solitäre wie ein Japanischer Zierahorn (Acer japonicum 'Atropurpureum') finden im überdimensionalen, sehr leichten Fieberglastopf mit Stahlbeschichtung Platz. Die edlen Töpfe waren ebenso wie die Möblierung vorhanden und wurden perfekt in die Gestaltung integriert. Und obwohl es jetzt viele Angebote gibt, wirkt der Dachgarten keineswegs vollgestopft. „Die Gestaltung veränderte die Wahrnehmung des Raumes erheblich. Es entstanden Nischen und räumliche Unterteilungen, Pflanzflächen und Dynamik“, fasst Jan Schelling die Wirkung zusammen.

      LAGE DES GARTENS

      Schweiz

      GRÖSSE DES GARTENS

      78 m2

      PLANUNGSBÜRO

      Lustenberger Schelling Landschaftsarchitektur

      AUSFÜHRUNG

      Holzbau Wirth AG, Zehnder-Garten GmbH, Luce Elektro AG

      FOTOGRAFIE

      Terry Frauenfelder, Jan Schelling

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      „Im gesamten Kontext wirkt die Terrasse so, als wäre sie integriert und Bestandteil der Wohnung. Eine schlichte Gestaltung mit viel Emotionen und Atmosphären. Es ist wahrhaftig die grüne Lunge der Wohnung.“

      JAN SCHELLING

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      PLAN

       1Pergola

       2Holzbank

       3Hecke im Gefäß

       4Kleinkroniges Solitärgehölz

       5Lounge

      Hariyo Freiraumgestaltung GmbH

      Kleiner Garten der Vielfalt

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       Im Zentrum: der Teich, der die Schlauchform des Grundstücks vergessen lässt.

      Verspielt, bunt, biodivers – ein Naturgarten wie aus dem Bilderbuch. Und dafür braucht man noch nicht einmal viel Platz: Dieser hier entstand auf einem typischen Handtuch-Grundstück, wie sie in dicht bebauten Gegenden die Regel sind: 10 Meter breit, 27 Meter lang und gegen die Nachbargrundstücke ausgestellt. Dieses grüne Kleinod ist ein schöner Beweis dafür, dass man auch auf kleiner Fläche die Vielfalt der Natur in den eigenen Garten holen kann, statt sich mit einer einfallslosen mit Thujen abgepflanzten Rasenfläche zufriedenzugeben.

       Laudatio

      Naturgärten erleben seit Jahren einen ungeahnten Aufschwung. Kein Wunder, wird doch der Wunsch nach mehr Natur, und den eigenen Garten auch als Lebensraum für bedrohte Arten zu gestalten, immer häufiger geäußert. Ein Wunsch, der Planer und Gartenanlegende vor eine ganze Reihe Herausforderungen stellt. Für wen wird der Garten vorrangig gestaltet? Für Menschen, Tiere oder beide? Reicht die Fläche aus, um echte Biotope zu schaffen und nicht nur Alibi-Habitate? Und wie schaut es mit der Ästhetik aus? Geröll- und Schutthaufen, Totholzstapel und ein Sammelsurium an Kleinstlebensräumen auf engstem Raum lassen sich nur schwer zu einem attraktiven Gartenbild zusammenfügen.

      Hier entstand auf einem kleinen, schmalen Grundstück ein intimer Gartenraum mit Sitzplatz, Mini-Badeteich und einer ansprechenden Bepflanzung. Trotz der geringen Fläche wirkt der Garten nicht überladen. Eine ästhetisch überzeugende und pflegetechnisch beherrschbare Gestaltung mit heimischen Pflanzen verlangt besondere Kenntnisse in Vegetationsökologie und Pflanzensoziologie, da durch die Wuchskraft und den Ausbreitungswillen vieler Arten schnell „wilde Ecken“ entstehen, die weder attraktiv noch gepflegt wirken. Zudem haben viele einheimische Arten ihren Blühhöhepunkt in der ersten Jahreshälfte bis zur Sommermitte, was es schwierig macht, in der zweiten Jahreshälfte ansprechende Gartenbilder zu kreieren. Die Planer von Hariyo haben dies überzeugend gelöst und mit einem Anteil von über 80 % einheimischer Arten und einer klaren Raumaufteilung einen Garten geschaffen, der als Refugium und Freiraum für Menschen dient und einen Lebensraum für Tiere schafft, ohne verwildert und ungepflegt zu wirken. Der konsequente Einsatz natürlicher Materialien und der Verzicht auf bewässerungs- und pflegeintensive Rasenflächen sind beispielhaft für eine naturnahe, ästhetische Gartengestaltung – eine perfekte Symbiose aus Moderne und Ökologie.

      Dr. Folko Kullmann

      „Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket: Mit den Augen zu sehn, was vor den Augen dir lieget.“

      Mit diesem Goethe-Zitat begrüßt unsere diesjährige Preisträgerin die Besucher ihrer Homepage www.marion-nickig.de – und bringt damit die Grundlage ihres täglichen Schaffens auf den Punkt. Marion Nickig studierte Grafik-Design an der Essener Folkwangschule und der Universität GHS Essen und Wuppertal. Seit den 1980er-Jahren werden ihre Fotos in renommierten Garten- und Wohnzeitschriften veröffentlicht, ebenso in Büchern und Kalendern. Sie kann nicht nur einfühlsam fotografieren, ihr Tun ist auch geprägt von großem botanischem Fachwissen, wie man an der exakten Verschlagwortung ihrer Fotos mit Gattungs-, Art- und Sortennamen unschwer erkennen kann.

      Um einen Garten zu fotografieren, sind technische Kenntnisse und Fertigkeiten entscheidend – das setzt man bei einem Profi wie Marion Nickig ohnehin voraus. Dazu kommt das richtige Timing: Zu welcher Tageszeit werden die Fotos am besten gemacht? Aber ebenso muss sie eine persönliche Beziehung zu den Gartenbesitzern und deren Refugium aufbauen. Sie muss erspüren, welche Intention dem Garten innewohnt – und diese Intention gilt es zu visualisieren.

      Und so besuchen wir gemeinsam mit Marion Nickig dieses grüne Schmuckstück, auch wenn wir selbst nicht dort sein können. Das 2000 m2 große Gartenjuwel liegt in Hamburg-Flottbek inmitten alter hanseatischer Villen in Elbnähe. Geplant und gestaltet wurde es von Anke Mattern aus Steyerberg.

      Die Fotografin lädt uns ein, alles bedächtig zu erkunden, zum Beispiel den mäandernden Weg zum hinteren Wohngarten entlang der Nordseite des Hauses. Wir bestaunen die Cortenstahlwand mit Wasserbecken und Wasserfall sowie einen versteckten Sitzplatz mit Designer-Sesseln. Geschickt lenkt sie unseren Blick auf botanische Kostbarkeiten wie den Rotschleierfarn mit seinen kupferroten


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