Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
die größte Torheit, die ich begehen könnte. Ich sehe aber nicht ein, wie ich, ein einfacher Mensch und ohne jede Gewalt, meine Stammesgenossen überreden könnte, das Land, das sie jetzt bewohnen, zu verlassen und mir zu folgen, wohin ich sie auch führen möge. Wenn ich sie aber auch dazu überreden könnte, wüsste ich nicht, wie ich den Pharao dahin zu bringen vermöchte, dass er die Hebräer ziehen ließe, durch deren Mühe und Arbeit der Wohlstand der Ägypter sich mehrt.«
3. Gott aber riet ihm, wohlgemut zu sein, da er ihm beistehen werde. Wo er der Worte bedürfe, werde er ihm Überredungsgabe verleihen, Kraft aber, wo er Taten brauche. Und zur Bekräftigung seiner Verheißung hieß er ihn seinen Stab auf die Erde werfen. Als er das getan, ward daraus eine Schlange, die auf dem Boden kroch, sich in Windungen wickelte und ihren Kopf erhob, als wenn sie ihre Verfolger bedrohen wollte; und darauf wurde sie wieder zum Stabe. Danach gebot er ihm, die rechte Hand in seinen Busen zu stecken. Und als er das getan und sie hervorzog, war sie weiß und an Farbe dem Kalk ähnlich, worauf sie ihr früheres Aussehen wiedererhielt. Auch wurde ihm befohlen, Wasser in der Nähe zu schöpfen und es auf den Boden zu gießen, und es bekam Blutfarbe. Als nun Moyses sich hierüber verwunderte, ermahnte ihn Gott, er solle Mut fassen und versichert sein, dass er ihm ein mächtiger Helfer sein werde, und zur Bekräftigung solle er sich bei allen derselben Wunder bedienen, damit er sie überzeuge, dass er von Gott gesandt sei und seine Befehle vollziehe. »Tu also, wie ich dir geheißen, begib dich ohne jeden Verzug nach Ägypten und eile Tag und Nacht hindurch, damit du keine Zeit verlierst und die harte Knechtschaft der Hebräer nicht in die Länge ziehst.«
4. Moyses aber zweifelte nicht weiter an Gottes Verheißungen, da er der Augen- und Ohrenzeuge so vieler Wunderzeichen geworden war, und er bat Gott, ihm dieselbe Kraft, wenn es not tue, auch in Ägypten zu verleihen und ihm ferner die Kenntnis seines Namens nicht vorzuenthalten, sondern ihm dieselbe zu gewähren, da er ihn doch auch seines Anblickes und seiner Stimme gewürdigt habe. Da verkündete ihm Gott seinen Namen, der früher noch keinem Menschen war kundgetan worden. Diesen Namen* aber darf ich nicht aussprechen. Moyses erhielt also die Macht, solche Wundertaten zu verrichten, so viele ihrer und so oft sie erforderlich seien. Durch alle diese Zeichen ward er noch mehr überzeugt von der Wahrheit dessen, was er aus dem brennenden Brombeerstrauche vernommen, und er glaubte, dass Gott ihm ein gnädiger Helfer sein werde. Auch hoffte er, seine Stammesgenossen befreien und den Ägyptern Unheil antun zu können.
DREIZEHNTES KAPITEL
Moyses und Aaron ziehen in Ägypten ein und gehen zum König.
1. Da nun Moyses erfahren hatte, dass Pharao**, der König der Ägypter, der damals regierte, als er geflohen war, gestorben sei, erbat er sich von Raguel die Erlaubnis, zum Besten seiner Stammesgenossen nach Ägypten ziehen zu dürfen, und er nahm sein Weib Sepphora, die Tochter Raguels, und die Söhne, die sie ihm geboren, Gersus und Eleazar, und begab sich auf die Reise. Von diesen beiden Namen bedeutet Gersua im Hebräischen: »in ein fremdes Land gekommen«, und Eleazar: »unter dem Beistande des Gottes seiner Väter den Ägyptern entflohen.« Nachdem sie sich nun der Grenze genähert, begegnete ihm auf Gottes Geheiß sein Bruder Aaron, dem er sofort mitteilte, was ihm auf dem Berge begegnet war und was Gott ihm aufgetragen hatte. Als sie aber weiterzogen, kamen ihnen die vornehmsten der Hebräer entgegen, die von ihrer Ankunft Nachricht erhalten hatten; und da sie seinen Worten keinen Glauben schenken wollten, führte Moyses ihnen die Wunderzeichen vor Augen. Und sie wurden von Verwunderung ob des Geschehenen ergriffen, fassten Mut und gaben sich der frohen Hoffnung hin, Gott werde für ihre Sicherheit sorgen.
2. Als er so die Hebräer sich willfährig gemacht, die sich ganz ihm anzuvertrauen versprachen, da sie ein lebhaftes Verlangen nach Befreiung trugen, ging Moyses zum König, der jüngst die Regierung angetreten hatte*, und erinnerte ihn daran, wie nützlich er sich den Ägyptern erwiesen habe, als ihre Äcker von den Äthiopiern verwüstet, und sie diesen zum Gespött geworden seien, und wie er die Beschwerden des Kriegsdienstes für sie ertragen habe, als wären sie seine eigenen Angehörigen gewesen. Dann zeigte er ihm, dass er sich der höchsten Gefahr ihretwegen unterzogen habe, wofür sie ihm noch nicht einmal Dank gewusst hätten. Auch teilte er ihm mit, was ihm auf dem Berge Sinai begegnet, wie Gott zu ihm geredet und zur Bestätigung seines Befehles vor seinen Augen Wunder vollbracht habe, und er beschwor ihn, an seine Sendung zu glauben und dem Willen Gottes sich nicht zu widersetzen.
3. Als aber der König ihn verlachte, gab Moyses ihm eine Probe von den Wundern, die er auf Sinai erblickt hatte. Der König jedoch erzürnte und schalt ihn einen Frevler, der einst der ägyptischen Knechtschaft entflohen, jetzt aber mit Betrug und Bosheit zurückgekehrt sei, um durch Blendwerk und magische Künste das Volk in Erstaunen zu setzen. Nach diesen Worten hieß er seine Priester dieselben Wundertaten vollbringen; denn auch die Ägypter verständen diese Künste, und Moyses besitze nicht allein göttliche Kraft, da er doch seine Gaukeleien nur vorführe, um das rohe und ungebildete Volk zum Glauben an ihn zu verleiten und es zu täuschen. Und da sie ihre Stäbe zu Boden warfen, wurden auch diese zu Schlangen. Moyses aber wurde davon nicht im Geringsten betroffen und sprach: »Ich verachte zwar die Weisheit der Ägypter nicht, aber ich behaupte, dass meine Werke ihre magischen Künste ebenso übertreffen als Gottes Werke die der Menschen. Und ich will beweisen, dass meine Werke keine Gaukeleien sind und kein Betrug, sondern dass sie durch Gottes Einfluss und Kraft geschehen.« Nach diesen Worten warf er seinen Stab zur Erde und hieß ihn sich in eine Schlange verwandeln. Derselbe gehorchte dem Befehl, griff die Stäbe der Ägypter, die dem Auge in der Gestalt von Schlangen erschienen, einen nach dem anderen an und verschlang sie sämtlich. Dann erhielt er wieder seine frühere Gestalt, und Moyses hob ihn auf.
4. Der König aber wurde hierdurch um nichts mehr gerührt, sondern geriet in Zorn und sagte, er werde mit seiner Geschicklichkeit und Schlauheit doch nichts gegen die Ägypter ausrichten. Und er befahl dem Aufseher der Hebräer, er solle ihnen keine Erholung von den Arbeiten mehr bewilligen, sie vielmehr mit noch schwereren Arbeiten als früher belasten und zum Gehorsam zwingen. Dieser gewährte ihnen also fürder keine Spreu mehr zur Verfertigung von Ziegelsteinen wie früher, sondern am Tage quälte er sie mit den drückendsten Arbeiten und zwang sie dann des Nachts auch noch, die Spreu zu sammeln. Und als so ihre Plackereien sich verdoppelten, zürnten sie dem Moyses, weil er die Schuld trage, dass sich ihre Arbeit und ihr Elend vermehrt habe. Er aber wich weder den Drohungen des Königs noch den Klagen und Vorwürfen der Hebräer, sondern er blieb festen Gemütes und scheute keine Mühe, um den Seinigen die Freiheit wiederzugeben. Und so ging er wieder zum König, um ihn zu überreden, die Hebräer auf den Berg Sinai zu entlassen, wo sie Gott nach dessen Vorschrift opfern wollten. Gottes Willen aber solle er keinen Widerstand entgegensetzen, sondern sein Wohlwollen allem anderen vorziehen und ihnen den Abzug gestatten, damit er nicht dereinst seine Hartnäckigkeit sich vorzuwerfen habe, wenn er das erdulden müsse, was dem zu geschehen pflege, der Gottes Befehle missachte. Denn auf diejenigen, die Gottes Zorn sich zuzögen, ströme von allen Seiten Unglück heran, da weder der Himmel noch die Erde, noch ihre eigene Nachkommenschaft ihnen wohlgesinnt seien, vielmehr überall Hass und Feindschaft auf sie lauere. Und alle diese Übel würden über die Ägypter verhängt werden, während das Volk der Hebräer trotz ihrem Widerstande dennoch den Auszug aus ihrem Lande bewerkstelligen werde.
VIERZEHNTES KAPITEL
Von den zehn Plagen, die Ägypten heimsuchten.
1. Da aber der König des Moyses Worte verachtete und auf seine Mahnungen nicht im Mindesten hörte, befielen schwere Übel Ägypten, die ich einzeln aufzählen werde, teils weil nie einem Volke Ähnliches zugestoßen ist, teils weil Gott dadurch die Wahrheit dessen, was Moyses verkündet hatte, erweisen wollte, und endlich auch, weil es den Menschen von Nutzen sein kann, sie kennen zu lernen. Dann werden sie umso eher sich der Beleidigung der göttlichen Majestät enthalten und Gottes Zorn nicht durch Ungerechtigkeit reizen. Zunächst also färbte sich das Wasser des Stromes blutrot, sodass es zum Trinken untauglich wurde; eine andere Wasserquelle aber war nicht da. Das Wasser hatte jedoch nicht nur eine blutrote Farbe, sondern verursachte