Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
hatte, gab diese für Getreide hin. So gelangte aller Grundbesitz in das Eigentum des Königs, und der eine musste hierhin, der andere dorthin ziehen, damit der König umso sicherer und unbehelligter das Eigentumsrecht an Grund und Boden behielt. Nur den Priestern verblieb ihr Besitz. Die große Not führte schließlich dazu, dass man nicht nur den Leib, sondern auch die Seele verkaufte und so gezwungen war, auf unsittliche Weise sein Leben zu fristen. Als aber endlich die Hungersnot nachließ, der Fluss das Land wieder überschwemmte, und dieses wieder reichlich Frucht erzeugte, begab sich Joseph zu jeder Gemeinde, rief das Volk zusammen und gab das Land, das dem Könige abgetreten worden war, und von dem er allein die Nutznießung hatte, den früheren Eigentümern zurück. Diese ermahnte er, wohl zu bedenken, dass das Land von Rechts wegen Eigentum des Königs sei; sie sollten sich also dessen Bebauung nicht dadurch verdrießen lassen, dass sie fortan den fünften Teil des Ertrages an den König abliefern müssten. Sie aber freuten sich, so unverhofft wieder in den Besitz ihres Ackerlandes gekommen zu sein, und verpflichteten sich zur strengen Beobachtung dieses Befehls. Hierdurch wuchs sowohl das Ansehen Josephs bei den Ägyptern als auch die Anhänglichkeit der Untertanen an den König in hohem Grade. Dieser Gebrauch, den fünften Teil des Ertrages abzuliefern, blieb auch unter den folgenden Königen unverändert bestehen.
ACHTES KAPITEL
Vom Hinscheiden Jakobs und Josephs.
1. Als Jakob siebzehn Jahre in Ägypten gelebt hatte, erkrankte er und starb in Gegenwart seiner Söhne, nachdem er ihnen zuvor noch alles Gute gewünscht und in prophetischer Weise verkündet hatte, dass ihre Nachkommen das Land Chananaea bewohnen würden, wie es auch später wirklich geschehen ist. Dem Joseph aber erteilte er besonderes Lob, weil er nicht nur das Unrecht verziehen, das seine Brüder ihm zugefügt, sondern ihnen nur noch desto mehr Güte erwiesen habe, indem er sie mit Wohltaten überhäufte, die sie nicht vergelten konnten. Deshalb befahl er seinen Söhnen, sie sollten die Söhne Josephs, Ephraïm und Manasses, in ihre Zahl aufnehmen und das Land Chananaea mit ihnen teilen, wovon später die Rede sein wird. Dann verlangte er noch, in Chebron begraben zu werden. Und er starb im Alter von hundertsiebenundvierzig Jahren. Niemand seiner Vorfahren übertraf ihn an Frömmigkeit, und für seine ausgezeichneten Verdienste war ihm der gebührende Lohn zuteil geworden. Joseph brachte mit Einwilligung des Königs den Leichnam seines Vaters nach Chebron und bestattete ihn dort mit aller Pracht. Als aber seine Brüder sich weigerten, mit ihm nach Ägypten zurückzukehren (sie fürchteten nämlich, er werde nach des Vaters Tode sich an ihnen für das begangene Unrecht rächen, weil niemand mehr da sei, dem er mit der ihnen erzeigten Freundlichkeit einen Gefallen erweisen könne), bat er sie, die Furcht und das Misstrauen gegen ihn abzulegen. Sie gingen nun auch wieder mit ihm, und er beschenkte sie mit großem Landbesitz und ließ nicht nach, ihnen sein ganzes Wohlwollen zuzuwenden.
2. Als Joseph aber hundertzehn Jahre alt war, starb er auch selbst. Er war mit hervorragenden Eigenschaften begabt, lenkte und leitete alles mit großer Weisheit und machte von seiner angesehenen Stellung nur guten und verständigen Gebrauch. Diese Eigenschaften bewirkten sein großes Glück bei den Ägyptern, obwohl er ein Fremdling und den Ränken und der schimpflichen Behandlung ausgesetzt gewesen war, deren wir oben Erwähnung getan. Auch seine Brüder starben in Ägypten, nachdem sie glücklich gelebt. Ihre Gebeine brachten ihre Kinder und Kindeskinder später nach Chebron und setzten sie hier bei. Josephs Gebeine aber nahmen die Hebräer erst dann nach Chananaea mit, als sie aus Ägypten auszogen; denn hierzu hatte sie Joseph eidlich verpflichtet. Welche Geschicke nun die einzelnen Nachkommen zu bestehen hatten, und unter welchen Mühseligkeiten es ihnen gelang, Chananaea in Besitz zu nehmen, werde ich später erzählen, nachdem ich die Veranlassung erörtert habe, weshalb sie Ägypten verließen.
NEUNTES KAPITEL
Bedrückung der Hebräer. Moyses’ Geburt und Erziehung.
1. Die Ägypter aber waren genusssüchtig und träge, hingen an sinnlichem Vergnügen und jagten nach Gewinn. Daher beneideten sie die Hebräer um ihres Glückes willen und wurden feindselig gegen sie gesinnt. Da sie nämlich bemerkten, wie sehr die Israeliten sich vermehrten und wie sie durch Fleiß und Tüchtigkeit zu großem Reichtum gelangten, befürchteten sie, dieselben möchten ihre Macht zum Verderben der Ägypter anwenden. Und da auch das Andenken an Josephs Wohltaten mit der Zeit verblasste, und die Regierung an eine andere Dynastie übergegangen war, wurden die Israeliten misshandelt und zu allerlei schweren Arbeiten herangezogen. Man befahl ihnen, den Fluss in viele Bäche abzuleiten, Mauern um die Städte zu ziehen und Dämme zu errichten, damit das Wasser nicht aus den Ufern treten und Sümpfe bilden könne. Auch erschöpften sie die Unseren durch den Bau von Pyramiden und zwangen sie, mancherlei Künste zu erlernen und sich an schwere Arbeit zu gewöhnen. Dieses Schicksal ertrugen sie volle vierhundert Jahre, und es schien beiderseitig ein Wetteifer zu entstehen, in welchem die Ägypter die Israeliten durch übermäßige Arbeit zugrunde richten, diese hingegen dartun wollten, dass ihnen keine Anstrengung zu groß sei.
2. Während sich die Unseren mit solchen Arbeiten befassen mussten, ereignete sich etwas, das bei den Ägyptern den Wunsch, uns zu vertilgen, noch reger machte. Einer von ihren Schriftkundigen (denn diese waren in der Vorhersagung der Zukunft bewandert) weissagte dem König, es werde um jene Zeit aus hebräischem Blute ein Knabe geboren werden, der, wenn er erwachsen sei, die Herrschaft der Ägypter vernichten, die Israeliten hingegen mächtig machen werde. An Tugend werde er besonders hervorragen, und sein Andenken werde ein ruhmvolles sein. Durch diesen Spruch wurde der König erschreckt, und er befahl, alle israelitischen Knaben gleich nach der Geburt in den Fluss zu werfen und zu töten. Die ägyptischen Geburtshelferinnen sollten genau erforschen, wann die hebräischen Weiber niederkommen würden, und die Geburt sorgsam überwachen. Und nur ägyptische Geburtshelferinnen sollten bei Hebräerinnen Dienste tun, weil nur von diesen eine strenge Befolgung des Gebotes zu erwarten war. Diejenigen aber, die dieses Gebot überträten und ihre neugeborenen Kinder zu verbergen wagten, sollten mit ihrer ganzen Familie den Tod erleiden. Den Hebräern erschien das Gebot grausam, nicht nur, weil sie ihre Kinder verlieren und noch selbst Henkersdienste an ihnen verrichten sollten, sondern auch, weil sie daran dachten, dass nach der Tötung ihrer Kinder auch sie selbst nicht lange mehr leben würden, da sie von Unglück und Trübsal würden niedergebeugt werden, und dass so ihr Geschlecht von Grund aus vernichtet werden würde. Sie waren also in einer trostlosen Lage. Aber gegen Gottes Ratschluss kann man nicht ankämpfen, wenn man auch tausend Listen dagegen ersinnt. Denn der Knabe, vor dem jener Schriftkundige gewarnt hatte, wurde den Nachstellungen des Königs zum Trotz heimlich erzogen, und alles, was er von ihm vorhergesagt hatte, bewahrheitete sich. Der Hergang war folgender.
3. Amaram, ein vornehmer Jude, war um sein Volk besorgt, da keine männliche Jugend mehr nachwuchs, und auch in Bezug auf sich selbst war er äußerst beängstigt, denn seine Gattin war schwanger. Und er rief Gott an und flehte zu ihm, er möge sich doch des Schicksals derjenigen erbarmen, die ihn bisher so treu verehrt hätten, und sie aus ihrer gegenwärtigen Not befreien, indem er den Ägyptern die Hoffnung auf gänzliche Vernichtung der Israeliten raube. Gott erbarmte sich seiner, erhörte sein Gebet, erschien ihm im Schlafe und ermahnte ihn, an der Zukunft nicht zu verzweifeln. Er erinnere sich der Frömmigkeit der Israeliten und werde sie dafür geziemend belohnen, da er doch auch ihren Vorfahren gnädig gewesen sei und sie aus einer geringen Anzahl zu einem großen Volke habe anwachsen lassen. Denn Abram sei allein von Mesopotamien nach Chananaea gezogen und glücklich gewesen; auch habe seine Gattin, die vorher unfruchtbar gewesen, später seinem Wunsche gemäß noch Kinder geboren, und dem Ismaël und dessen Nachkommen habe er Arabien, den Söhnen der Chetura Troglodytis, dem Isak aber Chananaea hinterlassen. »Und wenn ihr nicht«, fuhr Gott fort, »gottlosen und undankbaren Gemütes seid, so müsst ihr euch erinnern, was für Kriegstaten er unter meinem Schutze verrichtet hat. Jakob ist wegen des großen Glückes, in dem er selbst gelebt und das er seinen Kindern und Enkeln hinterlassen, bei den auswärtigen Völkerschaften zu großer Berühmtheit gelangt. Mit siebzig Angehörigen im Ganzen kam er nach Ägypten, und ihr seid schon auf mehr als sechshunderttausend angewachsen. Jetzt aber, das merke dir, bin ich für euer Wohlergehen und deinen Ruhm besorgt. Denn jener Knabe, dessen Geburt die Ägypter so fürchten, dass sie die israelitischen Kinder alle töten wollen, wird dir geboren werden. Er wird denen verborgen bleiben, die ihm nachstellen, auf wunderbare Weise wird er erzogen