Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
den Fremden. Diese Gnade will ich dir und deinen Nachkommen erweisen. Auch wird er einen Bruder haben, der den Ruhm genießen wird, mit seinen Nachkommen mein Priestertum zu versehen bis in ewige Zeiten.«
4. Nachdem ihm dies im Traume kund geworden, erwachte Amaram und erzählte den Vorfall seiner Gattin Joachebed. Doch fürchteten sie sich sehr wegen dessen, was ihnen im Traum war verkündigt worden. Denn sie waren nicht nur wegen des Knaben besorgt, sondern auch wegen der Größe des ihm bevorstehenden Glückes. Einen Beweis für die Wahrheit der Prophezeiung bot aber schon die Niederkunft der Frau; denn diese erfolgte leicht und ohne heftige Geburtswehen und blieb auch den Spähern verborgen. Drei Monate lang zogen sie den Knaben heimlich zu Hause auf. Dann aber fürchtete Amaram doch, die Sache könne entdeckt werden und der König in seinem Zorne ihn mitsamt seinem Söhnchen umbringen lassen, und es möchte so die Verheißung Gottes zunichte werden. Deshalb entschloss er sich, lieber das Heil des Knaben dem Willen Gottes anheim zu geben, als ihn noch länger im Versteck zu behalten. Denn so drohe nicht nur dem heimlich auferzogenen Knaben, sondern auch ihm selbst die größte Gefahr. Gott dagegen habe es in der Hand, für dessen Sicherheit zu sorgen und so seine Verheißung zu verwirklichen. Als sie dieses beschlossen, verfertigten sie ein Körbchen aus Papyrusbast, einer Wiege ähnlich und so groß, dass es den Knaben bequem aufnehmen konnte. Dann dichteten sie dasselbe gehörig mit Harz (denn dieses lässt Wasser nicht eindringen), legten den Knaben hinein, setzten ihn im Flusse aus und befahlen ihn der Obhut Gottes. Das Körbchen schwamm leicht auf dem Wasser, und Mariamme, die Schwester des Knaben, ging auf Geheiß der Mutter am Ufer entlang, um zu beobachten, wohin das Körbchen getrieben würde. Und jetzt bewies Gott, dass menschliche Klugheit nichts vermag, sondern dass er alles nach seinem Willen zum Besten wenden kann, und dass diejenigen, die zu ihrer Sicherheit anderen Verderben bereiten wollen, auch bei größter Beharrlichkeit nicht zum Ziele gelangen, dass hingegen diejenigen, die nach Gottes geheimem Ratschluss verloren zu sein scheinen, wider Erwarten gerettet und mitten aus der Drangsal zum Glücke geleitet werden können. So wird auch aus dem Schicksal dieses Knaben Gottes Allmacht kund und offenbar.
5. Der König hatte eine Tochter mit Namen Thermuthis. Als diese am Ufer des Flusses lustwandelte, sah sie ein Körbchen auf dem Wasser schwimmen und befahl einem Schwimmkundigen, ihr dasselbe zu holen. Als dieser den Befehl vollzogen, und sie den Knaben in dem Körbchen erblickte, freute sie sich sehr ob seiner Größe und Schönheit. Denn mit so großer Huld beschirmte Gott den Moyses, dass er sogar von denen ernährt und erzogen werden musste, die aus Furcht vor seiner Geburt den grausamen Befehl erlassen hatten, alle hebräischen Knaben zu töten. Darauf ließ Thermuthis ein Weib herbeiholen, die den Knaben säugen sollte. Als aber das Kind weder von dieser noch von anderen Ammen, die man eine nach der anderen herbeigeholt, Nahrung annehmen wollte, da erschien Mariamme, die scheinbar unabsichtlich herzugekommen war, um zu sehen, was es gebe, und sagte: »Es nützt nichts, o Königstochter, dass du diesem Knaben Ammen gibst, die nicht eines Stammes mit ihm sind. Willst du aber eine hebräische Amme holen lassen, so würde er wohl von dieser, als einer Stammesgenossin, sogleich die Brust nehmen.« Da dies der Königstochter einleuchtete, hieß sie Mariamme selbst gehen und eine Amme herbeiholen.
Diese führte den Auftrag aus und kam mit ihrer eigenen Mutter zurück, die sonst niemand von Angesicht bekannt war. Und weil der Knabe von ihr willig die Brust nahm und sich innig an sie schmiegte, so bat die Königstochter sie, denselben aufzuziehen und zu ernähren.
6. Darauf gab sie ihm, weil er im Flusse ausgesetzt worden war, hiervon den Namen, denn die Ägypter nennen Wasser »Mo«, »yses« aber diejenigen, die man dem Wasser entreißt. Aus diesen beiden Worten ist der Name Moyses zusammengesetzt. Moyses aber übertraf zweifellos an Seelengröße und Fähigkeit zur Ertragung von Beschwerden alle anderen Hebräer, wie Gott verheißen hatte. Von Abram an war er der siebente, denn er war ein Sohn des Amaram, des Sohnes des Kaath, dessen Vater Levis ein Sohn Jakobs war, der von Isak stammte. Isak aber war ein Sohn Abrams. Das Alter des Knaben aber blieb hinter seinem Verstande und seiner Klugheit zurück, denn er war an Weisheit und Ausbildung des Geistes so entwickelt, dass er einem vorgerückteren Alter Ehre gemacht hätte. Und was er in der Jugend tat, ließ die Hoffnung berechtigt erscheinen, er werde später noch Größeres vollbringen. Als er drei Jahre alt war, verlieh Gott ihm einen hohen, schlanken Wuchs und eine so große Schönheit, dass niemand, wenn er auch noch so unempfänglich für äußere Vorzüge war, ihn anschauen konnte, ohne von seiner Gestalt entzückt zu sein. Und oft geschah es, dass jemand, der ihm begegnete, seine Geschäfte vergaß und, in bewunderndem Anschauen versunken, stehen blieb. Denn seine kindliche Anmut, verbunden mit der Einfachheit seines Wesens, fesselte die Zuschauer so, dass sie sich kaum von ihm trennen konnten.
7. Da er nun von so herrlicher Gestalt und hoher Begabung war, nahm Thermuthis, weil sie ohne rechtmäßige Nachkommen war, ihn an Kindes statt an. Und als sie ihn einst zu ihrem Vater brachte, sprach sie den Wunsch aus, ihn zu ihrem Erben einzusetzen, falls Gott ihr keinen anderen Sohn schenken würde, und fügte hinzu: »Diesen Knaben mit seiner göttlichen Gestalt und seinem edlen Gemüte habe ich auferzogen, und da ich ihn auf wunderbare Weise aus dem gütigen Flusse erhalten habe, so habe ich beschlossen, ihn zu meinem Sohne und zum Nachfolger in deiner Herrscherwürde zu machen.« Mit diesen Worten legte sie den Knaben in die Arme ihres Vaters. Dieser nahm ihn, drückte ihn an seine Brust und setzte ihm, um seiner Tochter gefällig zu sein, aus Scherz seine Königskrone auf. Moyses aber warf sie zur Erde, rollte sie kindisch umher und trat sie mit Füßen. Das schien böse Vorbedeutung für die Königswürde zu sein. Jener Schriftkundige aber, der aus seiner Geburt den Untergang der ägyptischen Herrschaft geweissagt hatte, hatte kaum den Vorgang bemerkt, als er herzueilte, um den Knaben zu töten, indem er voll Schrecken ausrief: »Das ist der Knabe, o König durch dessen Tötung wir unsere Sicherheit nach Gottes Verkündigung erlangen werden. Denn ein Zeichen für die Wahrheit der Prophezeiung ist es, dass er deine Königswürde verspottet und deine Krone mit Füßen tritt. Lass ihn daher töten und befreie so die Ägypter von der Furcht vor ihm, den Hebräern aber nimm die Hoffnung, die sie auf ihn setzen.« Thermuthis aber kam ihm zuvor und verbarg den Knaben, und auch der König zögerte, ihn umzubringen, weil Gott, der um das Leben des Moyses Sorge trug, ihm dies eingegeben hatte. Moyses wurde auf das sorgfältigste erzogen, und die Hebräer setzten alle ihre Hoffnung auf ihn; den Ägyptern dagegen war seine Erziehung nicht nach dem Sinn. Da aber der König ihm durch Adoption verwandt war und deshalb vor seiner Tötung zurückscheute und auch sonst sich niemand fand, der den Ägyptern zu Gefallen infolge jener Weissagung sich dazu hergegeben hätte, so unterblieb dieselbe.
ZEHNTES KAPITEL
Wie Moyses gegen die Äthiopier Krieg führte.
1. Als nun Moyses auf diese Weise geboren, erzogen und groß geworden war, zeigte er bei einer besonderen Gelegenheit, dass Tapferkeit ihm in hohem Grade eigen war, und dass er der Mann sei, um die Ägypter zu unterdrücken, die geknechteten Hebräer aber aufzurichten. Die Äthiopier nämlich, die den Ägyptern benachbart waren, waren in deren Land eingefallen und hatten geraubt und geplündert. Die Ägypter, darüber erzürnt, beschlossen, ihre Schmach zu rächen, und rüsteten ein Heer gegen sie aus. Jedoch wurden sie geschlagen; ein Teil von ihnen fiel in der Schlacht, der andere zog sich in schmählicher Flucht nach Hause zurück. Die Äthiopier, die es für ein Zeichen von Feigheit hielten, wenn sie nicht ganz Ägypten sich unterjochten, setzten den Fliehenden nach und verwüsteten das Land weithin; und da sie reiche Beute machten, konnten sie es nicht unterlassen, von Tag zu Tag aufs Neue anzugreifen. Weil sie nun die nächsten Gegenden durchstreift hatten, ohne dass sich ihnen jemand zur Wehre setzte, rückten sie bis nach Memphis und ans Meer vor, und keine Stadt konnte ihren Ansturm aushalten. In dieser Bedrängnis nahmen die Ägypter zu Orakeln und Weissagungen ihre Zuflucht. Und da ihnen Gott den Rat gab, sie sollten einen Hebräer zu Hilfe rufen, verlangte der König von seiner Tochter den Moyses, um ihn zum Befehlshaber seiner Truppen zu machen. Diese willigte ein, nachdem er ihr eidlich versprochen hatte, nichts zu Moyses’ Verderben ins Werk zu setzen. Denn sie hielt dafür, dass sie dem Lande damit eine Wohltat erweise, für die ihr Dank gebühre, und warf den Priestern vor, dass sie sich jetzt nicht schämten, dessen Hilfe zu begehren, den wie einen Feind zu töten sie früher geraten hatten.
2. Moyses aber unternahm, da Thermuthis ebenso wie der König ihn darum baten, bereitwillig den Kriegszug, worüber die beiderseitigen Schriftkundigen