Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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können, sondern die, welche nach Alexandrien zum Zwecke der Interpretation gesandt worden waren, haben ihm nur die Gesetzbücher übergeben. Es sind aber noch außerdem unzählige andere Dinge in den heiligen Schriften aufbewahrt, die die Geschichte von 5000 Jahren mit ihren merkwürdigen Ereignissen, ihrem wechselnden Kriegsglück, ihren herrlichen Feldherrnleistungen und ihren vielen Staatsumwälzungen umfassen. Im Allgemeinen kann man leicht aus dieser Geschichte entnehmen, dass denjenigen, die Gottes Willen befolgen und seine wohl gemeinten Gesetze zu übertreten sich scheuen, alles wider Erwarten zum Besten gedeiht und der Lohn der Glückseligkeit Gottes winkt, dass hingegen die, welche von der treuen Beobachtung der Gesetze abweichen, das unüberwindlich finden, was sonst leicht erscheint, und das Gute, das sie zu tun unternehmen, in heillose Verwirrung umschlagen sehen.

      Daher ermahne ich diejenigen, welche diese Bücher lesen wollen, ihren Sinn auf Gott zu richten und Acht zu haben, wie unser Gesetzgeber die Natur Gottes geziemend aufgefasst und ihm nur solche Taten beigelegt hat, die seiner Macht würdig sind, und wie er sich fern gehalten von eitler Fabelei, obgleich doch das hohe Alter der Begebenheiten ihn leicht zur Erfindung irgendwelcher Lügen hätte verleiten können. Denn er ist geboren vor 2000 Jahren, zu einer Zeit, in welche die Dichter nicht einmal den Ursprung ihrer Götter, geschweige denn Taten oder Gesetze sterblicher Menschen zu verlegen gewagt haben. Alles dieses wird im Folgenden in gebührender Ordnung dargestellt werden, denn es ist mein fester Vorsatz, in der Darstellung weder etwas wegzulassen noch hinzuzufügen.

      4. Weil im Übrigen alles der Weisheit des Gesetzgebers Moyses zuzuschreiben ist, erscheint es mir notwendig, einiges über ihn vorauszuschicken, damit es dem Leser nicht auffallend erscheine, dass, obgleich der Titel des Werkes Berichte von Gesetzen und Taten verspricht, doch so vieles auf die Naturgeschichte Bezügliche darin enthalten ist. Es ist daher notwendig zu wissen, dass jener Mann es für unumgänglich gehalten hat, dass derjenige, der sein eigenes Leben wohl einrichten oder anderen Gesetze geben will, vornehmlich die Natur Gottes zu erkennen streben und durch innige Betrachtung seiner Werke dem erhabenen Vorbilde aller nachzueifern und zu folgen versuchen müsse. Denn ohne diese Erkenntnis wird weder der Gesetzgeber selbst ein gutes Gemüt haben, noch werden seine Schriften das Gemüt der Leser zur Tugend hinlenken können, wenn diese nicht vor allem das erkannt haben, dass Gott, da er aller Herr und Vater ist und alles sieht, denjenigen, die ihm gehorchen, ein glückseliges Leben verleiht, diejenigen aber, die vom Pfade der Tugend abweichen, im größten Elend versinken lässt. Moyses hat daher, um seinen Mitbürgern diese Erkenntnis beizubringen, nicht wie andere auf Satzung und Übereinkommen seine Gesetze aufgebaut, sondern er hat ihren Sinn auf Gott und die Betrachtung der Schöpfung hingelenkt und sie gelehrt, dass auf Erden wir Menschen das schönste Werk Gottes seien. Nachdem er sie so zuerst zur Religiosität erzogen, überzeugte er sie leicht von allem Übrigen. Andere Gesetzgeber hielten es mit Fabeln und dichteten ihren Göttern der Menschen schändliche Laster an; so gaben sie den Gottlosen hinreichende Gründe zur Entschuldigung. Moyses hingegen zeigte, dass Gott die Tugend rein und unbefleckt besitze, und lehrte die Menschen mit aller Kraft dahin streben, dass sie ihrer teilhaftig würden. Gegen die aber, welche das nicht erkannten und nicht glaubten, schritt er mit Strenge ein.

      Von diesem Gesichtspunkte aus wolle der Leser dieses mein Werk beurteilen. Wer so denkt, wird nichts darin finden, was widersinnig oder der Majestät Gottes und seiner Liebe zu den Menschen unwürdig wäre. Denn alles ist in höchster Ordnung und naturgemäß dargestellt: einiges nach dem Sinne des Gesetzgebers nur angedeutet, anderes nur allegorisch ausgedrückt, endlich das klar und geordnet auseinander gesetzt, was eine volle Beleuchtung verdient. Freilich für diejenigen, die die letzten Gründe der einzelnen Dinge erforschen wollen, würde die Betrachtung zu ausgedehnt und zu philosophisch werden müssen, weshalb ich dies auf eine andere Zeit zu verschieben mir vornehme. Gewährt mir Gott ein längeres Leben, so will ich nach Vollendung dieses Werkes auch noch an jene Arbeit herangehen. Nunmehr will ich mich zur eigentlichen Erzählung wenden. Einiges über die Erschaffung der Welt werde ich nach den Worten des Moyses voranschicken. Dies fand ich in den heiligen Büchern aufgezeichnet, und es verhält sich damit also, wie folgt.

      ERSTES KAPITEL

      Die Einrichtung der Welt und die Anordnung der Elemente.

      1. Im Anfange erschuf Gott Himmel und Erde. Da diese aber noch dem Anblicke entzogen und in tiefer Finsternis verborgen war, während der Geist über ihr schwebte, befahl Gott, dass das Licht werde. Nach dessen Erschaffung betrachtete Gott die ganze Masse und schied das Licht von der Finsternis. Und die Finsternis nannte er Nacht, das Licht aber Tag, Morgen den Beginn des Lichtes, und Abend den Beginn der Ruhe. Und dieses war der erste Tag. Moyses aber nannte ihn einen Tag. Den Grund hierfür könnte ich schon jetzt angeben. Weil ich jedoch versprochen habe, die Gründe aller Dinge in einem besonderen Werke zu erörtern, werde ich es bis dahin verschieben. Sodann setzte Gott über das Ganze am zweiten Tage den Himmel, weil er ihn von dem Übrigen getrennt für sich angebracht wissen wollte. Und er umgab ihn mit Kristall und machte ihn feucht und wasserreich, damit Regen entstehe zur Befruchtung des Bodens. Am dritten Tage erschuf er das Land und umgab es von allen Seiten mit Meer. An demselben Tage sind Pflanzen und Samen der Erde entsprossen. Am vierten Tage erleuchtete er den Himmel mit Sonne, Mond und anderen Sternen; allen wies er Bewegung und Bahn an, wodurch Zeit- und Witterungsverhältnisse entstanden. Am fünften Tage entsandte er die Fische und Vögel, jene in die Tiefe, diese durch die Lüfte. Zugleich paarte er sie, damit sie sich fortpflanzten, und ihr Geschlecht wachse und sich vermehre. Am sechsten Tage aber erschuf Gott die Vierfüßler, männliche und weibliche, und an diesem bildete er auch den Menschen. So ist nach Moyses die Welt mit allem, was auf ihr ist, in diesen sechs Tagen erschaffen worden. Am siebenten Tage aber habe Gott geruht und keine Arbeit verrichtet. Daher enthalten auch wir uns an diesem Tage der Arbeit und nennen ihn Sabbat, was in hebräischer Sprache »Ruhe« bedeutet.

      2. Bevor nun Moyses nach dem siebenten Tage in der Schilderung fortfährt, beschreibt er die Erschaffung des Menschen wie folgt. Gott bildete den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm und diesem Geist und Seele einhauchte. Und dieser Mensch hieß Adam, das heißt in hebräischer Sprache »rot«, weil er aus roter weicher Erde gemacht ist, die die jungfräuliche und wahre Erde darstellt. Gott führte alsdann dem Adam die einzelnen Tiergeschlechter zu und zeigte ihm Männchen und Weibchen; und Adam gab ihnen Namen, die sie heute noch haben. Da Gott aber sah, dass Adam der Gesellschaft und Gemeinschaft eines Weibes entbehrte (denn es war noch keines da) und sich über der anderen Lebewesen Gebaren verwunderte, nahm er ihm im Schlafe eine Rippe und bildete daraus ein Weib. Und als er sie ihm zuführte, erkannte Adam, dass sie aus ihm gemacht sei. Ein Weib heißt in hebräischer Sprache Issa; sie aber wurde Eva genannt, das heißt »Mutter aller Lebendigen.«

      3. Er erzählt dann weiter, Gott habe gegen Osten einen Garten gepflanzt, prangend in mancherlei Gewächsen. Unter diesen sei ein Baum des Lebens gewesen, und ein anderer der Erkenntnis des Guten und Bösen. In diesen Garten habe Gott den Adam mit seinem Weibe geführt und ihnen aufgetragen, die Gewächse zu pflegen. Bewässert aber wird dieser Garten von einem einzigen Flusse, der die ganze Landschaft umfließt und sich in vier Arme teilt. Von diesen fließt der Phison (das heißt »Menge«) nach Indien und ins Meer; von den Griechen wird er Ganges genannt. Der Euphrat und der Tigris münden ins Rote Meer; Ersterer heißt Phora (Zerstreuung oder Blume), letzterer Diglath (scharf und eng). Der Geon endlich fließt durch Ägypten und heißt: »von Osten her uns zuströmend«; die Griechen nennen ihn Nil.

      4. Gott gestattete also dem Adam und seinem Weibe, von den übrigen Gewächsen zu kosten, von dem Baume der Erkenntnis dagegen verbot er ihnen zu essen, indem er ihnen drohte, falls sie ihn berührten, werde es ihr Verderben sein. Da aber zu jener Zeit alle Tiere sich der Sprache bedienten, überredete die Schlange, die mit Adam und seinem Weibe vertraulich verkehrte und sie um ihr Glück beneidete, das sie im Gehorsam gegen Gott genossen, das Weib, dass es von dem Baume der Erkenntnis koste, wohl wissend, dass die beiden in ihr Unglück stürzten, sobald sie vom Pfade des Gehorsams abwichen. Sie stellte ihr nämlich vor, an diesem Baume hänge die Unterscheidung des Guten und Bösen, und wenn sie diese erlangt hätten, würden sie ein glückseliges Leben wie Gott genießen. Und so verführte sie das Weib, Gottes Gebot zu missachten. Als Eva nun von dem Baume gekostet und sich an der Speise ergötzt hatte, beredete sie auch den Adam, davon zu essen. Da aber erkannten sie,


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