Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
schickte Jesus nach der Stadt Anna, die oberhalb Jerichos lag, dreitausend Bewaffnete, welche mit den Annitern handgemein wurden, indes fliehen mussten und sechsunddreißig Mann verloren. Als die Israeliten das erfuhren, wurden sie sehr traurig und beklommen, nicht so sehr wegen des Verlustes ihrer Angehörigen, denn diese waren tapfere und hochachtbare Männer, als vielmehr aus Verzweiflung. Denn sie hatten schon geglaubt, sie würden sich des Landes bemächtigen, ohne Verluste zu erleiden, da Gott ihnen dies verheißen habe; und nun sahen sie wider Erwarten, dass die Feinde sogar siegen konnten. Daher legten sie Säcke an, trauerten und weinten den ganzen Tag und dachten nicht einmal daran, etwas zu essen – so schwer hatte sie der Unfall niedergebeugt.
13. Als Jesus das Heer so niedergeschlagen und in Verzweiflung sah, wandte er sich vertrauensvoll zu Gott und betete: »Nicht aus Verwegenheit und Tollkühnheit haben wir uns zur Eroberung dieses Landes mit Waffengewalt angeschickt, sondern dein Diener Moyses hat uns dazu ermuntert, da du unter Wunderzeichen verheißen hattest, du würdest uns den Besitz dieses Landes verschaffen und unser Heer stets die Feinde besiegen lassen. Einiges ist ja auch nach deiner Verheißung bereits eingetroffen. Nun aber erleiden wir unerwartet eine Niederlage und büßen einen Teil unserer Mannschaft ein, weshalb wir an deinen Verheißungen und den Versprechungen des Moyses fast verzweifeln und in großer Betrübnis uns befinden. Und da unser erster Versuch so ungünstig ausgefallen ist, blicken wir mit banger Besorgnis in die Zukunft. Du aber, o Herr, der du unserem Unglück Hilfe bringen kannst, nimm hinweg von uns alle Trauer und die bangen Sorgen wegen der Zukunft, und verleihe uns den Sieg.«
14. So flehte Jesus zu Gott, auf sein Angesicht hingesunken. Gott aber antwortete ihm, er solle aufstehen und das Heer von der Schuld reinigen, mit der es sich befleckt habe, da es an gottgeweihten Gegenständen Diebstahl verübte. Eben deshalb hätten sie die Niederlage erlitten, und sie würden über ihre Feinde wieder siegen, sobald sie den Gottesräuber ermittelt und bestraft hätten. Das verkündete Jesus dem Volke, berief den Hohepriester Eleazar und die Oberhäupter zu sich und ließ über die einzelnen Stämme das Los werfen. Und da das Los den Stamm Judas als denjenigen auswies, dem der Täter angehöre, so wurde über dessen einzelne Familien das Los geworfen, und die Familie des Achar ermittelt. Alsdann wurde Mann für Mann ausgeforscht, und man überführte den Achar, der, als er sah, dass er die Tat nicht leugnen könne und dass Gottes Gericht ihn schwer getroffen habe, den Diebstahl eingestand und das Gestohlene hervorholte. Er wurde alsdann sogleich mit dem Tode bestraft und in der Nacht schimpflich begraben, wie es mit den öffentlich Hingerichteten zu geschehen pflegt.
15. Darauf führte Jesus das Heer nach Anna, richtete in der Nacht Hinterhalte um die Stadt herum ein und griff mit Tagesanbruch die Feinde an. Als diese nun, durch ihren jüngst errungenen Sieg tollkühn gemacht, stürmisch gegen die Hebräer anrannten, lockte er sie durch verstellte Flucht weit von der Stadt weg, sodass sie in dem Glauben, sie verfolgten die Hebräer, schon ihres Sieges gewiss waren. Dann aber wandten sich plötzlich die Hebräer, und zugleich wurden die im Hinterhalt Liegenden durch verabredete Zeichen zum Kampfe aufgefordert. Und sie drangen in die Stadt ein, während die Bürger auf den Mauern standen und diejenigen beobachteten, die aus der Stadt ausgerückt waren. Darauf nahmen sie die Stadt und machten alles nieder, was ihnen entgegenkam, während Jesus sich auf die Feinde warf, ihre Reihen auflöste und sie in die Flucht schlug. Weil diese nun die Stadt noch für unbesetzt hielten, wollten sie sich hierhin zurückziehen. Als sie aber sahen, dass der Feind sich schon daselbst festgesetzt und die Stadt mit den Weibern und Kindern der Vernichtung durch Feuer preisgegeben hatte, zerstreuten sie sich in völliger Verwirrung über das Land und konnten vereinzelt nicht den geringsten Widerstand mehr leisten. Nachdem die Anniter also geschlagen waren, fiel eine große Menge Weiber, Kinder und Sklaven in die Hände der Israeliten. Außerdem erbeuteten sie viel Gepäck, Vieh und bares Geld, denn die Gegend war reich. Alles dieses verteilte Jesus in Galgala unter die Kämpfer.
16. Als die Gabaoniter, die nahe bei Jerusalem wohnten, von dem Schicksal der Städte Jericho und Anna hörten, fürchteten sie auch große Gefahr für sich selbst. Doch verschmähten sie es, den Jesus anzuflehen, da sie bei ihm doch nichts ausrichten zu können glaubten, weil er sich augenscheinlich die gänzliche Vernichtung der Chananäer vorgenommen hatte. Dagegen luden sie die Kepheriter und Kariathiarimiter, ihre Nachbaren, zum Abschluss eines Bündnisses ein, indem sie ihnen vorstellten, dass auch sie in derselben Gefahr schwebten. Als diese hiermit einverstanden waren, schickten sie Gesandte an Jesus ab, die sie unter ihren Mitbürgern als die zu diesem Dienste Tauglichsten ermittelt hatten, und ließen ihm ein Bündnis antragen. Die Gesandten hielten es aber für gefährlich, sich als Chananäer zu bekennen, und glaubten besser zu fahren, wenn sie vorgäben, sie hätten mit den Chananäern nichts zu schaffen, sondern lebten weit von ihnen entfernt. Sie sagten also, sie seien zu ihm gekommen im Vertrauen auf seine Tugend und hätten eine mehrtägige Reise zurückgelegt, wofür ihre Kleider den Beweis erbrächten. Denn sie hätten diese bei der Abreise neu angezogen, doch seien sie über der langen Wanderung verschlissen. Sie hatten aber absichtlich zerrissene Kleider angelegt, um ihren Worten mehr Glauben zu verschaffen. So traten sie also in die Versammlung der Israeliten und erklärten, sie seien von den Gabaonitern und den nächsten Städten, die aber noch weit von da entfernt lägen, geschickt, um nach ihren väterlichen Gebräuchen mit ihnen Frieden und Freundschaft zu schließen. Denn da sie wüssten, dass Gottes Freigebigkeit und Gnade ihnen das Land Chananaea geschenkt habe, so wünschten sie ihnen dazu viel Glück und begehrten sehr, von ihnen in die Zahl ihrer Bürger aufgenommen zu werden. Und indem sie so sprachen, wiesen sie auf die Kennzeichen ihrer langen Reise hin und baten die Hebräer, mit ihnen ein freundschaftliches Bündnis zu schließen. Jesus nun glaubte ihnen, dass sie keine Chananäer seien, und schloss Freundschaft mit ihnen, und auch der Hohepriester und die Ältesten schworen ihnen, dass sie sie als Freunde und Bundesgenossen behandeln und nichts Feindliches gegen sie ersinnen wollten. Dieser eidlichen Versicherung trat auch das ganze Volk bei. Als jene nun durch List ihre Absicht erreicht hatten, kehrten sie zu den Ihrigen zurück. Jesus erfuhr jedoch später, als er mit dem Heere in den gebirgigen Teil von Chananaea kam, dass die Gabaoniter nicht weit von Jerusalem wohnten und zu den Chananäern gehörten. Er beschied daher ihre Vorsteher zu sich und beschuldigte sie des Betruges. Diese aber gaben vor, sie hätten keine andere Möglichkeit ihrer Errettung gesehen und nur notgedrungen dazu ihre Zuflucht genommen. Jesus berief also den Hohepriester Eleazar und die Ältesten zusammen und legte ihnen die Sache zur Entscheidung vor. Diese waren der Meinung, man solle sie zu öffentlichen Diensten verwenden; den eidlich mit ihnen abgeschlossenen Vertrag aber dürfe man nicht verletzen. So fanden die Gabaoniter in der ihnen drohenden Gefahr Schutz und Hilfe.
17. Über diesen Abfall der Gabaoniter war der König von Jerusalem sehr unwillig und ging deshalb die Könige der nächsten Städte um Beistand an, um die Gabaoniter zu bekriegen. Da diese aber merkten, dass die Könige jener Städte (es waren ihrer vier) den Jerusalemern halfen und in der Nähe ihrer Stadt bei einer Quelle ihr Lager aufgeschlagen hatten, riefen sie den Jesus zu Hilfe. Denn ihre Sache stand damals so, dass sie von jenen nur Verderben zu erwarten hatten, von denen aber, die gegen die Chananäer einen Vernichtungskrieg führten, wegen des mit ihnen geschlossenen Bündnisses ihre Rettung hoffen konnten. Jesus eilte ihnen auch sogleich mit dem Heere zu Hilfe, marschierte Tag und Nacht und griff die Feinde, als sie sich zur Belagerung anschickten, eines Morgens früh an, schlug sie in die Flucht und verfolgte sie in eine abschüssige Gegend hinein, die Bethora heißt. Und er erkannte, dass Gott selbst ihm zu Hilfe gekommen sei, an dem augenscheinlichen Beweise, dass es donnerte und blitzte und ein ungewöhnlich heftiger Hagel fiel. Dazu kam noch, dass der Tag sich verlängerte, damit die Hebräer nicht durch die Nacht an der Verfolgung gehindert wären. So kam es, dass Jesus bei Makkeda die Könige, die sich in einer Höhle versteckt hatten, ergriff und tötete. Dass aber der Tag sich damals wirklich verlängerte und über die gewöhnliche Dauer hinaus sich ausdehnte, erhellt aus den heiligen Schriften, die im Archiv des Tempels aufbewahrt werden.
18. Als so die Könige, die die Gabaoniter bekriegen wollten, geschlagen waren, kehrte Jesus in das Gebirge Chananaeas zurück, lieferte hier noch eine große Schlacht und zog sich mit reicher Beute in das Lager von Galgala zurück. Wie aber nun der Ruf von der Tapferkeit der Hebräer zu den benachbarten Völkerschaften gelangte, und diese von der Menge der von jenen Niedergemachten hörten, entsetzten sie sich. Und es nahmen die Könige, die am Gebirge Libanon wohnten und selbst zu den Chananäern gehörten, die in der Ebene wohnenden