Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
mit eurer Hilfe erreicht haben, und dass ihr, um uns beizustehen, euer eigenes Wohl hintangesetzt und euch abgemüht habt, um das erreichen zu helfen, was Gottes Güte uns gewährte und wovon ja auch ihr euren Anteil erhalten habt. Denn aus unseren gemeinsamen Anstrengungen ist euch großer Reichtum zugefallen, viele Beute an Gold und Silber nehmt ihr mit euch und, was noch mehr wert ist, ihr habt euch besonderen Anspruch auf unser Wohlwollen erworben, das wir jederzeit durch Leistung von Gegendiensten zu betätigen bereit sind. Auch habt ihr alle Vorschriften des Moyses bis ins kleinste befolgt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilt, und auch dafür habt ihr unseren herzlichen Dank verdient. Ziehet daher fröhlich nach Hause und denket besonders daran, dass unsere gegenseitige Freundschaft eine unbegrenzte ist; glaubet auch nicht, dass wir deshalb, weil der Fluss uns trennt, weniger Hebräer wären als ihr. Denn wir alle stammen von Abram ab, mögen wir nun an diesem oder jenem Ufer wohnen, und ein und derselbe Gott hat eure wie unsere Vorfahren ins Leben gerufen. Seine Verehrung müsst ihr deshalb ebenso fleißig pflegen wie wir, auch die Verfassung, die er durch Moyses eingerichtet hat, treu beobachten. Wenn ihr das tut und standhaft dabei bleibt, wird Gott euch stets ein gnädiger Beschützer sein. Fallt ihr aber zu den Sitten und Gebräuchen anderer Völker ab, so wird er sich von eurem Geschlechte abwenden.« Als er so gesprochen, grüßte er zuerst jeden Obersten, darauf die ganze Volksmenge und entfernte sich dann; das Volk aber gab ihnen weinend das Geleit, bis sie, beiderseits traurig gestimmt, voneinander schieden.
26. Als nun die Stämme Rubel und Gad und was vom Stamme Manasses ihnen gefolgt war, den Fluss überschritten hatten, errichteten sie am Ufer des Jordan einen Altar zum ewigen Gedenkzeichen ihrer Freundschaft mit den jenseitigen Bewohnern. Sobald aber die auf der anderen Seite des Jordan wohnenden Israeliten gehört hatten, diejenigen, die von ihnen geschieden, hätten einen Altar gebaut, griffen sie aus Unkenntnis der Absicht, die jene dazu veranlasst hatte, und im Glauben, dies sei geschehen, um einen neuen Gottesdienst und fremde Götter einzuführen, zu den Waffen, um nach Überschreitung des Flusses die Erbauer des Altars zu verfolgen und sie für die Verletzung der heimischen Gebräuche zu bestrafen. Denn sie hielten dafür, dass man mehr auf den Willen Gottes und seine Verehrung als auf Verwandtschaft und die Stellung derjenigen Rücksicht nehmen müsse, die sich des Frevels schuldig gemacht hätten. Und so rüsteten sie sich in ihrem Zorn zum Kampfe. Jesus aber, der Hohepriester Eleazar und die Ältesten suchten sie davon abzuhalten und beredeten sie, dass sie zuerst in Güte zu erfahren suchen möchten, in welchem Sinne jene den Altar gebaut hätten, und erst wenn sie die böse Absieht festgestellt hätten, sollten sie mit den Waffen einschreiten. Daraufhin schickten sie Phineës, den Sohn des Eleazar, und zehn andere bei den Hebräern sehr angesehene Männer als Gesandte ab, um nachzuforschen, was die anderen mit der Errichtung des Altars am Flussufer beabsichtigt hätten. Als diese nun den Fluss überschritten hatten und bei ihnen angelangt waren, berief man sogleich eine Versammlung, in deren Mitte Phineës trat und also sprach: »Euer Vergehen ist zwar zu groß, als dass man es bloß mit Worten ahnden könnte. Trotzdem haben wir nicht gleich zu den Waffen greifen wollen, vielmehr mit Rücksicht auf unsere Verwandtschaft und im Vertrauen darauf, dass ihr vielleicht durch gute Worte euch zu vernünftigem Handeln bereden lasst, diese Botschaft zu euch unternommen. Wir möchten nämlich nicht gern ohne Grund euch angreifen, wenn ihr den Altar in frommer Absicht gebaut habt; andererseits aber sind wir auch gesonnen, euch streng zu bestrafen, wenn die Anschuldigung gegen euch auf Wahrheit beruht. Wir konnten in der Tat fast nicht glauben, dass ihr, die ihr doch Gottes Willen kennt und die Gesetze, die er euch gegeben, gehört habt, kaum dass ihr von uns weggegangen waret und euch der Heimat zugewandt hattet, schon solltet vergessen haben, was ihr der Fürsorge Gottes verdankt, und dass ihr die heilige Hütte, die Lade und den heimischen Altar hättet verlassen, fremde Götter einführen und die schändlichen Gebräuche der Chananäer annehmen wollen. Doch wollen wir euch nichts Böses nachtragen, wenn ihr in euch geht, keine weitere Torheit begeht, die heimischen Gesetze wieder achtet und sie im Gedächtnis behaltet. Besteht ihr dagegen auf eurem schlechten Vorhaben, so werden wir um unserer Gesetze willen keine Mühe scheuen, sondern über den Fluss ziehen und zum Schutze Gottes und seiner Gebote keinen Unterschied zwischen euch und den Chananäern machen, euch also wie jene vernichten. Hütet euch zu glauben, ihr wäret, da ihr den Fluss überschritten, nun auch Gottes Botmäßigkeit entgangen. Denn überall steht ihr in seiner Gewalt, und auf keinen Fall könnt ihr seiner Allmacht und seinem Strafgerichte entrinnen. Glaubt ihr aber, ihr könntet in diesem eurem Lande eure gute Gesinnung nicht beibehalten, so steht es euch ja frei, das Land abermals zu teilen und es wieder zu verlassen, so gute Viehweiden es auch darbieten mag. Jedenfalls tätet ihr wohl daran, wenn ihr Vernunft annähmt und von neuen Vergehungen abständet. Bei euren Weibern und Kindern beschwören wir euch, nötigt uns nicht den Kampf auf. Und nun beratschlagt und tut so, als ob von dieser Beratung euer und eurer Lieben Wohlergehen abhinge. Bedenket auch, dass es besser ist, sich vernünftiger Überredung zu fügen, als des Krieges Ungemach zu erproben.«
27. Als Phineës so geredet hatte, fingen die Vorsteher der Versammlung und das ganze Volk an, die gegen sie erhobenen Beschuldigungen zurückzuweisen. Sie hätten den Altar weder errichtet, um von ihren Verwandten sich zu trennen, noch um Neuerungen einzuführen. Sie erkennten vielmehr nur einen einzigen Gott an, den alle Hebräer gemeinsam verehrten, und wüssten, dass man nur auf einem Altare Gott opfern dürfe, nämlich dem ehernen Altare vor der heiligen Hütte. »Den Altar aber«, sagten sie, »den wir jetzt erbaut haben, und der einen solchen Verdacht bei euch wachgerufen hat, haben wir nicht zum Zwecke der Gottesverehrung errichtet, sondern damit er ein ewiges Wahrzeichen unser beiderseitigen Verwandtschaft sei. Er sollte, statt uns, wie ihr argwöhntet, zur Übertretung der Gebote zu verführen, uns vielmehr den rechten Anlass geben, stets im wahren Glauben und in den Gebräuchen unserer Väter zu verharren. Gott selbst sei unser Zeuge, dass wir nur in dieser Absicht den Altar errichtet haben. Denket also künftig besser von uns und legt uns kein Vergehen bei, wegen dessen alle Nachkommen Abrams, die von den überkommenen Einrichtungen abwichen und Neuerungen einführten, die Todesstrafe verdient haben.«
28. Wegen dieser vernünftigen Sprache lobte sie Phineës sehr. Darauf kehrte er zu Jesus zurück und erzählte dem Volke, was sich zugetragen. Diese freuten sich, dass sie nicht in den Krieg zu ziehen und das Blut ihrer Verwandten zu vergießen brauchten, und brachten Gott Dankopfer dar. Jesus entließ sodann das Volk und begab sich nach Sikim. Zwanzig Jahre später, als er in hohem Greisenalter stand, berief er aus den einzelneu Städten die Angesehensten, die Behörden und die Ältesten nebst allen aus dem Volke, die er bequem zusammenbringen konnte, zu sich. Und als sie versammelt waren, rief er ihnen die Wohltaten Gottes ins Gedächtnis, deren sie gar viele erfahren hätten, da sie aus Niedrigkeit zu solchem Ruhm und solcher Macht gelangt seien. Dann ermahnte er sie, dem Willen Gottes, der ihnen stets gnädig gewesen, zu folgen, denn nur durch Frömmigkeit würden sie sich Gottes Wohlwollen auch für die Zukunft bewahren. Er sei im Begriff, aus dem Leben zu scheiden, und es stehe ihm deshalb zu, ihnen solche Ermahnungen zu erteilen. Dass sie dieser Ermahnungen stets eingedenk bleiben möchten, darum bitte er sie noch ganz besonders.
29. Nachdem er so zu den Anwesenden gesprochen hatte, starb er im Alter von einhundertzehn Jahren. Hiervon hatte er vierzig Jahre mit Moyses zusammengelebt, von dem er viel Nützliches gelernt, und nach dessen Tod er fünfundzwanzig Jahre lang den Oberbefehl innegehabt hatte. Er war ein Mann, dem es weder an Einsicht noch an der nötigen Beredsamkeit fehlte, um seine Gedanken dem Volke klar zu machen; vielmehr besaß er beides in hohem Maße. In gefahrvollen Unternehmungen tapfer und starkmütig, war er im Frieden ein geschickter Ratgeber und von allzeit erprobter Tüchtigkeit. Begraben wurde er in der Stadt Thamna im Stamme Ephraïm. Um dieselbe Zeit starb auch der Hohepriester Eleazar und hinterließ die Würde seinem Sohne Phineës. Sein Grabdenkmal steht in der Stadt Gabatha.
ZWEITES KAPITEL
Wie nach dem Tode des Feldherrn die Israeliten die väterlichen Gesetze
übertraten und deshalb in großes Unglück gerieten und wie nach einer
Empörung der ganze Stamm Benjamin bis auf sechshundert Mann
zugrunde ging.
1. Nach dem Tode dieser beiden Männer weissagte Phineës nach dem Willen Gottes, bei der Vernichtung des Chananäervolkes solle der Stamm Judas den Oberbefehl erhalten. Denn es lag dem Volke daran, zu erfahren, was