Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone
Nahrung und Feuchtigkeit zugeführt bekommen, selbst wenn während der anhaltenden monatelangen Trockenheit dies anderswo unmöglich wäre.
Die menschlichen Einwohner dieses Landstrichs bestehen aus Buschmännern und Bakalahari. Erstere sind wahrscheinlich die Ureinwohner des südlichen Teils des Kontinents; Letztere die Überbleibsel von der ersten Auswanderung der Betschuanen. Die Buschmänner leben aus freier Wahl, die Bakalahari gezwungen in der Wüste, aber beide sind große Freunde der Freiheit. Die Buschmänner unterscheiden sich durch Sprache, Rasse, Sitten und Aussehen. Sie sind die einzigen wirklichen Nomaden in diesem Land, bebauen niemals den Boden und halten auch keinerlei Haustiere außer armseligen Hunden. Mit der Lebensweise des Wildes sind sie so genau vertraut, dass sie demselben auf seinen Wanderungen nachziehen und ihm von einem Ort zum anderen nachstellen; sie tun auf diese Weise der übermäßigen und außerordentlichen Vermehrung des Wildes ebenso wirksam Einhalt wie die übrigen größeren fleischfressenden Tiere. Die Hauptnahrung der Buschmänner besteht in Wild; außerdem sammeln die Weiber noch Wurzeln und Bohnen und Früchte der Wüste ein.
Diejenigen von ihnen, welche die heißen sandigen Ebenen der Wüste bewohnen, zeigen gewöhnlich jene hageren ausgetrockneten Gestalten, welche große Anstrengungen und harte Entbehrungen ertragen können. Manche sind von niedriger Statur, obschon keine Zwerge. Diejenigen Individuen, welche man nach Europa gebracht hat, sind ihrer außerordentlichen Hässlichkeit wegen dazu ausersehen worden, und so haben sich die Begriffe der Engländer von dem ganzen Stamm auf gleiche Weise gebildet, als ob man die hässlichsten Engländer als die Repräsentanten der ganzen britischen Nation in Afrika zur Schau ausstellen wollte. Dass sie viel Ähnlichkeit mit Pavianen haben, ist gewissermaßen wahr, geradeso wie diese und andere Affen in manchen Stücken erschreckend menschenartig aussehen.
Die Furcht vor den Besuchen von Betschuanen fremder Stämme veranlasst die Bakalahari, ihre Wohnsitze fern von Wassersammlungen zu wählen, und sie verbergen ihre Vorräte zuweilen dadurch, dass sie die Gruben mit Sand füllen und ein Feuer über der Stelle anmachen. Wenn sie Wasser zu ihrem Gebrauch holen wollen, so kommen die Weiber mit zwanzig bis dreißig Wassergefäßen in einem Sack oder Netz auf dem Rücken. Diese Wassergefäße bestehen aus den Schalen von Straußeneiern, deren jede ein Loch an dem einen Ende hat, gerade groß genug, dass man mit dem Finger hinein kann. Die Weiber binden ein Büschel Gras an das Ende eines ungefähr 2 Fuß langen Schilfrohrs und stecken dieses in ein Loch, das sie so tief gegraben haben, wie ihr Arm reicht; dann stampfen sie den feuchten Sand um das Schilfrohr wieder fest. Bringen sie nun den Mund an das offene Ende des Rohrs und saugen daran, so bildet sich unten in dem Gras ein leerer Raum, in welchem sich das Wasser sammelt und in kurzer Zeit bis zum Mund emporsteigt. Eine Eierschale wird nun neben das Schilfrohr auf den Boden gesetzt, einige Zoll unter dem Mund der Saugenden. Ein Strohhalm leitet das Wasser in die Höhlung des Gefäßes, während sie es einen Mundvoll um den anderen heraufziehen. Das Wasser lässt man an der Außenseite des Strohhalms, nicht durch denselben hinablaufen. Wenn man es versucht, Wasser in eine Flasche zu spritzen, welche in einiger Entfernung unter dem Mund steht, so wird man sogleich einsehen, wie zweckmäßig diese Vorkehrung der Buschweiber ist, dem Strom die nötige Richtung mittels eines Strohhalmes zu geben. Der ganze Wasservorrat muss auf diese Weise durch den Mund des Weibes wie durch eine Pumpe gehen und wird, sobald er nach Hause gebracht worden ist, sorgfältig vergraben. Ich bin in Dörfer gekommen, wo wir, wenn wir trotzig und gebieterisch aufgetreten wären und jede Hütte durchstöbert hätten, doch nichts gefunden haben würden; allein wenn wir uns ruhig niederließen und geduldig warteten, bis die Dorfbewohner zu einer günstigen Meinung über uns gekommen waren, so brachte bald ein Weib eine Eierschale voll von dem köstlichen Nass aus irgendeinem unbekannten Versteck herbei.
Bakalahari-Frauen an einem Tümpel der Wüste
ZWEITES KAPITEL
So war die Wüste beschaffen, zu deren Durchreise wir uns nun anschickten – ehemals eine Region des Schreckens für die Betschuanen wegen der Menge Schlangen, welche daselbst hausten und von verschiedenen Mäusearten lebten, und wegen des furchtbaren Durstes, welchen die Leute oft erdulden mussten, wenn ihre Wassergefäße nicht groß genug waren für die Entfernungen, die man zurücklegen musste, bevor man Quellen erreichte.
Unmittelbar vor der Ankunft meiner Reisegefährten war ein Häuflein Leute aus der Gegend des Sees in Kolobeng eingetroffen und hatten sich mir als Abgesandte ihres Häuptlings Letschulatebe vorgestellt, der mich zum Besuch jenes Landes einladen ließ. Sie machten uns so glänzende Schilderungen von der Menge Elfenbein, das sich dort fände, dass die Führer der Bakuena mindestens ebenso begierig waren, nach dem See vorzudringen, wie wir selbst es wünschten. Dies war ein Glück, da wir wussten, dass der Weg, auf welchem die Fremden hergekommen waren, nicht mit Wagen passiert werden konnte.
Die Herren Oswell und Murray kamen Ende Mai, und wir alle brachen am 1. Juni 1849 wohlbehalten nach der unbekannten Region auf. Wir zogen nordwärts, zunächst durch eine Reihe mit Bäumen bedeckter Hügel nach Schokuane, dem früheren Wohnsitz der Bakuena, und gelangten bald auf die große Straße zu den Bamangwatos, welche zumeist im Bett eines ehemaligen Flusses oder Wadi hinführt, dessen Lauf früher die Richtung von Norden nach Süden gehabt haben musste. Das umliegende Land ist vollkommen flach, aber mit lichtem Wald und Busch bewachsen und hat Überfluss an Gras; die Bäume sind im Allgemeinen eine Akazienart, Monato genannt, welche schon weiter südlich auftritt und bis nach Angola hin allgemein vorkommt.
Der Boden ist sandig, und es finden sich hier und da Spuren, dass an Stellen, welche jetzt gar kein Wasser mehr haben, früher Brunnen und Viehstationen vorhanden waren.
Zu Maschue – wo wir eine nie versiegende Quelle frischen Wassers in einer Sandsteinhöhe fanden – verließen wir den Weg nach den Bamangwato-Hügeln und wandten uns nordwärts in die Wüste. Nachdem wir unsere Zugochsen an dem Brunnen Lobotani, ungefähr nordwestlich von Bamangwato, getränkt hatten, reisten wir zunächst weiter nach Serotli, einer wirklichen Quelle in der Kalahari-Wüste. Die ganze Umgegend ist mit Gebüsch und Bäumen einer Leguminosenart mit lilafarbigen Blüten bedeckt. Der Boden besteht aus weichem weißem Sand, der für die Ochsen sehr anstrengend ist, denn die Räder sinken bis über die Felgen ein und sind kaum vorwärtszubringen. Zu Serotli fanden wir nur einige Löcher, denjenigen ähnlich, welche der Büffel und das Nashorn machen, wenn sie sich im Schlamm wälzen. In der Ecke eines solchen Loches entdeckten wir ein wenig Wasser, das unsere Hunde im Nu aufgeleckt haben würden, wenn wir sie nicht hinweggetrieben hätten. Und doch war dies, wie es schien, der ganze Vorrat für einige achtzig Ochsen, zwanzig Pferde und etwa ebenso viele Menschen. Unser Führer Ramotobi aber, welcher seine Jugend in der Wüste verlebt hatte, erklärte, es sei hier Wasser genug vorhanden, obschon es nicht danach aussähe. Wir erwarteten nichts Gutes, doch holten wir schnell die Spaten herbei; allein unsere Führer verschmähten ein solch neumodisches Hilfsmittel und begannen ohne Umstände, den Sand mit ihren Händen herauszukratzen. Es war dies der einzige Ort, an dem wir für eine Strecke von siebzig Meilen, also bei unseren schwerfälligen Wagen für eine Reise von drei Tagen, noch Wasser zu finden hoffen konnten. Mit Fingern und Spaten wurden zwei von diesen Löchern so weit ausgehöhlt, dass sie Gruben von etwa 6 Fuß Tiefe und ebenso viel Breite bildeten. Unsere Führer empfahlen uns besonders dringend, die harte Sandschicht am Boden nicht zu durchbrechen, weil sie wussten, »dass dann das Wasser davonlaufen würde«. Sie haben ganz recht, denn das Wasser scheint auf dem beginnenden Sandstein aufzuliegen. Der Wert dieses Ratschlags bewährte sich, als ein Engländer von nicht eben glänzenden Geistesgaben denselben nicht beachtete und in den Brunnen von Mohotluani die sandige Schicht am Boden durchstach; das Wasser verschwand sofort und der Brunnen wurde nutzlos. Als wir auf die erwähnte Schicht stießen, fanden wir, dass das Wasser dicht an der Linie, wo der weiche Sand mit ihr in Berührung kam, von allen Seiten hereinfloss. Wir ließen dieses Wasser sich ansammeln und hatten genug, um am Abend die Pferde zu tränken; da es aber für die Ochsen nicht hinreichte, so sandten wir diese nach Lobotani zurück, wo sie, nachdem sie vier Tage (sechsundneunzig Stunden) lang gedurstet hatten, einen reichen Wasservorrat fanden. Die Pferde behielten wir bei uns, denn sie waren uns zur Herbeischaffung von Wildbret für den Unterhalt unserer zahlreichen Reisegesellschaft unentbehrlich.